Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.VIERTES BUCH. KAPITEL I. erreichte und schlug das griechische Heer bei Skarpheia in Lo-kris. Der Verlust an Gefangenen und Todten war beträchtlich; von Kritolaos selbst ward nach der Schlacht nie wieder eine Kunde vernommen. Die Trümmer der geschlagenen Armee irr- ten in einzelnen Trupps in den hellenischen Landschaften um- her und baten überall umsonst um Aufnahme; die Abtheilung von Patrae ward in Phokis, das arkadische Elitencorps bei Chae- roneia aufgerieben; ganz Nordgriechenland wurde geräumt und von dem Achäerheer und der in Masse flüchtenden Bürgerschaft von Theben gelangte nur ein geringer Theil in den Peloponnes. Metellus suchte durch die möglichste Milde die Griechen zum Auf- geben des nutzlosen Widerstandes zu bestimmen und befahl zum Beispiel alle Thebaner mit Ausnahme eines Einzigen laufen zu lassen; seine wohlgemeinten Versuche scheiterten nicht an der Energie des Volkes, sondern an der Desperation der um ihren eigenen Kopf besorgten Führer. Diaeos, der nach Krito- laos Fall wieder den Oberbefehl übernommen hatte, berief alle Waffenfähigen auf den Isthmos und befahl 12000 in Griechen- land geborene Sclaven in das Heer einzustellen; die Reichen wurden zu Vorschüssen angehalten und unter den Friedens- freunden, soweit sie nicht durch Bestechung der Schreckensher- ren ihr Leben erkauften, durch Blutgerichte aufgeräumt. Der Kampf ward also fortgesetzt. Die achäische Vorhut, die 4000 Mann stark unter Alkamenes bei Megara stand, verlief sich, so wie sie die römischen Feldzeichen gewahrte. Die Hauptmacht auf dem Isthmos wollte Metellus eben angreifen lassen, als der Consul Lucius Mummius mit wenigen Begleitern im römischen Haupt- quartier eintraf und das Commando übernahm. Inzwischen bo- ten die Achäer, ermuthigt durch einen gelungenen Angriff auf die allzu unvorsichtigen römischen Vorposten, mit ihrer der römi- schen um das Doppelte überlegenen Armee bei Leukopetra auf dem Isthmos die Schlacht an. Die Römer zögerten nicht sie an- zunehmen. Gleich zu Anfang rissen die achäischen Reiter in Masse aus vor der sechsfach stärkeren römischen Reiterei; die Hopliten standen dem Angriff, bis eine Flankenattaque des römi- schen Elitencorps auch in ihre Reihen Verwirrung brachte. Da- mit war der Widerstand zu Ende. Diaeos floh in seine Heimath, tödtete sein Weib und nahm selber Gift; die Städte unterwarfen sich sämmtlich ohne Gegenwehr und sogar das unbezwingliche Korinth, in das einzurücken Mummius drei Tage zauderte, weil er einen Hinterhalt besorgte, ward ohne Schwertstreich von den Römern besetzt. -- Die neue Regulirung der griechischen Ver- VIERTES BUCH. KAPITEL I. erreichte und schlug das griechische Heer bei Skarpheia in Lo-kris. Der Verlust an Gefangenen und Todten war beträchtlich; von Kritolaos selbst ward nach der Schlacht nie wieder eine Kunde vernommen. Die Trümmer der geschlagenen Armee irr- ten in einzelnen Trupps in den hellenischen Landschaften um- her und baten überall umsonst um Aufnahme; die Abtheilung von Patrae ward in Phokis, das arkadische Elitencorps bei Chae- roneia aufgerieben; ganz Nordgriechenland wurde geräumt und von dem Achäerheer und der in Masse flüchtenden Bürgerschaft von Theben gelangte nur ein geringer Theil in den Peloponnes. Metellus suchte durch die möglichste Milde die Griechen zum Auf- geben des nutzlosen Widerstandes zu bestimmen und befahl zum Beispiel alle Thebaner mit Ausnahme eines Einzigen laufen zu lassen; seine wohlgemeinten Versuche scheiterten nicht an der Energie des Volkes, sondern an der Desperation der um ihren eigenen Kopf besorgten Führer. Diaeos, der nach Krito- laos Fall wieder den Oberbefehl übernommen hatte, berief alle Waffenfähigen auf den Isthmos und befahl 12000 in Griechen- land geborene Sclaven in das Heer einzustellen; die Reichen wurden zu Vorschüssen angehalten und unter den Friedens- freunden, soweit sie nicht durch Bestechung der Schreckensher- ren ihr Leben erkauften, durch Blutgerichte aufgeräumt. Der Kampf ward also fortgesetzt. Die achäische Vorhut, die 4000 Mann stark unter Alkamenes bei Megara stand, verlief sich, so wie sie die