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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT.
der in der Verbannung gelernten Fügsamkeit geben sollte und
gab. Allein bei der Feststellung der Modalitäten wurden doch von
dem ursprünglichen Plane, den der Volkstribun Gaius Messius
vorlegte, sehr wesentliche Stücke abgedungen. Pompeius erhielt
weder freie Disposition über das Aerar noch eigene Legionen
und Schiffe noch auch eine der der Statthalter übergeordnete
Gewalt, sondern man begnügte sich ihm zum Behuf der Ordnung
des hauptstädtischen Verpflegungswesens ansehnliche Summen,
funfzehn Adjutanten und eine der statthalterischen gleichkommende
Gewalt im ganzen römischen Gebiet auf die nächsten fünf Jahre
zu decretiren und dies Decret von der Bürgerschaft ratificiren zu
lassen. Dass diese Abänderungen von der eigentlichen Opposition
gebilligt wurden, versteht sich, aber sie gingen nicht von ihr aus.
Wenn Pompeius in den Hindernissen, auf die er stiess, die Hand
seines Erbfeindes und widerwilligen Bundesgenossen Crassus zu
erkennen meinte, wird er sich nicht getäuscht haben; allein Cras-
sus war nicht mächtig genug um Pompeius die Majorität zu ent-
winden. Die Hauptursache der Niederlage, die Pompeius hier im
Senat erlitt, war ohne Zweifel die Rücksicht auf Caesar, dem in
Gallien selbst seinen Collegen nicht bloss neben- sondern über-
zuordnen eben die Furchtsamsten am meisten Bedenken tragen
mussten. Dazu kam die eigene Unfähigkeit des Pompeius, der
selbst da, wo er hatte handeln müssen, es nicht über sich ge-
winnen konnte zum Handeln sich zu bekennen, sondern wie im-
mer seine wahre Absicht gleichsam im Incognito durch seine
Freunde vorführen liess, selber aber in bekannter Bescheidenheit
erklärte auch mit Geringerem sich begnügen zu wollen. Es ver-
steht sich, dass man ihn beim Worte nahm und ihm das Gerin-
gere gab. Pompeius war froh wenigstens eine reelle Thätigkeit und
vor allen Dingen einen schicklichen Vorwand gefunden zu haben
um die Hauptstadt zu verlassen; es gelang ihm auch dieselbe,
freilich nicht ohne dass die Provinzen den Rückschlag schwer
empfanden, mit reichlicher und billiger Zufuhr zu versehen.
Aber seinen eigentlichen Zweck hatte er verfehlt. Der Proconsu-
lartitel, den er berechtigt war in allen Provinzen zu führen, blieb
ein leerer Name, so lange er nicht über eigene Truppen verfügte.
Darum griff er die Sache abermals von einer andern Seite an und
liess den Antrag stellen, dass der Senat ihm den Auftrag erthei-
len möge den vertriebenen König von Aegypten in seine Heimath,
wenn nöthig mit Waffengewalt, zurückzuführen. Diesmal verfuhr
die Opposition bereits weniger rücksichtsvoll. Zunächst ward in
den sibyllinischen Orakeln entdeckt, dass es gottlos sei ein römi-

Röm. Gesch. III. 19

POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT.
der in der Verbannung gelernten Fügsamkeit geben sollte und
gab. Allein bei der Feststellung der Modalitäten wurden doch von
dem ursprünglichen Plane, den der Volkstribun Gaius Messius
vorlegte, sehr wesentliche Stücke abgedungen. Pompeius erhielt
weder freie Disposition über das Aerar noch eigene Legionen
und Schiffe noch auch eine der der Statthalter übergeordnete
Gewalt, sondern man begnügte sich ihm zum Behuf der Ordnung
des hauptstädtischen Verpflegungswesens ansehnliche Summen,
funfzehn Adjutanten und eine der statthalterischen gleichkommende
Gewalt im ganzen römischen Gebiet auf die nächsten fünf Jahre
zu decretiren und dies Decret von der Bürgerschaft ratificiren zu
lassen. Daſs diese Abänderungen von der eigentlichen Opposition
gebilligt wurden, versteht sich, aber sie gingen nicht von ihr aus.
Wenn Pompeius in den Hindernissen, auf die er stieſs, die Hand
seines Erbfeindes und widerwilligen Bundesgenossen Crassus zu
erkennen meinte, wird er sich nicht getäuscht haben; allein Cras-
sus war nicht mächtig genug um Pompeius die Majorität zu ent-
winden. Die Hauptursache der Niederlage, die Pompeius hier im
Senat erlitt, war ohne Zweifel die Rücksicht auf Caesar, dem in
Gallien selbst seinen Collegen nicht bloſs neben- sondern über-
zuordnen eben die Furchtsamsten am meisten Bedenken tragen
muſsten. Dazu kam die eigene Unfähigkeit des Pompeius, der
selbst da, wo er hatte handeln müssen, es nicht über sich ge-
winnen konnte zum Handeln sich zu bekennen, sondern wie im-
mer seine wahre Absicht gleichsam im Incognito durch seine
Freunde vorführen lieſs, selber aber in bekannter Bescheidenheit
erklärte auch mit Geringerem sich begnügen zu wollen. Es ver-
steht sich, daſs man ihn beim Worte nahm und ihm das Gerin-
gere gab. Pompeius war froh wenigstens eine reelle Thätigkeit und
vor allen Dingen einen schicklichen Vorwand gefunden zu haben
um die Hauptstadt zu verlassen; es gelang ihm auch dieselbe,
freilich nicht ohne daſs die Provinzen den Rückschlag schwer
empfanden, mit reichlicher und billiger Zufuhr zu versehen.
Aber seinen eigentlichen Zweck hatte er verfehlt. Der Proconsu-
lartitel, den er berechtigt war in allen Provinzen zu führen, blieb
ein leerer Name, so lange er nicht über eigene Truppen verfügte.
Darum griff er die Sache abermals von einer andern Seite an und
lieſs den Antrag stellen, daſs der Senat ihm den Auftrag erthei-
len möge den vertriebenen König von Aegypten in seine Heimath,
wenn nöthig mit Waffengewalt, zurückzuführen. Diesmal verfuhr
die Opposition bereits weniger rücksichtsvoll. Zunächst ward in
den sibyllinischen Orakeln entdeckt, daſs es gottlos sei ein römi-

