Consulats hatte er abgewartet um aufzubrechen. Voll hastiger Leidenschaft schien er jede Minute auskaufen zu wollen um das Versäumte nachzuholen, zu den Schätzen des Westens noch die des Ostens einzuthun, Feldherrnmacht und Feldherrnruhm rasch wie Caesar und mühelos wie Pompeius zu erjagen.
Er fand den parthischen Krieg bereits eingeleitet. Pompeius illoyales Verfahren gegen die Parther ist früher erzählt worden (S. 133); er hatte die vertragsmässige Euphratgrenze nicht re- spectirt und zu Gunsten Armeniens, das jetzt römischer Clientel- staat war, mehrere Landschaften vom parthischen Reich abge- rissen. König Phraates hatte sich das gefallen lassen; nachdem er aber von seinen beiden Söhnen Mithradates und Orodes er- mordet worden war, erklärte der neue König Mithradates dem König von Armenien, des kürzlich verstorbenen Tigranes Sohn Artavasdes, sofort den Krieg (um 698*). Es war dies zugleich eine Kriegserklärung gegen Rom; so wie daher der Aufstand der Juden unterdrückt war, führte der tüchtige und muthige Statt- halter Syriens Gabinius die Legionen über den Euphrat. Im Par- therreich war indess inzwischen eine Umwälzung eingetreten: die Grossen des Reiches, an ihrer Spitze der junge kühne und talent- volle Fürst Surenas, hatten den König Mithradates gestürzt und dessen Bruder Orodes auf den Thron gesetzt. Mithradates machte desshalb gemeinschaftliche Sache mit den Römern und begab sich in Gabinius Lager. Alles versprach dem Unternehmen des römischen Statthalters den besten Erfolg, als er unvermuthet Befehl bekam, den König von Aegypten mit Waffengewalt nach Alexandreia zurückzuführen (S. 147). Er musste gehorchen; aber in der Erwartung bald wieder zurück zu sein veranlasste er den bei ihm Hülfe bittenden König inzwischen auf eigene Faust den Krieg zu eröffnen. Mithradates that es und besetzte auch Seleukeia und Babylon; aber Seleukeia nahm Surenas, er der Feldherr persönlich der erste auf der Zinne, mit stürmender Hand ein und in Babylon musste Mithradates selbst, durch Hun- ger bezwungen, sich ergeben, worauf er auf Befehl des Bruders hingerichtet ward. Sein Tod war ein fühlbarer Verlust für die Römer; aber die Gährung im parthischen Reich war damit kei- neswegs zu Ende; auch der armenische Krieg währte noch fort und verhinderte ernstliche Rüstungen gegen Rom. Eben war Gabinius im Begriff nach Beendigung des ägyptischen Feldzugs
* Tigranes lebte noch im Febr. 698 (Cie. pro Sest. 27, 59); dagegen herrschte Artavasdes schon vor 700 (Justin 42, 2, 4; Plut. Crass. 49).
FÜNFTES BUCH. KAPITEL IX.
Consulats hatte er abgewartet um aufzubrechen. Voll hastiger Leidenschaft schien er jede Minute auskaufen zu wollen um das Versäumte nachzuholen, zu den Schätzen des Westens noch die des Ostens einzuthun, Feldherrnmacht und Feldherrnruhm rasch wie Caesar und mühelos wie Pompeius zu erjagen.
