treuesten Gefolgmänner zu verbrennen bestand zu Caesars Zeit nicht mehr; aber doch dauerten die Menschenopfer noch fort und der Rechtssatz, dass die Folterung des freien Mannes unzu- lässig, aber die der freien Frau erlaubt sei so gut wie die Folte- rung des Sclaven, wirft ein unerfreuliches Licht auf die Stellung, die das weibliche Geschlecht bei den Kelten auch noch in ihrer Culturzeit einnahm. Die Vorzüge, die der primitiven Epoche der Nationen eigen sind, hatten die Kelten eingebüsst, aber diejenigen nicht erworben, die die Gesittung dann mit sich bringt, wenn sie ein Volk innerlich und völlig durchdringt.
Also war die keltische Nation in ihren inneren Zuständen beschaffen. Es bleibt noch übrig ihre äusseren Beziehungen zu den Nachbaren darzustellen und zu schildern, welche Rolle sie in diesem Augenblick einnahm in dem gewaltigen Wettlauf und Ringkampf der Nationen, in dem das Behaupten sich überall noch schwieriger erweist als das Erringen. An den Pyrenäen waren die Zeiten längst vorbei, wo die Kelten hier die iberische, das heisst baskische Urbevölkerung bedrängten und zum Theil verdrängten; längst hatten hier die Verhältnisse der Völker sich friedlich ge- ordnet. Das Ergebniss war, dass die Kelten nach ihrer Weise die besseren Theile der Landschaft in Besitz genommen hatten. In den Thälern der Pyrenäen wie in den Gebirgen Bearns und der Gascogne und ebenso in den Küstensteppen südlich von der Garonne wohnten dagegen noch in Caesars Zeit die Aquitaner, eine grosse Anzahl kleiner wenig unter sich und noch weniger mit dem Ausland sich berührender Völkerschaften iberischer Abstammung; nur die Garonnemündung selbst mit dem wichti- gen Hafen Burdigala (Bordeaux) war in den Händen eines kelti- schen Stammes, der Bituriger-Vivisker. -- Von weit grösserer Bedeutung waren die Berührungen der keltischen Nation mit dem Römervolk und mit den Deutschen. Es soll hier nicht wieder- holt werden, was früher erzählt worden ist, wie die Römer in langsamem Vordringen die Kelten allmählich zurückgedrückt, zuletzt auch den Küstensaum zwischen den Alpen und Pyrenäen besetzt und sie dadurch von Italien, Spanien und dem mittellän- dischen Meer gänzlich abgeschnitten hatten, nachdem bereits Jahrhunderte zuvor durch die Anlage der römisch-hellenischen Zwingburg an der Rhonemündung diese Katastrophe vorbereitet war; daran aber müssen wir hier wieder erinnern, dass nicht bloss die Ueberlegenheit der römischen Waffen die Kelten bedrängte, sondern eben so sehr die der römischen Cultur, der die ansehn- lichen Fortschritte der hellenischen Civilisation im Keltenlande in
FÜNFTES BUCH. KAPITEL VII.
treuesten Gefolgmänner zu verbrennen bestand zu Caesars Zeit nicht mehr; aber doch dauerten die Menschenopfer noch fort und der Rechtssatz, daſs die Folterung des freien Mannes unzu- lässig, aber die der freien Frau erlaubt sei so gut wie die Folte- rung des Sclaven, wirft ein unerfreuliches Licht auf die Stellung, die das weibliche Geschlecht bei den Kelten auch noch in ihrer Culturzeit einnahm. Die Vorzüge, die der primitiven Epoche der Nationen eigen sind, hatten die Kelten eingebüſst, aber diejenigen nicht erworben, die die Gesittung dann mit sich bringt, wenn sie ein Volk innerlich und völlig durchdringt.
