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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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aus nur dazu da um von den Söhnen gefoppt und geprellt zu
werden; bei Terenz wird im ,Selbstquäler' der verlorene Sohn
durch väterliche Weisheit gebessert und wie er überhaupt voll
trefflicher Pädagogik ist, geht in dem vorzüglichsten seiner Stücke,
den ,Brüdern', die Pointe darauf hinaus zwischen der allzu libe-
ralen Onkel- und der allzu rigorosen Vatererziehung die rechte
Mitte zu finden. Plautus erträgt sehr widerwillig die strenge rö-
mische Bühnencensur und haut ihr nicht selten über die Schnur;
Terenz bezeichnet vielmehr als seinen Zweck den Guten zu ge-
fallen und, wie Menandros, Niemand zu verletzen. Plautus liebt
den raschen, oft lärmigen Dialog und es gehört zu seinen Stücken
die lebhafteste Mimik der Schauspieler; Terenz beschränkte sich
auf ,ruhiges Gespräch' und gab seinen Schauspielern Masken.
Plautus Sprache fliesst über von burlesken Wendungen und Wort-
witzen, von Allitterationen, von komischen Neubildungen, aristo-
phanischen Wörterverklitterungen, spasshaft entlehnten griechi-
schen Schlagwörtern. Dergleichen Capricci kennt Terenz nicht:
sein Dialog bewegt sich im reinsten Ebenmass und die Pointen
sind zierliche epigrammatische und sententiöse Wendungen. Die
elegante Sprache war der Stolz des Dichters und ihrem unnach-
ahmlichen Reiz vor allem verdankte er es, dass die feinsten Kunst-
richter der Folgezeit, wie Cicero, Caesar, Quintilian, unter allen
römischen Dichtern der republikanischen Zeit ihm den Preis
zuerkannten. Allerdings sind all seine Vorzüge und Fehler nichts
weniger als originell, sondern Zug für Zug copirt nach Menan-
dros; aber darum nicht minder ward durch diese erste künstle-
risch reine Nachbildung hellenischer Kunstwerke eine neue Aera
in der römischen Litteratur bezeichnet und zum Theil begründet.
Im entschiedensten litterarischen Krieg brach die moderne Ko-
mödie sich Bahn. Die plautinische Dichtweise hatte in dem rö-
mischen Bürgerstand Wurzel gefasst; die terenzischen Lustspiele
stiessen auf den lebhaftesten Widerstand bei dem Publicum, das
ihre ,matte Sprache', ihren ,schwachen Stil' unleidlich fand. Der
wie es scheint ziemlich empfindliche Dichter antwortete in den
eigentlich keineswegs hiezu bestimmten Prologen mit Antikriti-
ken voll defensiver und offensiver Polemik und stützte sich ge-
gen die Stimmung der Menge, die aus seiner ,Schwiegermutter'
zweimal weggelaufen war um einer Fechter- und Seiltänzerbande
zuzusehen, auf die gebildeten Kreise der vornehmen Welt. Er
erklärte nur nach dem Beifall der ,Guten' zu streben, wobei
freilich die Andeutung selten fehlte, dass es durchaus nicht an-
ständig sei Kunstwerke zu missachten, die den Beifall der ,Weni-

VIERTES BUCH. KAPITEL XIII.
aus nur dazu da um von den Söhnen gefoppt und geprellt zu
werden; bei Terenz wird im ‚Selbstquäler‘ der verlorene Sohn
durch väterliche Weisheit gebessert und wie er überhaupt voll
trefflicher Pädagogik ist, geht in dem vorzüglichsten seiner Stücke,
den ‚Brüdern‘, die Pointe darauf hinaus zwischen der allzu libe-
ralen Onkel- und der allzu rigorosen Vatererziehung die rechte
Mitte zu finden. Plautus erträgt sehr widerwillig die strenge rö-
mische Bühnencensur und haut ihr nicht selten über die Schnur;
Terenz bezeichnet vielmehr als seinen Zweck den Guten zu ge-
fallen und, wie Menandros, Niemand zu verletzen. Plautus liebt
den raschen, oft lärmigen Dialog und es gehört zu seinen Stücken
die lebhafteste Mimik der Schauspieler; Terenz beschränkte sich
auf ‚ruhiges Gespräch‘ und gab seinen Schauspielern Masken.
Plautus Sprache flieſst über von burlesken Wendungen und Wort-
witzen, von Allitterationen, von komischen Neubildungen, aristo-
phanischen Wörterverklitterungen, spaſshaft entlehnten griechi-
schen Schlagwörtern. Dergleichen Capricci kennt Terenz nicht:
sein Dialog bewegt sich im reinsten Ebenmaſs und die Pointen
sind zierliche epigrammatische und sententiöse Wendungen. Die
elegante Sprache war der Stolz des Dichters und ihrem unnach-
ahmlichen Reiz vor allem verdankte er es, daſs die feinsten Kunst-
richter der Folgezeit, wie Cicero, Caesar, Quintilian, unter allen
römischen Dichtern der republikanischen Zeit ihm den Preis
zuerkannten. Allerdings sind all seine Vorzüge und Fehler nichts
weniger als originell, sondern Zug für Zug copirt nach Menan-
dros; aber darum nicht minder ward durch diese erste künstle-
risch reine Nachbildung hellenischer Kunstwerke eine neue Aera
in der römischen Litteratur bezeichnet und zum Theil begründet.