römischen Feldzeichen gewahrte. Die Hauptmacht auf dem Isthmos wollte Metellus eben angreifen lassen, als der Consul Lucius Mummius mit wenigen Begleitern im römischen Haupt- quartier eintraf und das Commando übernahm. Inzwischen bo- ten die Achäer, ermuthigt durch einen gelungenen Angriff auf die allzu unvorsichtigen römischen Vorposten, mit ihrer der römi- schen um das Doppelte überlegenen Armee bei Leukopetra auf dem Isthmos die Schlacht an. Die Römer zögerten nicht sie an- zunehmen. Gleich zu Anfang rissen die achäischen Reiter in Masse aus vor der sechsfach stärkeren römischen Reiterei; die Hopliten standen dem Angriff, bis eine Flankenattaque des römi- schen Elitencorps auch in ihre Reihen Verwirrung brachte. Da- mit war der Widerstand zu Ende. Diaeos floh in seine Heimath, tödtete sein Weib und nahm selber Gift; die Städte unterwarfen sich sämmtlich ohne Gegenwehr und sogar das unbezwingliche Korinth, in das einzurücken Mummius drei Tage zauderte, weil er einen Hinterhalt besorgte, ward ohne Schwertstreich von den Römern besetzt. — Die neue Regulirung der griechischen Ver- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0054" n="44"/><fw place="top" type="header">VIERTES BUCH. KAPITEL I.</fw><lb/> erreichte und schlug das griechische Heer bei Skarpheia in Lo-<lb/> kris. Der Verlust an Gefangenen und Todten war beträchtlich;<lb/> von Kritolaos selbst ward nach der Schlacht nie wieder eine<lb/> Kunde vernommen. 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VIERTES BUCH. KAPITEL I.
erreichte und schlug das griechische Heer bei Skarpheia in Lo-
kris. Der Verlust an Gefangenen und Todten war beträchtlich;
von Kritolaos selbst ward nach der Schlacht nie wieder eine
Kunde vernommen. Die Trümmer der geschlagenen Armee irr-
ten in einzelnen Trupps in den hellenischen Landschaften um-
her und baten überall umsonst um Aufnahme; die Abtheilung
von Patrae ward in Phokis, das arkadische Elitencorps bei Chae-
roneia aufgerieben; ganz Nordgriechenland wurde geräumt und
von dem Achäerheer und der in Masse flüchtenden Bürgerschaft
von Theben gelangte nur ein geringer Theil in den Peloponnes.
Metellus suchte durch die möglichste Milde die Griechen zum Auf-
geben des nutzlosen Widerstandes zu bestimmen und befahl zum
Beispiel alle Thebaner mit Ausnahme eines Einzigen laufen zu
lassen; seine wohlgemeinten Versuche scheiterten nicht an
der Energie des Volkes, sondern an der Desperation der um
ihren eigenen Kopf besorgten Führer. Diaeos, der nach Krito-
laos Fall wieder den Oberbefehl übernommen hatte, berief alle
Waffenfähigen auf den Isthmos und befahl 12000 in Griechen-
land geborene Sclaven in das Heer einzustellen; die Reichen
wurden zu Vorschüssen angehalten und unter den Friedens-
freunden, soweit sie nicht durch Bestechung der Schreckensher-
ren ihr Leben erkauften, durch Blutgerichte aufgeräumt. Der
Kampf ward also fortgesetzt. Die achäische Vorhut, die 4000 Mann
stark unter Alkamenes bei Megara stand, verlief sich, so wie sie
die römischen Feldzeichen gewahrte. Die Hauptmacht auf dem
Isthmos wollte Metellus eben angreifen lassen, als der Consul
Lucius Mummius mit wenigen Begleitern im römischen Haupt-
quartier eintraf und das Commando übernahm. Inzwischen bo-
ten die Achäer, ermuthigt durch einen gelungenen Angriff auf die
allzu unvorsichtigen römischen Vorposten, mit ihrer der römi-
schen um das Doppelte überlegenen Armee bei Leukopetra auf
dem Isthmos die Schlacht an. Die Römer zögerten nicht sie an-
zunehmen. Gleich zu Anfang rissen die achäischen Reiter in
Masse aus vor der sechsfach stärkeren römischen Reiterei; die
Hopliten standen dem Angriff, bis eine Flankenattaque des römi-
schen Elitencorps auch in ihre Reihen Verwirrung brachte. Da-
mit war der Widerstand zu Ende. Diaeos floh in seine Heimath,
tödtete sein Weib und nahm selber Gift; die Städte unterwarfen
sich sämmtlich ohne Gegenwehr und sogar das unbezwingliche
Korinth, in das einzurücken Mummius drei Tage zauderte, weil er
einen Hinterhalt besorgte, ward ohne Schwertstreich von den
Römern besetzt. — Die neue Regulirung der griechischen Ver-
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