Sinne trug, den er freilich weder auf seine Gegner noch auf seine Anhänger zu übertragen vermochte. Die praktische Politik ward nicht unbedingter von den Machthabern beherrscht als die Lit- teratur von den Republikanern.
So standen die Dinge in der Hauptstadt. Die Herrscher ent- schlossen sich gegen die zwar machtlose, aber immer noch lä- stige und dreiste Opposition nachdrücklich einzuschreiten. Den Ausschlag gab, wie es scheint, die Verurtheilung des Gabinius (Ende 700). Man kam überein eine wenn auch nur zeitweilige Dictatur eintreten zu lassen und mittelst dieser neue Zwangs- massregeln namentlich hinsichtlich der Wahlen und der Ge- schwornengerichte durchzusetzen. Als derjenige der Herrscher, dem zunächst die Regierung Roms und Italiens oblag, übernahm Pompeius die Ausführung dieses Beschlusses; sie trug denn auch den Stempel der ihm eigenen Schwerfälligkeit im Entschliessen und im Handeln und seiner wunderlichen Unfähigkeit selbst da, wo er befehlen wollte und konnte, mit der Sprache herauszu- gehen. Die Forderung ihn mit der Dictatur zu bekleiden ward, wenn auch nur in Andeutungen und nicht durch Pompeius selbst, bereits Ausgang 700 im Senat vorgebracht; allein be- greiflicher Weise scheute selbst die servile Majorität davor zu- rück das zu bewilligen, was der künftige Dictator selbst sich zu scheuen schien offen zu begehren. Als ostensibler Grund diente die fortwährende Clubs- und Bandenwirthschaft in der Haupt- stadt, die durch Bestechungen und Gewaltthätigkeiten allerdings auf die Wahlen wie auf die Geschwornengerichte den verderb- lichsten Einfluss ausübte und den Krawall daselbst in Permanenz hielt; man muss es zugeben, dass sie es den Machthabern leicht machte ihre Exceptionalmassregeln zu rechtfertigen. Die Agita- tion für die Wahlen von 701, die weit in dieses Jahr sich hin- einzogen und erst im Juli 701 nach fast siebenmonatlichem In- terregnum stattfanden, hatte bereits die ärgerlichsten Auftritte herbeigeführt und Pompeius erwünschten Anlass gegeben dem Senat als das einzige Mittel den Knoten wo nicht zu lösen doch zu zerhauen immer bestimmter die Dictatur zu bezeichnen. Allein das entscheidende Befehlswort hatte er immer noch nicht ge- sprochen, und vielleicht wäre es noch lange ungesprochen geblie- ben, wenn nicht bei den Consularwahlen für 702 gegen die Can- didaten der Machthaber Quintus Metellus Scipio und Publius Plautius Hypsacus, beide dem Pompeius persönlich nahe ste- hende und durchaus ergebene Männer, der verwegenste Partei- gänger der republikanischen Opposition Titus Annius Milo als
Röm. Gesch. III. 20
POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT.
Sinne trug, den er freilich weder auf seine Gegner noch auf seine Anhänger zu übertragen vermochte. Die praktische Politik ward nicht unbedingter von den Machthabern beherrscht als die Lit- teratur von den Republikanern.
