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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL VIII.
sches Heer nach Aegypten zu senden; worauf der fromme Senat
fast einstimmig beschloss von der bewaffneten Intervention abzu-
stehen. Pompeius war bereits so gedemüthigt, dass er auch ohne
Heer die Sendung angenommen haben würde; allein in seiner
unverbesserlichen Hinterhaltigkeit liess er auch dies nur durch
seine Freunde erklären und sprach und stimmte für die Absen-
dung eines anderen Senators. Natürlich wies der Senat jenen
Vorschlag zurück, der ein dem Vaterlande so kostbares Leben
freventlich preisgab, und das schliessliche Ergebniss der endlosen
Verhandlung war der Beschluss überhaupt in Aegypten nicht zu
interveniren (Jan. 698). Diese wiederholten Zurückweisungen,
die Pompeius im Senat erhielt und, was schlimmer war, hinge-
hen lassen musste ohne sie wett zu machen, galten natürlich,
mochten sie kommen von welcher Seite sie wollten, dem grossen
Publicum als ebenso viele Siege der Opposition und Niederlagen
der Machthaber überhaupt; die Fluth der Opposition war dem-
gemäss im stetigen Steigen. Schon die Wahlen für 698 waren
nur zum Theil im Sinne der Dynasten ausgefallen: Caesars Can-
didaten für die Praetur Publius Vatinius und Gaius Alfius waren
durchgefallen, dagegen zwei entschiedene Anhänger der gestürzten
Regierung Gnaeus Lentulus Marcellinus und Gnaeus Domitius
Calvinus jener zum Consul, dieser zum Prätor gewählt worden.
Für 699 aber war gar als Bewerber um das Consulat Lucius Do-
mitius Ahenobarbus aufgetreten, dessen Wahl bei seinem Einfluss
in der Hauptstadt und seinem kolossalen Vermögen schwer zu ver-
hindern und von dem es hinreichend bekannt war, dass er sich
nicht an verdeckter Opposition werde genügen lassen. Die Comi-
tien also rebellirten; bald stimmte der Senat ein. Es ward feierlich
in ihm deliberirt über ein Gutachten, das etruskische Wahrsager
von anerkannter Weisheit über gewisse Zeichen und Wunder auf
Verlangen des Senats abgegeben hatten. Die himmlische Offen-
barung verkündigte, dass durch den Zwist der höheren Stände
die ganze Gewalt über Heer und Schatz auf einen Gebieter über-
zugehen und der Staat in Unfreiheit zu gerathen in Gefahr sei --
es schien, dass die Götter zunächst auf den Antrag des Gaius
Messius zielten. Bald erklärte man sich deutlicher. Das Gesetz
über das Gebiet von Capua und die übrigen von Caesar als Con-
sul erlassenen Gesetze waren von der Opposition stets als nich-
tig bezeichnet und schon im Dec. 697 war im Senat geäussert
worden, dass es erforderlich sei sie wegen ihrer Formfehler zu
cassiren. Am 5. April 698 stellte der Consular Cicero in vollem
Senat den Antrag die Berathung über die campanische Acker-

FÜNFTES BUCH. KAPITEL VIII.
sches Heer nach Aegypten zu senden; worauf der fromme Senat
fast einstimmig beschloſs von der bewaffneten Intervention abzu-
stehen. Pompeius war bereits so gedemüthigt, daſs er auch ohne
Heer die Sendung angenommen haben würde; allein in seiner
unverbesserlichen Hinterhaltigkeit lieſs er auch dies nur durch
seine Freunde erklären und sprach und stimmte für die Absen-
dung eines anderen Senators. Natürlich wies der Senat jenen
Vorschlag zurück, der ein dem Vaterlande so kostbares Leben
freventlich preisgab, und das schlieſsliche Ergebniſs der endlosen
Verhandlung war der Beschluſs überhaupt in Aegypten nicht zu
interveniren (Jan. 698). Diese wiederholten Zurückweisungen,
die Pompeius im Senat erhielt und, was schlimmer war, hinge-
hen lassen muſste ohne sie wett zu machen, galten natürlich,
mochten sie kommen von welcher Seite sie wollten, dem groſsen
Publicum als ebenso viele Siege der Opposition und Niederlagen
der Machthaber überhaupt; die Fluth der Opposition war dem-
gemäſs im stetigen Steigen. Schon die Wahlen für 698 waren
nur zum Theil im Sinne der Dynasten ausgefallen: Caesars Can-
didaten für die Praetur Publius Vatinius und Gaius Alfius waren
durchgefallen, dagegen zwei entschiedene Anhänger der gestürzten
Regierung Gnaeus Lentulus Marcellinus und Gnaeus Domitius
Calvinus jener zum Consul, dieser zum Prätor gewählt worden.