Er fand den parthischen Krieg bereits eingeleitet. Pompeius illoyales Verfahren gegen die Parther ist früher erzählt worden (S. 133); er hatte die vertragsmäſsige Euphratgrenze nicht re- spectirt und zu Gunsten Armeniens, das jetzt römischer Clientel- staat war, mehrere Landschaften vom parthischen Reich abge- rissen. König Phraates hatte sich das gefallen lassen; nachdem er aber von seinen beiden Söhnen Mithradates und Orodes er- mordet worden war, erklärte der neue König Mithradates dem König von Armenien, des kürzlich verstorbenen Tigranes Sohn Artavasdes, sofort den Krieg (um 698*). Es war dies zugleich eine Kriegserklärung gegen Rom; so wie daher der Aufstand der Juden unterdrückt war, führte der tüchtige und muthige Statt- halter Syriens Gabinius die Legionen über den Euphrat. Im Par- therreich war indeſs inzwischen eine Umwälzung eingetreten: die Groſsen des Reiches, an ihrer Spitze der junge kühne und talent- volle Fürst Surenas, hatten den König Mithradates gestürzt und dessen Bruder Orodes auf den Thron gesetzt. Mithradates machte deſshalb gemeinschaftliche Sache mit den Römern und begab sich in Gabinius Lager. Alles versprach dem Unternehmen des römischen Statthalters den besten Erfolg, als er unvermuthet Befehl bekam, den König von Aegypten mit Waffengewalt nach Alexandreia zurückzuführen (S. 147). Er muſste gehorchen; aber in der Erwartung bald wieder zurück zu sein veranlaſste er den bei ihm Hülfe bittenden König inzwischen auf eigene Faust den Krieg zu eröffnen. Mithradates that es und besetzte auch Seleukeia und Babylon; aber Seleukeia nahm Surenas, er der Feldherr persönlich der erste auf der Zinne, mit stürmender Hand ein und in Babylon muſste Mithradates selbst, durch Hun- ger bezwungen, sich ergeben, worauf er auf Befehl des Bruders hingerichtet ward. Sein Tod war ein fühlbarer Verlust für die Römer; aber die Gährung im parthischen Reich war damit kei- neswegs zu Ende; auch der armenische Krieg währte noch fort und verhinderte ernstliche Rüstungen gegen Rom. Eben war Gabinius im Begriff nach Beendigung des ägyptischen Feldzugs
* Tigranes lebte noch im Febr. 698 (Cie. pro Sest. 27, 59); dagegen herrschte Artavasdes schon vor 700 (Justin 42, 2, 4; Plut. Crass. 49).
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FÜNFTES BUCH. KAPITEL IX.
Consulats hatte er abgewartet um aufzubrechen. Voll hastiger
Leidenschaft schien er jede Minute auskaufen zu wollen um das
Versäumte nachzuholen, zu den Schätzen des Westens noch die
des Ostens einzuthun, Feldherrnmacht und Feldherrnruhm rasch
wie Caesar und mühelos wie Pompeius zu erjagen.
Er fand den parthischen Krieg bereits eingeleitet. Pompeius
illoyales Verfahren gegen die Parther ist früher erzählt worden
(S. 133); er hatte die vertragsmäſsige Euphratgrenze nicht re-
spectirt und zu Gunsten Armeniens, das jetzt römischer Clientel-
staat war, mehrere Landschaften vom parthischen Reich abge-
rissen. König Phraates hatte sich das gefallen lassen; nachdem
er aber von seinen beiden Söhnen Mithradates und Orodes er-
mordet worden war, erklärte der neue König Mithradates dem
König von Armenien, des kürzlich verstorbenen Tigranes Sohn
Artavasdes, sofort den Krieg (um 698 *). Es war dies zugleich
eine Kriegserklärung gegen Rom; so wie daher der Aufstand der
Juden unterdrückt war, führte der tüchtige und muthige Statt-
halter Syriens Gabinius die Legionen über den Euphrat. Im Par-
therreich war indeſs inzwischen eine Umwälzung eingetreten: die
Groſsen des Reiches, an ihrer Spitze der junge kühne und talent-
volle Fürst Surenas, hatten den König Mithradates gestürzt und
dessen Bruder Orodes auf den Thron gesetzt. Mithradates machte
deſshalb gemeinschaftliche Sache mit den Römern und begab
sich in Gabinius Lager. Alles versprach dem Unternehmen des
römischen Statthalters den besten Erfolg, als er unvermuthet
Befehl bekam, den König von Aegypten mit Waffengewalt nach
Alexandreia zurückzuführen (S. 147). Er muſste gehorchen;
aber in der Erwartung bald wieder zurück zu sein veranlaſste er
den bei ihm Hülfe bittenden König inzwischen auf eigene Faust
den Krieg zu eröffnen. Mithradates that es und besetzte auch
Seleukeia und Babylon; aber Seleukeia nahm Surenas, er der
Feldherr persönlich der erste auf der Zinne, mit stürmender
Hand ein und in Babylon muſste Mithradates selbst, durch Hun-
ger bezwungen, sich ergeben, worauf er auf Befehl des Bruders
hingerichtet ward. Sein Tod war ein fühlbarer Verlust für die
Römer; aber die Gährung im parthischen Reich war damit kei-
neswegs zu Ende; auch der armenische Krieg währte noch fort
und verhinderte ernstliche Rüstungen gegen Rom. Eben war
Gabinius im Begriff nach Beendigung des ägyptischen Feldzugs
* Tigranes lebte noch im Febr. 698 (Cie. pro Sest. 27, 59); dagegen
herrschte Artavasdes schon vor 700 (Justin 42, 2, 4; Plut. Crass. 49).
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/322>, abgerufen am 21.11.2024.
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