So standen die Dinge in der Hauptstadt. Die Herrscher ent- schlossen sich gegen die zwar machtlose, aber immer noch lä- stige und dreiste Opposition nachdrücklich einzuschreiten. Den Ausschlag gab, wie es scheint, die Verurtheilung des Gabinius (Ende 700). Man kam überein eine wenn auch nur zeitweilige Dictatur eintreten zu lassen und mittelst dieser neue Zwangs- maſsregeln namentlich hinsichtlich der Wahlen und der Ge- schwornengerichte durchzusetzen. Als derjenige der Herrscher, dem zunächst die Regierung Roms und Italiens oblag, übernahm Pompeius die Ausführung dieses Beschlusses; sie trug denn auch den Stempel der ihm eigenen Schwerfälligkeit im Entschlieſsen und im Handeln und seiner wunderlichen Unfähigkeit selbst da, wo er befehlen wollte und konnte, mit der Sprache herauszu- gehen. Die Forderung ihn mit der Dictatur zu bekleiden ward, wenn auch nur in Andeutungen und nicht durch Pompeius selbst, bereits Ausgang 700 im Senat vorgebracht; allein be- greiflicher Weise scheute selbst die servile Majorität davor zu- rück das zu bewilligen, was der künftige Dictator selbst sich zu scheuen schien offen zu begehren. Als ostensibler Grund diente die fortwährende Clubs- und Bandenwirthschaft in der Haupt- stadt, die durch Bestechungen und Gewaltthätigkeiten allerdings auf die Wahlen wie auf die Geschwornengerichte den verderb- lichsten Einfluſs ausübte und den Krawall daselbst in Permanenz hielt; man muſs es zugeben, daſs sie es den Machthabern leicht machte ihre Exceptionalmaſsregeln zu rechtfertigen. Die Agita- tion für die Wahlen von 701, die weit in dieses Jahr sich hin- einzogen und erst im Juli 701 nach fast siebenmonatlichem In- terregnum stattfanden, hatte bereits die ärgerlichsten Auftritte herbeigeführt und Pompeius erwünschten Anlaſs gegeben dem Senat als das einzige Mittel den Knoten wo nicht zu lösen doch zu zerhauen immer bestimmter die Dictatur zu bezeichnen. Allein das entscheidende Befehlswort hatte er immer noch nicht ge- sprochen, und vielleicht wäre es noch lange ungesprochen geblie- ben, wenn nicht bei den Consularwahlen für 702 gegen die Can- didaten der Machthaber Quintus Metellus Scipio und Publius Plautius Hypsacus, beide dem Pompeius persönlich nahe ste- hende und durchaus ergebene Männer, der verwegenste Partei- gänger der republikanischen Opposition Titus Annius Milo als
Röm. Gesch. III. 20
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POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT.
Sinne trug, den er freilich weder auf seine Gegner noch auf seine
Anhänger zu übertragen vermochte. Die praktische Politik ward
nicht unbedingter von den Machthabern beherrscht als die Lit-
teratur von den Republikanern.
So standen die Dinge in der Hauptstadt. Die Herrscher ent-
schlossen sich gegen die zwar machtlose, aber immer noch lä-
stige und dreiste Opposition nachdrücklich einzuschreiten. Den
Ausschlag gab, wie es scheint, die Verurtheilung des Gabinius
(Ende 700). Man kam überein eine wenn auch nur zeitweilige
Dictatur eintreten zu lassen und mittelst dieser neue Zwangs-
maſsregeln namentlich hinsichtlich der Wahlen und der Ge-
schwornengerichte durchzusetzen. Als derjenige der Herrscher,
dem zunächst die Regierung Roms und Italiens oblag, übernahm
Pompeius die Ausführung dieses Beschlusses; sie trug denn auch
den Stempel der ihm eigenen Schwerfälligkeit im Entschlieſsen
und im Handeln und seiner wunderlichen Unfähigkeit selbst da,
wo er befehlen wollte und konnte, mit der Sprache herauszu-
gehen. Die Forderung ihn mit der Dictatur zu bekleiden ward,
wenn auch nur in Andeutungen und nicht durch Pompeius
selbst, bereits Ausgang 700 im Senat vorgebracht; allein be-
greiflicher Weise scheute selbst die servile Majorität davor zu-
rück das zu bewilligen, was der künftige Dictator selbst sich zu
scheuen schien offen zu begehren. Als ostensibler Grund diente
die fortwährende Clubs- und Bandenwirthschaft in der Haupt-
stadt, die durch Bestechungen und Gewaltthätigkeiten allerdings
auf die Wahlen wie auf die Geschwornengerichte den verderb-
lichsten Einfluſs ausübte und den Krawall daselbst in Permanenz
hielt; man muſs es zugeben, daſs sie es den Machthabern leicht
machte ihre Exceptionalmaſsregeln zu rechtfertigen. Die Agita-
tion für die Wahlen von 701, die weit in dieses Jahr sich hin-
einzogen und erst im Juli 701 nach fast siebenmonatlichem In-
terregnum stattfanden, hatte bereits die ärgerlichsten Auftritte
herbeigeführt und Pompeius erwünschten Anlaſs gegeben dem
Senat als das einzige Mittel den Knoten wo nicht zu lösen doch
zu zerhauen immer bestimmter die Dictatur zu bezeichnen. Allein
das entscheidende Befehlswort hatte er immer noch nicht ge-
sprochen, und vielleicht wäre es noch lange ungesprochen geblie-
ben, wenn nicht bei den Consularwahlen für 702 gegen die Can-
didaten der Machthaber Quintus Metellus Scipio und Publius
Plautius Hypsacus, beide dem Pompeius persönlich nahe ste-
hende und durchaus ergebene Männer, der verwegenste Partei-
gänger der republikanischen Opposition Titus Annius Milo als
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/315>, abgerufen am 24.11.2024.
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