Im entschiedensten litterarischen Krieg brach die moderne Ko-
mödie sich Bahn. Die plautinische Dichtweise hatte in dem rö-
mischen Bürgerstand Wurzel gefaſst; die terenzischen Lustspiele
stieſsen auf den lebhaftesten Widerstand bei dem Publicum, das
ihre ‚matte Sprache‘, ihren ‚schwachen Stil‘ unleidlich fand. Der
wie es scheint ziemlich empfindliche Dichter antwortete in den
eigentlich keineswegs hiezu bestimmten Prologen mit Antikriti-
ken voll defensiver und offensiver Polemik und stützte sich ge-
gen die Stimmung der Menge, die aus seiner ‚Schwiegermutter‘
zweimal weggelaufen war um einer Fechter- und Seiltänzerbande
zuzusehen, auf die gebildeten Kreise der vornehmen Welt. Er
erklärte nur nach dem Beifall der ‚Guten‘ zu streben, wobei
freilich die Andeutung selten fehlte, daſs es durchaus nicht an-
ständig sei Kunstwerke zu miſsachten, die den Beifall der ‚Weni-

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[416/0426] VIERTES BUCH. KAPITEL XIII. aus nur dazu da um von den Söhnen gefoppt und geprellt zu werden; bei Terenz wird im ‚Selbstquäler‘ der verlorene Sohn durch väterliche Weisheit gebessert und wie er überhaupt voll trefflicher Pädagogik ist, geht in dem vorzüglichsten seiner Stücke, den ‚Brüdern‘, die Pointe darauf hinaus zwischen der allzu libe- ralen Onkel- und der allzu rigorosen Vatererziehung die rechte Mitte zu finden. Plautus erträgt sehr widerwillig die strenge rö- mische Bühnencensur und haut ihr nicht selten über die Schnur; Terenz bezeichnet vielmehr als seinen Zweck den Guten zu ge- fallen und, wie Menandros, Niemand zu verletzen. Plautus liebt den raschen, oft lärmigen Dialog und es gehört zu seinen Stücken die lebhafteste Mimik der Schauspieler; Terenz beschränkte sich auf ‚ruhiges Gespräch‘ und gab seinen Schauspielern Masken. Plautus Sprache flieſst über von burlesken Wendungen und Wort- witzen, von Allitterationen, von komischen Neubildungen, aristo- phanischen Wörterverklitterungen, spaſshaft entlehnten griechi- schen Schlagwörtern. Dergleichen Capricci kennt Terenz nicht: sein Dialog bewegt sich im reinsten Ebenmaſs und die Pointen sind zierliche epigrammatische und sententiöse Wendungen. Die elegante Sprache war der Stolz des Dichters und ihrem unnach- ahmlichen Reiz vor allem verdankte er es, daſs die feinsten Kunst- richter der Folgezeit, wie Cicero, Caesar, Quintilian, unter allen römischen Dichtern der republikanischen Zeit ihm den Preis zuerkannten. Allerdings sind all seine Vorzüge und Fehler nichts weniger als originell, sondern Zug für Zug copirt nach Menan- dros; aber darum nicht minder ward durch diese erste künstle- risch reine Nachbildung hellenischer Kunstwerke eine neue Aera in der römischen Litteratur bezeichnet und zum Theil begründet. Im entschiedensten litterarischen Krieg brach die moderne Ko- mödie sich Bahn. Die plautinische Dichtweise hatte in dem rö- mischen Bürgerstand Wurzel gefaſst; die terenzischen Lustspiele stieſsen auf den lebhaftesten Widerstand bei dem Publicum, das ihre ‚matte Sprache‘, ihren ‚schwachen Stil‘ unleidlich fand. Der wie es scheint ziemlich empfindliche Dichter antwortete in den eigentlich keineswegs hiezu bestimmten Prologen mit Antikriti- ken voll defensiver und offensiver Polemik und stützte sich ge- gen die Stimmung der Menge, die aus seiner ‚Schwiegermutter‘ zweimal weggelaufen war um einer Fechter- und Seiltänzerbande zuzusehen, auf die gebildeten Kreise der vornehmen Welt. Er erklärte nur nach dem Beifall der ‚Guten‘ zu streben, wobei freilich die Andeutung selten fehlte, daſs es durchaus nicht an- ständig sei Kunstwerke zu miſsachten, die den Beifall der ‚Weni-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/426>, abgerufen am 17.05.2024.