Also war die keltische Nation in ihren inneren Zuständen beschaffen. Es bleibt noch übrig ihre äuſseren Beziehungen zu den Nachbaren darzustellen und zu schildern, welche Rolle sie in diesem Augenblick einnahm in dem gewaltigen Wettlauf und Ringkampf der Nationen, in dem das Behaupten sich überall noch schwieriger erweist als das Erringen. An den Pyrenäen waren die Zeiten längst vorbei, wo die Kelten hier die iberische, das heiſst baskische Urbevölkerung bedrängten und zum Theil verdrängten; längst hatten hier die Verhältnisse der Völker sich friedlich ge- ordnet. Das Ergebniſs war, daſs die Kelten nach ihrer Weise die besseren Theile der Landschaft in Besitz genommen hatten. In den Thälern der Pyrenäen wie in den Gebirgen Bearns und der Gascogne und ebenso in den Küstensteppen südlich von der Garonne wohnten dagegen noch in Caesars Zeit die Aquitaner, eine groſse Anzahl kleiner wenig unter sich und noch weniger mit dem Ausland sich berührender Völkerschaften iberischer Abstammung; nur die Garonnemündung selbst mit dem wichti- gen Hafen Burdigala (Bordeaux) war in den Händen eines kelti- schen Stammes, der Bituriger-Vivisker. — Von weit gröſserer Bedeutung waren die Berührungen der keltischen Nation mit dem Römervolk und mit den Deutschen. Es soll hier nicht wieder- holt werden, was früher erzählt worden ist, wie die Römer in langsamem Vordringen die Kelten allmählich zurückgedrückt, zuletzt auch den Küstensaum zwischen den Alpen und Pyrenäen besetzt und sie dadurch von Italien, Spanien und dem mittellän- dischen Meer gänzlich abgeschnitten hatten, nachdem bereits Jahrhunderte zuvor durch die Anlage der römisch-hellenischen Zwingburg an der Rhonemündung diese Katastrophe vorbereitet war; daran aber müssen wir hier wieder erinnern, daſs nicht bloſs die Ueberlegenheit der römischen Waffen die Kelten bedrängte, sondern eben so sehr die der römischen Cultur, der die ansehn- lichen Fortschritte der hellenischen Civilisation im Keltenlande in
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FÜNFTES BUCH. KAPITEL VII.
treuesten Gefolgmänner zu verbrennen bestand zu Caesars Zeit
nicht mehr; aber doch dauerten die Menschenopfer noch fort
und der Rechtssatz, daſs die Folterung des freien Mannes unzu-
lässig, aber die der freien Frau erlaubt sei so gut wie die Folte-
rung des Sclaven, wirft ein unerfreuliches Licht auf die Stellung,
die das weibliche Geschlecht bei den Kelten auch noch in ihrer
Culturzeit einnahm. Die Vorzüge, die der primitiven Epoche der
Nationen eigen sind, hatten die Kelten eingebüſst, aber diejenigen
nicht erworben, die die Gesittung dann mit sich bringt, wenn sie
ein Volk innerlich und völlig durchdringt.
Also war die keltische Nation in ihren inneren Zuständen
beschaffen. Es bleibt noch übrig ihre äuſseren Beziehungen zu
den Nachbaren darzustellen und zu schildern, welche Rolle sie
in diesem Augenblick einnahm in dem gewaltigen Wettlauf und
Ringkampf der Nationen, in dem das Behaupten sich überall noch
schwieriger erweist als das Erringen. An den Pyrenäen waren die
Zeiten längst vorbei, wo die Kelten hier die iberische, das heiſst
baskische Urbevölkerung bedrängten und zum Theil verdrängten;
längst hatten hier die Verhältnisse der Völker sich friedlich ge-
ordnet. Das Ergebniſs war, daſs die Kelten nach ihrer Weise
die besseren Theile der Landschaft in Besitz genommen hatten.
In den Thälern der Pyrenäen wie in den Gebirgen Bearns und
der Gascogne und ebenso in den Küstensteppen südlich von der
Garonne wohnten dagegen noch in Caesars Zeit die Aquitaner,
eine groſse Anzahl kleiner wenig unter sich und noch weniger
mit dem Ausland sich berührender Völkerschaften iberischer
Abstammung; nur die Garonnemündung selbst mit dem wichti-
gen Hafen Burdigala (Bordeaux) war in den Händen eines kelti-
schen Stammes, der Bituriger-Vivisker. — Von weit gröſserer
Bedeutung waren die Berührungen der keltischen Nation mit dem
Römervolk und mit den Deutschen. Es soll hier nicht wieder-
holt werden, was früher erzählt worden ist, wie die Römer in
langsamem Vordringen die Kelten allmählich zurückgedrückt,
zuletzt auch den Küstensaum zwischen den Alpen und Pyrenäen
besetzt und sie dadurch von Italien, Spanien und dem mittellän-
dischen Meer gänzlich abgeschnitten hatten, nachdem bereits
Jahrhunderte zuvor durch die Anlage der römisch-hellenischen
Zwingburg an der Rhonemündung diese Katastrophe vorbereitet
war; daran aber müssen wir hier wieder erinnern, daſs nicht bloſs
die Ueberlegenheit der römischen Waffen die Kelten bedrängte,
sondern eben so sehr die der römischen Cultur, der die ansehn-
lichen Fortschritte der hellenischen Civilisation im Keltenlande in
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/230>, abgerufen am 24.11.2024.
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