Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN. nicht bloss ein Schatten der alten Eidgenossenschaften wiedergestattet, sondern auch die drückende Beschränkung in der Ver- äusserung des Grundbesitzes beseitigt. -- Strengere Massregeln trafen dagegen die Gemeinden Theben, Chalkis und Korinth. Die ersten beiden wurden entwaffnet und durch Niederreissung ihrer Mauern in offene Flecken umgewandelt. Wenn diese Mass- regel durchaus gerechtfertigt erscheint, so bleibt dagegen die durchaus unmotivirte Zerstörung der ersten Handelsstadt Grie- chenlands, des blühenden Korinth ein düsterer Schandfleck in den Jahrbüchern Roms. Auf ausdrücklichen Befehl des Senats wurden die korinthischen Bürger aufgegriffen und was nicht um- kam in die Sclaverei verkauft, die Stadt selbst nicht etwa bloss ihrer Mauern und ihrer Burg beraubt, was, wenn man einmal dieselbe nicht dauernd besetzen wollte, nicht anders sein konnte, sondern dem Boden gleich gemacht und in den üblichen Bann- formen jeder Wiederanbau der öden Stätte untersagt, das Gebiet derselben zum Theil an Sikyon gegeben gegen die Auflage anstatt Korinths die Kosten des isthmischen Nationalfestes zu bestreiten, grösstentheils aber zu römischem Gemeinland erklärt. Also erlosch ,der schöne Stern von Hellas', der letzte köstliche Schmuck des einst so städtereichen griechischen Landes. Fassen wir aber die ganze Katastrophe noch einmal ins Auge, so muss die unpar- teiische Geschichte es anerkennen, was die Griechen dieser Zeit selbst unumwunden eingestanden, dass an dem Kriege selbst nicht die Römer die Schuld tragen, sondern dass die unkluge Treubrüchigkeit und die schwächliche Tollkühnheit der Griechen die römische Intervention erzwangen. Die Beseitigung der Schein- souveränetät der Bünde und alles damit verknüpften unklaren und verderblichen Schwindels war ein Glück für das Land; das Re- giment des römischen Oberfeldherrn von Makedonien, wie viel es auch zu wünschen übrig liess, war immer noch bei weitem bes- ser als die bisherige Wirr- und Missregierung der griechischen Eidgenossenschaften und der römischen Commissionen. Der Peloponnes hörte auf die grosse Söldnerherberge zu sein; es ist rungen, dass statt der achäischen Eidgenossenschaft jetzt die einzelnen
Gemeinden Achaias als tributäre Clientelstaaten neben Rom standen und dass seit Einrichtung der römischen Sonderverwaltung in Makedonien diese anstatt der hauptstädtischen Behörden die Oberaufsicht über die griechi- schen Clientelstaaten übernahm. Man kann demnach, je nachdem die that- sächliche oder die formelle Auffassung überwiegt, Griechenland als Theil des Commandos von Makedonien ansehen und auch nicht; indess wird der ersteren Auffassung mit Recht das Uebergewicht eingeräumt. DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN. nicht bloſs ein Schatten der alten Eidgenossenschaften wiedergestattet, sondern auch die drückende Beschränkung in der Ver- äuſserung des Grundbesitzes beseitigt. — Strengere Maſsregeln trafen dagegen die Gemeinden Theben, Chalkis und Korinth. Die ersten beiden wurden entwaffnet und durch Niederreiſsung ihrer Mauern in offene Flecken umgewandelt. Wenn diese Maſs- regel durchaus gerechtfertigt erscheint, so bleibt dagegen die durchaus unmotivirte Zerstörung der ersten Handelsstadt Grie- chenlands, des blühenden Korinth ein düsterer Schandfleck in den Jahrbüchern Roms. Auf ausdrücklichen Befehl des Senats wurden die korinthischen Bürger aufgegriffen und was nicht um- kam in die Sclaverei verkauft, die Stadt selbst nicht etwa bloſs ihrer Mauern und ihrer Burg beraubt, was, wenn man einmal dieselbe nicht dauernd besetzen wollte, nicht anders sein konnte, sondern dem Boden gleich gemacht und in den üblichen Bann- formen jeder Wiederanbau der öden Stätte untersagt, das Gebiet derselben zum Theil an Sikyon gegeben gegen die Auflage anstatt Korinths die Kosten des isthmischen Nationalfestes zu bestreiten, gröſstentheils aber zu römischem Gemeinland erklärt. Also erlosch ‚der schöne Stern von Hellas‘, der letzte köstliche Schmuck des einst so städtereichen griechischen Landes. Fassen wir aber die ganze Katastrophe noch einmal ins Auge, so muſs die unpar- teiische Geschichte es anerkennen, was die Griechen dieser Zeit selbst unumwunden eingestanden, daſs an dem Kriege selbst nicht die Römer die Schuld tragen, sondern daſs die unkluge Treubrüchigkeit und die schwächliche Tollkühnheit der Griechen die römische Intervention erzwangen. Die Beseitigung der Schein- souveränetät der Bünde und alles damit verknüpften unklaren und verderblichen Schwindels war ein Glück für das Land; das Re- giment des römischen Oberfeldherrn von Makedonien, wie viel es auch zu wünschen übrig lieſs, war immer noch bei weitem bes- ser als die bisherige Wirr- und Miſsregierung der griechischen Eidgenossenschaften und der römischen Commissionen. Der Peloponnes hörte auf die groſse Söldnerherberge zu sein; es ist rungen, daſs statt der achäischen Eidgenossenschaft jetzt die einzelnen
