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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL VII.
Gallaeker (II, 17) das westliche Gestade von den Römern we-
sentlich unabhängig geblieben und die Nordküste noch gar von
ihnen nicht betreten worden; und die Raubzüge, denen von hier
aus die unterthänigen Landschaften fortwährend ausgesetzt blie-
ben, thaten der Civilisirung und Romanisirung Spaniens nicht
geringen Eintrag. Hiegegen richtete sich Caesars Zug an der
Westküste hinauf. Er überschritt die den Tajo nördlich begren-
zende Kette der herminischen Berge (Sierra de Estrella), nach-
dem er die Bewohner derselben geschlagen und zum Theil in
die Ebene übergesiedelt hatte, unterwarf die Landschaft zu beiden
Seiten des Duero und gelangte bis an die nordwestliche Spitze
der Halbinsel, wo er mit Hülfe einer von Gades herbeigezogenen
Flottille Brigantium (Corunda) einnahm. Dadurch wurden die An-
wohner des atlantischen Oceans, Lusitaner und Gallaeker zur An-
erkennung der römischen Suprematie gezwungen, während der
Ueberwinder zugleich darauf bedacht war durch Herabsetzung
der nach Rom zu entrichtenden Tribute und Regulirung der öko-
nomischen Verhältnisse der Gemeinden die Lage der Unterthanen
überhaupt leidlich zu gestalten. -- Indess wenn auch schon in
diesem militärischen und administrativen Debut des grossen Feld-
herrn und Staatsmannes dieselben Talente und dieselben leiten-
den Gedanken durchschimmern, die er später auf grösseren
Schauplätzen bewährt hat, so war doch seine Wirksamkeit auf
der iberischen Halbinsel viel zu vorübergehend um hier tief ein-
zugreifen, um so mehr als bei den eigenthümlichen physischen
und nationalen Verhältnissen derselben nur eine längere Zeit
hindurch mit Stetigkeit fortgesetzte Thätigkeit eine dauernde
Wirkung hervorbringen konnte.

Eine bedeutendere Rolle in der romanischen Entwickelung
des Westens war der Landschaft bestimmt, welche zwischen den
Pyrenäen und dem Rheine, dem Mittelmeer und dem atlantischen
Ocean sich ausbreitet und an der seit der augusteischen Zeit der
Name des Keltenlandes, Gallien vorzugsweise haftet, obwohl genau
genommen das Keltenland theils enger ist, theils viel weiter sich
erstreckt und jene Landschaft niemals eine nationale und eine
politische Einheit nicht vor Augustus gebildet hat. Es ist eben
darum nicht leicht von den sehr mannigfaltigen Zuständen, die
Caesar bei seinem Eintreffen daselbst im J. 696 vorfand, ein an-
schauliches Bild zu entwerfen. -- In der Landschaft am Mittel-
meer, welche, ungefähr im Westen der Rhone Languedoc, im Osten
Dauphine und Provence umfassend, seit sechzig Jahren römische
Provinz war, hatten seit dem kimbrischen Sturm, der auch über

FÜNFTES BUCH. KAPITEL VII.
Gallaeker (II, 17) das westliche Gestade von den Römern we-
sentlich unabhängig geblieben und die Nordküste noch gar von
ihnen nicht betreten worden; und die Raubzüge, denen von hier
aus die unterthänigen Landschaften fortwährend ausgesetzt blie-
ben, thaten der Civilisirung und Romanisirung Spaniens nicht
geringen Eintrag. Hiegegen richtete sich Caesars Zug an der
Westküste hinauf. Er überschritt die den Tajo nördlich begren-
zende Kette der herminischen Berge (Sierra de Estrella), nach-
dem er die Bewohner derselben geschlagen und zum Theil in
die Ebene übergesiedelt hatte, unterwarf die Landschaft zu beiden
Seiten des Duero und gelangte bis an die nordwestliche Spitze
der Halbinsel, wo er mit Hülfe einer von Gades herbeigezogenen
Flottille Brigantium (Coruña) einnahm. Dadurch wurden die An-
wohner des atlantischen Oceans, Lusitaner und Gallaeker zur An-
erkennung der römischen Suprematie gezwungen, während der
Ueberwinder zugleich darauf bedacht war durch Herabsetzung
der nach Rom zu entrichtenden Tribute und Regulirung der öko-
nomischen Verhältnisse der Gemeinden die Lage der Unterthanen
überhaupt leidlich zu gestalten. — Indeſs wenn auch schon in
diesem militärischen und administrativen Debut des groſsen Feld-
herrn und Staatsmannes dieselben Talente und dieselben leiten-
den Gedanken durchschimmern, die er später auf gröſseren
Schauplätzen bewährt hat, so war doch seine Wirksamkeit auf
der iberischen Halbinsel viel zu vorübergehend um hier tief ein-
zugreifen, um so mehr als bei den eigenthümlichen physischen
und nationalen Verhältnissen derselben nur eine längere Zeit
hindurch mit Stetigkeit fortgesetzte Thätigkeit eine dauernde
Wirkung hervorbringen konnte.

