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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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VIERTES BUCH. KAPITEL XIII.
theils als die erste in Rom publicirte Correspondenz und zu-
gleich die erste litterarische Production einer römischen Frau.
Die Redeschriftstellerei bewahrte auch in dieser Periode noch den
von Cato ihr aufgedrückten Stempel; Advocatenplaidoyers wur-
den noch nicht als litterarische Productionen angesehen und was
von Reden veröffentlicht ward, waren politische Pamphlete. Wäh-
rend der revolutionären Bewegung nahm diese Broschürenlitte-
ratur an Umfang und Bedeutung zu und unter der Masse ephe-
merer Producte fanden sich auch einzelne, die wie Demosthenes
Philippiken und Couriers fliegende Blätter durch die bedeutende
Stellung ihrer Verfasser und durch ihr eigenes Schwergewicht
einen bleibenden Platz in der Litteratur sich erwarben. So die
Staatsreden des Gaius Laelius und des Scipio Aemilianus, Muster-
stücke des trefflichsten Latein wie des edelsten Vaterlandsgefühls;
so die sprudelnden Reden des Gaius Titius, von deren drasti-
schen Local- und Zeitbildern -- die Schilderung des senatori-
schen Geschwornen ward früher (S. 384) mitgetheilt -- das na-
tionale Lustspiel manches entlehnt hat; so vor allem die zahl-
reichen Reden des Gaius Gracchus, deren flammende Worte den
leidenschaftlichen Ernst, die adliche Haltung und das tragische
Verhängniss dieser hohen Natur im treuen Spiegelbild bewahrten.

In der wissenschaftlichen Litteratur begegnet gleich in dem
ersten eigentlich schriftstellerischen fachwissenschaftlichen Werk
eines Römers, der juristischen Gutachtensammlung des Marcus
Brutus (um 600), ein Versuch die dialogische Behandlung der Grie-
chen nach Rom zu verpflanzen und durch eine nach Personen, Zeit
und Ort bestimmte Scenerie des Gesprächs der Abhandlung eine
künstlerische halb dramatische Form zu geben. Indess die spä-
teren Gelehrten aller Fächer, sowohl der allgemeinen Bildungs- als
der specielleren Fachwissenschaften, namentlich der Philolog Stilo
und der Jurist Scaevola liessen sehr bald diese mehr poetische als
praktische Methode fallen. Der steigende Werth der Wissenschaft
als solcher und des stofflichen Interesses an derselben spiegelt
sich deutlich in diesem raschen Abwerfen der Fessel künstleri-
scher Form. -- Im einzelnen ist von den allgemein humanen
Wissenschaften, der Grammatik oder vielmehr der Philologie, der
Rhetorik und der Philosophie insofern schon gesprochen wor-
den (S. 391 fg.), als dieselben jetzt wesentliche Bestandtheile der
gewöhnlichen römischen Bildung wurden. Auf dem litterarischen
Gebiet blüht die lateinische Philologie fröhlich auf, im engen An-
schluss an die längst sicher gegründete philologische Behandlung
der griechischen Litteratur. Es ward bereits erwähnt, dass um den

VIERTES BUCH. KAPITEL XIII.
theils als die erste in Rom publicirte Correspondenz und zu-
gleich die erste litterarische Production einer römischen Frau.
Die Redeschriftstellerei bewahrte auch in dieser Periode noch den
von Cato ihr aufgedrückten Stempel; Advocatenplaidoyers wur-
den noch nicht als litterarische Productionen angesehen und was
von Reden veröffentlicht ward, waren politische Pamphlete. Wäh-
rend der revolutionären Bewegung nahm diese Broschürenlitte-
ratur an Umfang und Bedeutung zu und unter der Masse ephe-
merer Producte fanden sich auch einzelne, die wie Demosthenes
Philippiken und Couriers fliegende Blätter durch die bedeutende
Stellung ihrer Verfasser und durch ihr eigenes Schwergewicht
einen bleibenden Platz in der Litteratur sich erwarben. So die
Staatsreden des Gaius Laelius und des Scipio Aemilianus, Muster-
stücke des trefflichsten Latein wie des edelsten Vaterlandsgefühls;
so die sprudelnden Reden des Gaius Titius, von deren drasti-
schen Local- und Zeitbildern — die Schilderung des senatori-
schen Geschwornen ward früher (S. 384) mitgetheilt — das na-
tionale Lustspiel manches entlehnt hat; so vor allem die zahl-
reichen Reden des Gaius Gracchus, deren flammende Worte den
leidenschaftlichen Ernst, die adliche Haltung und das tragische
Verhängniſs dieser hohen Natur im treuen Spiegelbild bewahrten.