Für 699 aber war gar als Bewerber um das Consulat Lucius Do-
mitius Ahenobarbus aufgetreten, dessen Wahl bei seinem Einfluſs
in der Hauptstadt und seinem kolossalen Vermögen schwer zu ver-
hindern und von dem es hinreichend bekannt war, daſs er sich
nicht an verdeckter Opposition werde genügen lassen. Die Comi-
tien also rebellirten; bald stimmte der Senat ein. Es ward feierlich
in ihm deliberirt über ein Gutachten, das etruskische Wahrsager
von anerkannter Weisheit über gewisse Zeichen und Wunder auf
Verlangen des Senats abgegeben hatten. Die himmlische Offen-
barung verkündigte, daſs durch den Zwist der höheren Stände
die ganze Gewalt über Heer und Schatz auf einen Gebieter über-
zugehen und der Staat in Unfreiheit zu gerathen in Gefahr sei —
es schien, daſs die Götter zunächst auf den Antrag des Gaius
Messius zielten. Bald erklärte man sich deutlicher. Das Gesetz
über das Gebiet von Capua und die übrigen von Caesar als Con-
sul erlassenen Gesetze waren von der Opposition stets als nich-
tig bezeichnet und schon im Dec. 697 war im Senat geäuſsert
worden, daſs es erforderlich sei sie wegen ihrer Formfehler zu
cassiren. Am 5. April 698 stellte der Consular Cicero in vollem
Senat den Antrag die Berathung über die campanische Acker-

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[290/0300] FÜNFTES BUCH. KAPITEL VIII. sches Heer nach Aegypten zu senden; worauf der fromme Senat fast einstimmig beschloſs von der bewaffneten Intervention abzu- stehen. Pompeius war bereits so gedemüthigt, daſs er auch ohne Heer die Sendung angenommen haben würde; allein in seiner unverbesserlichen Hinterhaltigkeit lieſs er auch dies nur durch seine Freunde erklären und sprach und stimmte für die Absen- dung eines anderen Senators. Natürlich wies der Senat jenen Vorschlag zurück, der ein dem Vaterlande so kostbares Leben freventlich preisgab, und das schlieſsliche Ergebniſs der endlosen Verhandlung war der Beschluſs überhaupt in Aegypten nicht zu interveniren (Jan. 698). Diese wiederholten Zurückweisungen, die Pompeius im Senat erhielt und, was schlimmer war, hinge- hen lassen muſste ohne sie wett zu machen, galten natürlich, mochten sie kommen von welcher Seite sie wollten, dem groſsen Publicum als ebenso viele Siege der Opposition und Niederlagen der Machthaber überhaupt; die Fluth der Opposition war dem- gemäſs im stetigen Steigen. Schon die Wahlen für 698 waren nur zum Theil im Sinne der Dynasten ausgefallen: Caesars Can- didaten für die Praetur Publius Vatinius und Gaius Alfius waren durchgefallen, dagegen zwei entschiedene Anhänger der gestürzten Regierung Gnaeus Lentulus Marcellinus und Gnaeus Domitius Calvinus jener zum Consul, dieser zum Prätor gewählt worden. Für 699 aber war gar als Bewerber um das Consulat Lucius Do- mitius Ahenobarbus aufgetreten, dessen Wahl bei seinem Einfluſs in der Hauptstadt und seinem kolossalen Vermögen schwer zu ver- hindern und von dem es hinreichend bekannt war, daſs er sich nicht an verdeckter Opposition werde genügen lassen. Die Comi- tien also rebellirten; bald stimmte der Senat ein. Es ward feierlich in ihm deliberirt über ein Gutachten, das etruskische Wahrsager von anerkannter Weisheit über gewisse Zeichen und Wunder auf Verlangen des Senats abgegeben hatten. Die himmlische Offen- barung verkündigte, daſs durch den Zwist der höheren Stände die ganze Gewalt über Heer und Schatz auf einen Gebieter über- zugehen und der Staat in Unfreiheit zu gerathen in Gefahr sei — es schien, daſs die Götter zunächst auf den Antrag des Gaius Messius zielten. Bald erklärte man sich deutlicher. Das Gesetz über das Gebiet von Capua und die übrigen von Caesar als Con- sul erlassenen Gesetze waren von der Opposition stets als nich- tig bezeichnet und schon im Dec. 697 war im Senat geäuſsert worden, daſs es erforderlich sei sie wegen ihrer Formfehler zu cassiren. Am 5. April 698 stellte der Consular Cicero in vollem Senat den Antrag die Berathung über die campanische Acker-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/300>, abgerufen am 15.05.2024.