Eine bedeutendere Rolle in der romanischen Entwickelung
des Westens war der Landschaft bestimmt, welche zwischen den
Pyrenäen und dem Rheine, dem Mittelmeer und dem atlantischen
Ocean sich ausbreitet und an der seit der augusteischen Zeit der
Name des Keltenlandes, Gallien vorzugsweise haftet, obwohl genau
genommen das Keltenland theils enger ist, theils viel weiter sich
erstreckt und jene Landschaft niemals eine nationale und eine
politische Einheit nicht vor Augustus gebildet hat. Es ist eben
darum nicht leicht von den sehr mannigfaltigen Zuständen, die
Caesar bei seinem Eintreffen daselbst im J. 696 vorfand, ein an-
schauliches Bild zu entwerfen. — In der Landschaft am Mittel-
meer, welche, ungefähr im Westen der Rhone Languedoc, im Osten
Dauphiné und Provence umfassend, seit sechzig Jahren römische
Provinz war, hatten seit dem kimbrischen Sturm, der auch über

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[204/0214] FÜNFTES BUCH. KAPITEL VII. Gallaeker (II, 17) das westliche Gestade von den Römern we- sentlich unabhängig geblieben und die Nordküste noch gar von ihnen nicht betreten worden; und die Raubzüge, denen von hier aus die unterthänigen Landschaften fortwährend ausgesetzt blie- ben, thaten der Civilisirung und Romanisirung Spaniens nicht geringen Eintrag. Hiegegen richtete sich Caesars Zug an der Westküste hinauf. Er überschritt die den Tajo nördlich begren- zende Kette der herminischen Berge (Sierra de Estrella), nach- dem er die Bewohner derselben geschlagen und zum Theil in die Ebene übergesiedelt hatte, unterwarf die Landschaft zu beiden Seiten des Duero und gelangte bis an die nordwestliche Spitze der Halbinsel, wo er mit Hülfe einer von Gades herbeigezogenen Flottille Brigantium (Coruña) einnahm. Dadurch wurden die An- wohner des atlantischen Oceans, Lusitaner und Gallaeker zur An- erkennung der römischen Suprematie gezwungen, während der Ueberwinder zugleich darauf bedacht war durch Herabsetzung der nach Rom zu entrichtenden Tribute und Regulirung der öko- nomischen Verhältnisse der Gemeinden die Lage der Unterthanen überhaupt leidlich zu gestalten. — Indeſs wenn auch schon in diesem militärischen und administrativen Debut des groſsen Feld- herrn und Staatsmannes dieselben Talente und dieselben leiten- den Gedanken durchschimmern, die er später auf gröſseren Schauplätzen bewährt hat, so war doch seine Wirksamkeit auf der iberischen Halbinsel viel zu vorübergehend um hier tief ein- zugreifen, um so mehr als bei den eigenthümlichen physischen und nationalen Verhältnissen derselben nur eine längere Zeit hindurch mit Stetigkeit fortgesetzte Thätigkeit eine dauernde Wirkung hervorbringen konnte. Eine bedeutendere Rolle in der romanischen Entwickelung des Westens war der Landschaft bestimmt, welche zwischen den Pyrenäen und dem Rheine, dem Mittelmeer und dem atlantischen Ocean sich ausbreitet und an der seit der augusteischen Zeit der Name des Keltenlandes, Gallien vorzugsweise haftet, obwohl genau genommen das Keltenland theils enger ist, theils viel weiter sich erstreckt und jene Landschaft niemals eine nationale und eine politische Einheit nicht vor Augustus gebildet hat. Es ist eben darum nicht leicht von den sehr mannigfaltigen Zuständen, die Caesar bei seinem Eintreffen daselbst im J. 696 vorfand, ein an- schauliches Bild zu entwerfen. — In der Landschaft am Mittel- meer, welche, ungefähr im Westen der Rhone Languedoc, im Osten Dauphiné und Provence umfassend, seit sechzig Jahren römische Provinz war, hatten seit dem kimbrischen Sturm, der auch über

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/214>, abgerufen am 24.11.2024.