In der wissenschaftlichen Litteratur begegnet gleich in dem
ersten eigentlich schriftstellerischen fachwissenschaftlichen Werk
eines Römers, der juristischen Gutachtensammlung des Marcus
Brutus (um 600), ein Versuch die dialogische Behandlung der Grie-
chen nach Rom zu verpflanzen und durch eine nach Personen, Zeit
und Ort bestimmte Scenerie des Gesprächs der Abhandlung eine
künstlerische halb dramatische Form zu geben. Indeſs die spä-
teren Gelehrten aller Fächer, sowohl der allgemeinen Bildungs- als
der specielleren Fachwissenschaften, namentlich der Philolog Stilo
und der Jurist Scaevola lieſsen sehr bald diese mehr poetische als
praktische Methode fallen. Der steigende Werth der Wissenschaft
als solcher und des stofflichen Interesses an derselben spiegelt
sich deutlich in diesem raschen Abwerfen der Fessel künstleri-
scher Form. — Im einzelnen ist von den allgemein humanen
Wissenschaften, der Grammatik oder vielmehr der Philologie, der
Rhetorik und der Philosophie insofern schon gesprochen wor-
den (S. 391 fg.), als dieselben jetzt wesentliche Bestandtheile der
gewöhnlichen römischen Bildung wurden. Auf dem litterarischen
Gebiet blüht die lateinische Philologie fröhlich auf, im engen An-
schluſs an die längst sicher gegründete philologische Behandlung
der griechischen Litteratur. Es ward bereits erwähnt, daſs um den

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[432/0442] VIERTES BUCH. KAPITEL XIII. theils als die erste in Rom publicirte Correspondenz und zu- gleich die erste litterarische Production einer römischen Frau. Die Redeschriftstellerei bewahrte auch in dieser Periode noch den von Cato ihr aufgedrückten Stempel; Advocatenplaidoyers wur- den noch nicht als litterarische Productionen angesehen und was von Reden veröffentlicht ward, waren politische Pamphlete. Wäh- rend der revolutionären Bewegung nahm diese Broschürenlitte- ratur an Umfang und Bedeutung zu und unter der Masse ephe- merer Producte fanden sich auch einzelne, die wie Demosthenes Philippiken und Couriers fliegende Blätter durch die bedeutende Stellung ihrer Verfasser und durch ihr eigenes Schwergewicht einen bleibenden Platz in der Litteratur sich erwarben. So die Staatsreden des Gaius Laelius und des Scipio Aemilianus, Muster- stücke des trefflichsten Latein wie des edelsten Vaterlandsgefühls; so die sprudelnden Reden des Gaius Titius, von deren drasti- schen Local- und Zeitbildern — die Schilderung des senatori- schen Geschwornen ward früher (S. 384) mitgetheilt — das na- tionale Lustspiel manches entlehnt hat; so vor allem die zahl- reichen Reden des Gaius Gracchus, deren flammende Worte den leidenschaftlichen Ernst, die adliche Haltung und das tragische Verhängniſs dieser hohen Natur im treuen Spiegelbild bewahrten. In der wissenschaftlichen Litteratur begegnet gleich in dem ersten eigentlich schriftstellerischen fachwissenschaftlichen Werk eines Römers, der juristischen Gutachtensammlung des Marcus Brutus (um 600), ein Versuch die dialogische Behandlung der Grie- chen nach Rom zu verpflanzen und durch eine nach Personen, Zeit und Ort bestimmte Scenerie des Gesprächs der Abhandlung eine künstlerische halb dramatische Form zu geben. Indeſs die spä- teren Gelehrten aller Fächer, sowohl der allgemeinen Bildungs- als der specielleren Fachwissenschaften, namentlich der Philolog Stilo und der Jurist Scaevola lieſsen sehr bald diese mehr poetische als praktische Methode fallen. Der steigende Werth der Wissenschaft als solcher und des stofflichen Interesses an derselben spiegelt sich deutlich in diesem raschen Abwerfen der Fessel künstleri- scher Form. — Im einzelnen ist von den allgemein humanen Wissenschaften, der Grammatik oder vielmehr der Philologie, der Rhetorik und der Philosophie insofern schon gesprochen wor- den (S. 391 fg.), als dieselben jetzt wesentliche Bestandtheile der gewöhnlichen römischen Bildung wurden. Auf dem litterarischen Gebiet blüht die lateinische Philologie fröhlich auf, im engen An- schluſs an die längst sicher gegründete philologische Behandlung der griechischen Litteratur. Es ward bereits erwähnt, daſs um den

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/442>, abgerufen am 22.11.2024.