Röm. Gesch. III. 19
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[289/0299] POMPEIUS UND CAESARS GESAMMTHERRSCHAFT. der in der Verbannung gelernten Fügsamkeit geben sollte und gab. Allein bei der Feststellung der Modalitäten wurden doch von dem ursprünglichen Plane, den der Volkstribun Gaius Messius vorlegte, sehr wesentliche Stücke abgedungen. Pompeius erhielt weder freie Disposition über das Aerar noch eigene Legionen und Schiffe noch auch eine der der Statthalter übergeordnete Gewalt, sondern man begnügte sich ihm zum Behuf der Ordnung des hauptstädtischen Verpflegungswesens ansehnliche Summen, funfzehn Adjutanten und eine der statthalterischen gleichkommende Gewalt im ganzen römischen Gebiet auf die nächsten fünf Jahre zu decretiren und dies Decret von der Bürgerschaft ratificiren zu lassen. Daſs diese Abänderungen von der eigentlichen Opposition gebilligt wurden, versteht sich, aber sie gingen nicht von ihr aus. Wenn Pompeius in den Hindernissen, auf die er stieſs, die Hand seines Erbfeindes und widerwilligen Bundesgenossen Crassus zu erkennen meinte, wird er sich nicht getäuscht haben; allein Cras- sus war nicht mächtig genug um Pompeius die Majorität zu ent- winden. Die Hauptursache der Niederlage, die Pompeius hier im Senat erlitt, war ohne Zweifel die Rücksicht auf Caesar, dem in Gallien selbst seinen Collegen nicht bloſs neben- sondern über- zuordnen eben die Furchtsamsten am meisten Bedenken tragen muſsten. Dazu kam die eigene Unfähigkeit des Pompeius, der selbst da, wo er hatte handeln müssen, es nicht über sich ge- winnen konnte zum Handeln sich zu bekennen, sondern wie im- mer seine wahre Absicht gleichsam im Incognito durch seine Freunde vorführen lieſs, selber aber in bekannter Bescheidenheit erklärte auch mit Geringerem sich begnügen zu wollen. Es ver- steht sich, daſs man ihn beim Worte nahm und ihm das Gerin- gere gab. Pompeius war froh wenigstens eine reelle Thätigkeit und vor allen Dingen einen schicklichen Vorwand gefunden zu haben um die Hauptstadt zu verlassen; es gelang ihm auch dieselbe, freilich nicht ohne daſs die Provinzen den Rückschlag schwer empfanden, mit reichlicher und billiger Zufuhr zu versehen. Aber seinen eigentlichen Zweck hatte er verfehlt. Der Proconsu- lartitel, den er berechtigt war in allen Provinzen zu führen, blieb ein leerer Name, so lange er nicht über eigene Truppen verfügte. Darum griff er die Sache abermals von einer andern Seite an und lieſs den Antrag stellen, daſs der Senat ihm den Auftrag erthei- len möge den vertriebenen König von Aegypten in seine Heimath, wenn nöthig mit Waffengewalt, zurückzuführen. Diesmal verfuhr die Opposition bereits weniger rücksichtsvoll. Zunächst ward in den sibyllinischen Orakeln entdeckt, daſs es gottlos sei ein römi- Röm. Gesch. III. 19

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/299>, abgerufen am 15.05.2024.