Gemeinden Achaias als tributäre Clientelstaaten neben Rom standen und daſs seit Einrichtung der römischen Sonderverwaltung in Makedonien diese anstatt der hauptstädtischen Behörden die Oberaufsicht über die griechi- schen Clientelstaaten übernahm. Man kann demnach, je nachdem die that- sächliche oder die formelle Auffassung überwiegt, Griechenland als Theil des Commandos von Makedonien ansehen und auch nicht; indeſs wird der ersteren Auffassung mit Recht das Uebergewicht eingeräumt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0057" n="47"/><fw place="top" type="header">DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN.</fw><lb/> nicht bloſs ein Schatten der alten Eidgenossenschaften wieder<lb/> gestattet, sondern auch die drückende Beschränkung in der Ver-<lb/> äuſserung des Grundbesitzes beseitigt. — Strengere Maſsregeln<lb/> trafen dagegen die Gemeinden Theben, Chalkis und Korinth.<lb/> Die ersten beiden wurden entwaffnet und durch Niederreiſsung<lb/> ihrer Mauern in offene Flecken umgewandelt. Wenn diese Maſs-<lb/> regel durchaus gerechtfertigt erscheint, so bleibt dagegen die<lb/> durchaus unmotivirte Zerstörung der ersten Handelsstadt Grie-<lb/> chenlands, des blühenden Korinth ein düsterer Schandfleck in<lb/> den Jahrbüchern Roms. Auf ausdrücklichen Befehl des Senats<lb/> wurden die korinthischen Bürger aufgegriffen und was nicht um-<lb/> kam in die Sclaverei verkauft, die Stadt selbst nicht etwa bloſs<lb/> ihrer Mauern und ihrer Burg beraubt, was, wenn man einmal<lb/> dieselbe nicht dauernd besetzen wollte, nicht anders sein konnte,<lb/> sondern dem Boden gleich gemacht und in den üblichen Bann-<lb/> formen jeder Wiederanbau der öden Stätte untersagt, das Gebiet<lb/> derselben zum Theil an Sikyon gegeben gegen die Auflage anstatt<lb/> Korinths die Kosten des isthmischen Nationalfestes zu bestreiten,<lb/> gröſstentheils aber zu römischem Gemeinland erklärt. Also erlosch<lb/> ‚der schöne Stern von Hellas‘, der letzte köstliche Schmuck des<lb/> einst so städtereichen griechischen Landes. Fassen wir aber die<lb/> ganze Katastrophe noch einmal ins Auge, so muſs die unpar-<lb/> teiische Geschichte es anerkennen, was die Griechen dieser Zeit<lb/> selbst unumwunden eingestanden, daſs an dem Kriege selbst<lb/> nicht die Römer die Schuld tragen, sondern daſs die unkluge<lb/> Treubrüchigkeit und die schwächliche Tollkühnheit der Griechen<lb/> die römische Intervention erzwangen. Die Beseitigung der Schein-<lb/> souveränetät der Bünde und alles damit verknüpften unklaren und<lb/> verderblichen Schwindels war ein Glück für das Land; das Re-<lb/> giment des römischen Oberfeldherrn von Makedonien, wie viel es<lb/> auch zu wünschen übrig lieſs, war immer noch bei weitem bes-<lb/> ser als die bisherige Wirr- und Miſsregierung der griechischen<lb/> Eidgenossenschaften und der römischen Commissionen. Der<lb/> Peloponnes hörte auf die groſse Söldnerherberge zu sein; es ist<lb/><note xml:id="note-0057" prev="#note-0056" place="foot" n="*">rungen, daſs statt der achäischen Eidgenossenschaft jetzt die einzelnen<lb/> Gemeinden Achaias als tributäre Clientelstaaten neben Rom standen und<lb/> daſs seit Einrichtung der römischen Sonderverwaltung in Makedonien diese<lb/> anstatt der hauptstädtischen Behörden die Oberaufsicht über die griechi-<lb/> schen Clientelstaaten übernahm. Man kann demnach, je nachdem die that-<lb/> sächliche oder die formelle Auffassung überwiegt, Griechenland als Theil<lb/> des Commandos von Makedonien ansehen und auch nicht; indeſs wird der<lb/> ersteren Auffassung mit Recht das Uebergewicht eingeräumt.</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [47/0057]
DIE UNTERTHÄNIGEN LANDSCHAFTEN.
