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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL I.
abzulösen. Aber es gelang doch nicht des Aufstandes Herr zu
werden. In der Ebroprovinz wurde von Sertorius Unterfeldherrn,
dem Quaestor Lucius Hirtuleius nicht bloss Calvinus Heer ver-
nichtet und er selbst getödtet, sondern auch Lucius Mallius, der
Statthalter des jenseitigen Galliens, der seinem Collegen zu Hülfe
mit drei Legionen die Pyrenäen überschritten, von demselben
tapfern Führer vollständig geschlagen. Mühsam rettete Mallius
sich mit weniger Mannschaft nach Ilerda (Lerida) und von da
in seine Provinz, auf welchem Marsch er noch durch einen Ueber-
fall der aquitanischen Völkerschaften sein ganzes Gepäck ein-
büsste. Im jenseitigen Spanien drang zwar Metellus in das lusi-
tanische Gebiet ein; allein es gelang Sertorius während der Be-
lagerung von Longohriga (unweit der Tajomündung) eine Ab-
theilung unter Aquinus in einen Hinterhalt zu locken und dadurch
Metellus selbst zur Aufhebung der Belagerung und zur Räumung
des lusitanischen Gebietes zu zwingen. Sertorius folgte ihm,
schlug am Anas (Guadiana) das Corps des Thorius und that dem
feindlichen Oberfeldherrn selbst unsäglichen Abbruch im klei-
nen Kriege. Metellus, ein methodischer und etwas schwerfälliger
Taktiker, war in Verzweiflung über diesen Gegner, der die Ent-
scheidungsschlacht beharrlich verweigerte, aber Zufuhr und Com-
municationen ihm abschnitt und beständig ihn von allen Seiten
umschwärmte. -- Diese ungemeinen Erfolge, die Sertorius in
beiden spanischen Provinzen erfocht, waren um so bedeutsamer,
als sie nicht bloss durch die Waffen errungen wurden und nicht
bloss militärischer Natur waren. Die Emigrirten als solche wa-
ren nicht furchtbar; auch an einzelnen Erfolgen der Lusitaner
unter diesem oder jenem fremden Führer war wenig gelegen.
Aber mit dem sichersten politischen und patriotischen Tact trat
Sertorius, sowie er irgend es vermochte, statt als Condottier der
gegen Rom empörten Lusitaner auf als römischer Feldherr und
Statthalter von Spanien*. Er fing an aus den Häuptern der Emi-
gration einen Senat zu bilden, der bis auf dreihundert Mitglieder
steigen und in römischen Formen die Geschäfte leiten und die
Beamten ernennen sollte. Er betrachtete sein Heer als ein römi-
sches und besetzte die Offizierstellen ohne Ausnahme mit Römern.
Den Spaniern gegenüber war er der Statthalter, der kraft seines
Amtes Mannschaft und sonstige Unterstützung von ihnen ein-

* Wenigstens die Grundzüge dieser Organisationen müssen in die Jahre
674. 675. 676 fallen, wenn gleich die Ausführung ohne Zweifel zum guten
Theil erst den späteren Jahren angehört.

FÜNFTES BUCH. KAPITEL I.
abzulösen. Aber es gelang doch nicht des Aufstandes Herr zu
werden. In der Ebroprovinz wurde von Sertorius Unterfeldherrn,
dem Quaestor Lucius Hirtuleius nicht bloſs Calvinus Heer ver-
nichtet und er selbst getödtet, sondern auch Lucius Mallius, der
Statthalter des jenseitigen Galliens, der seinem Collegen zu Hülfe
mit drei Legionen die Pyrenäen überschritten, von demselben
tapfern Führer vollständig geschlagen. Mühsam rettete Mallius
sich mit weniger Mannschaft nach Ilerda (Lerida) und von da
in seine Provinz, auf welchem Marsch er noch durch einen Ueber-
fall der aquitanischen Völkerschaften sein ganzes Gepäck ein-
büſste. Im jenseitigen Spanien drang zwar Metellus in das lusi-
tanische Gebiet ein; allein es gelang Sertorius während der Be-
lagerung von Longohriga (unweit der Tajomündung) eine Ab-
theilung unter Aquinus in einen Hinterhalt zu locken und dadurch
Metellus selbst zur Aufhebung der Belagerung und zur Räumung
des lusitanischen Gebietes zu zwingen. Sertorius folgte ihm,
schlug am Anas (Guadiana) das Corps des Thorius und that dem
feindlichen Oberfeldherrn selbst unsäglichen Abbruch im klei-
nen Kriege. Metellus, ein methodischer und etwas schwerfälliger
Taktiker, war in Verzweiflung über diesen Gegner, der die Ent-
scheidungsschlacht beharrlich verweigerte, aber Zufuhr und Com-
municationen ihm abschnitt und beständig ihn von allen Seiten
umschwärmte. — Diese ungemeinen Erfolge, die Sertorius in
beiden spanischen Provinzen erfocht, waren um so bedeutsamer,
als sie nicht bloſs durch die Waffen errungen wurden und nicht
bloſs militärischer Natur waren. Die Emigrirten als solche wa-
ren nicht furchtbar; auch an einzelnen Erfolgen der Lusitaner
unter diesem oder jenem fremden Führer war wenig gelegen.
Aber mit dem sichersten politischen und patriotischen Tact trat
Sertorius, sowie er irgend es vermochte, statt als Condottier der
gegen Rom empörten Lusitaner auf als römischer Feldherr und
Statthalter von Spanien*. Er fing an aus den Häuptern der Emi-
gration einen Senat zu bilden, der bis auf dreihundert Mitglieder
steigen und in römischen Formen die Geschäfte leiten und die
Beamten ernennen sollte. Er betrachtete sein Heer als ein römi-
sches und besetzte die Offizierstellen ohne Ausnahme mit Römern.
Den Spaniern gegenüber war er der Statthalter, der kraft seines
Amtes Mannschaft und sonstige Unterstützung von ihnen ein-