nicht bloſs ein Schatten der alten Eidgenossenschaften wieder
gestattet, sondern auch die drückende Beschränkung in der Ver-
äuſserung des Grundbesitzes beseitigt. — Strengere Maſsregeln
trafen dagegen die Gemeinden Theben, Chalkis und Korinth.
Die ersten beiden wurden entwaffnet und durch Niederreiſsung
ihrer Mauern in offene Flecken umgewandelt. Wenn diese Maſs-
regel durchaus gerechtfertigt erscheint, so bleibt dagegen die
durchaus unmotivirte Zerstörung der ersten Handelsstadt Grie-
chenlands, des blühenden Korinth ein düsterer Schandfleck in
den Jahrbüchern Roms. Auf ausdrücklichen Befehl des Senats
wurden die korinthischen Bürger aufgegriffen und was nicht um-
kam in die Sclaverei verkauft, die Stadt selbst nicht etwa bloſs
ihrer Mauern und ihrer Burg beraubt, was, wenn man einmal
dieselbe nicht dauernd besetzen wollte, nicht anders sein konnte,
sondern dem Boden gleich gemacht und in den üblichen Bann-
formen jeder Wiederanbau der öden Stätte untersagt, das Gebiet
derselben zum Theil an Sikyon gegeben gegen die Auflage anstatt
Korinths die Kosten des isthmischen Nationalfestes zu bestreiten,
gröſstentheils aber zu römischem Gemeinland erklärt. Also erlosch
‚der schöne Stern von Hellas‘, der letzte köstliche Schmuck des
einst so städtereichen griechischen Landes. Fassen wir aber die
ganze Katastrophe noch einmal ins Auge, so muſs die unpar-
teiische Geschichte es anerkennen, was die Griechen dieser Zeit
selbst unumwunden eingestanden, daſs an dem Kriege selbst
nicht die Römer die Schuld tragen, sondern daſs die unkluge
Treubrüchigkeit und die schwächliche Tollkühnheit der Griechen
die römische Intervention erzwangen. Die Beseitigung der Schein-
souveränetät der Bünde und alles damit verknüpften unklaren und
verderblichen Schwindels war ein Glück für das Land; das Re-
giment des römischen Oberfeldherrn von Makedonien, wie viel es
auch zu wünschen übrig lieſs, war immer noch bei weitem bes-
ser als die bisherige Wirr- und Miſsregierung der griechischen
Eidgenossenschaften und der römischen Commissionen. Der
Peloponnes hörte auf die groſse Söldnerherberge zu sein; es ist
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* rungen, daſs statt der achäischen Eidgenossenschaft jetzt die einzelnen
Gemeinden Achaias als tributäre Clientelstaaten neben Rom standen und
daſs seit Einrichtung der römischen Sonderverwaltung in Makedonien diese
anstatt der hauptstädtischen Behörden die Oberaufsicht über die griechi-
schen Clientelstaaten übernahm. Man kann demnach, je nachdem die that-
sächliche oder die formelle Auffassung überwiegt, Griechenland als Theil
des Commandos von Makedonien ansehen und auch nicht; indeſs wird der
ersteren Auffassung mit Recht das Uebergewicht eingeräumt.
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