* Wenigstens die Grundzüge dieser Organisationen müssen in die Jahre
674. 675. 676 fallen, wenn gleich die Ausführung ohne Zweifel zum guten
Theil erst den späteren Jahren angehört.
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[18/0028] FÜNFTES BUCH. KAPITEL I. abzulösen. Aber es gelang doch nicht des Aufstandes Herr zu werden. In der Ebroprovinz wurde von Sertorius Unterfeldherrn, dem Quaestor Lucius Hirtuleius nicht bloſs Calvinus Heer ver- nichtet und er selbst getödtet, sondern auch Lucius Mallius, der Statthalter des jenseitigen Galliens, der seinem Collegen zu Hülfe mit drei Legionen die Pyrenäen überschritten, von demselben tapfern Führer vollständig geschlagen. Mühsam rettete Mallius sich mit weniger Mannschaft nach Ilerda (Lerida) und von da in seine Provinz, auf welchem Marsch er noch durch einen Ueber- fall der aquitanischen Völkerschaften sein ganzes Gepäck ein- büſste. Im jenseitigen Spanien drang zwar Metellus in das lusi- tanische Gebiet ein; allein es gelang Sertorius während der Be- lagerung von Longohriga (unweit der Tajomündung) eine Ab- theilung unter Aquinus in einen Hinterhalt zu locken und dadurch Metellus selbst zur Aufhebung der Belagerung und zur Räumung des lusitanischen Gebietes zu zwingen. Sertorius folgte ihm, schlug am Anas (Guadiana) das Corps des Thorius und that dem feindlichen Oberfeldherrn selbst unsäglichen Abbruch im klei- nen Kriege. Metellus, ein methodischer und etwas schwerfälliger Taktiker, war in Verzweiflung über diesen Gegner, der die Ent- scheidungsschlacht beharrlich verweigerte, aber Zufuhr und Com- municationen ihm abschnitt und beständig ihn von allen Seiten umschwärmte. — Diese ungemeinen Erfolge, die Sertorius in beiden spanischen Provinzen erfocht, waren um so bedeutsamer, als sie nicht bloſs durch die Waffen errungen wurden und nicht bloſs militärischer Natur waren. Die Emigrirten als solche wa- ren nicht furchtbar; auch an einzelnen Erfolgen der Lusitaner unter diesem oder jenem fremden Führer war wenig gelegen. Aber mit dem sichersten politischen und patriotischen Tact trat Sertorius, sowie er irgend es vermochte, statt als Condottier der gegen Rom empörten Lusitaner auf als römischer Feldherr und Statthalter von Spanien *. Er fing an aus den Häuptern der Emi- gration einen Senat zu bilden, der bis auf dreihundert Mitglieder steigen und in römischen Formen die Geschäfte leiten und die Beamten ernennen sollte. Er betrachtete sein Heer als ein römi- sches und besetzte die Offizierstellen ohne Ausnahme mit Römern. Den Spaniern gegenüber war er der Statthalter, der kraft seines Amtes Mannschaft und sonstige Unterstützung von ihnen ein- * Wenigstens die Grundzüge dieser Organisationen müssen in die Jahre 674. 675. 676 fallen, wenn gleich die Ausführung ohne Zweifel zum guten Theil erst den späteren Jahren angehört.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/28>, abgerufen am 27.11.2024.