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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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DIE SULLANISCHE VERFASSUNG.
und noch nach der Schlacht am collinischen Thor ernstlichen
Widerstand geleistet hatten, auf Etrurien und Samnium. Dort
traf die Gesammtconfiscation eine Reihe der ansehnlichsten Com-
munen, zum Beispiel Florentia, Faesulae, Arretium, Volaterrae,
Spoletium. Von Samniums Schicksal ward schon gesprochen;
hier ward nicht confiscirt, sondern das Land für immer verwüstet,
seine blühenden Städte, selbst Aesernia, öde gelegt und die Land-
schaft der bruttischen und lucanischen gleichgestellt. Diese Mass-
regeln, die weit schwerer und weit folgenreicher waren als die
persönlichen Proscriptionen, formell zu motiviren hielt nicht
schwer; hatten doch all diese Gemeinden staatsrechtlich bis da-
hin die Souveränetät gehabt und konnten desshalb so gut wie die
Gemeinden, die sich Hannibal angeschlossen hatten, nach der
Ueberwindung nach Kriegsrecht behandelt werden. Der prakti-
sche Zweck aber dieser ungeheuren Confiscationen war die An-
siedlung der Soldaten des siegreichen Heeres, wozu theils die den
ehemaligen Bundesgenossengemeinden zugewiesenen jetzt durch
deren Aufnahme in den römischen Gemeindeverband disponibel
gewordenen Domanialländereien, theils die eingezogenen Feldmar-
ken der straffälligen Gemeinden verwandt wurden. Die meisten
dieser neuen Ansiedlungen kamen nach Etrurien, zum Beispiel
nach Faesulae und Arretium, andere nach Latium und Campanien,
wie unter andern Praeneste und Pompeii; Samnium wieder zu
bevölkern lag, wie gesagt, nicht in der Absicht des Regenten.
Ein grosser Theil dieser Assignationen erfolgte in gracchanischer
Weise, so dass die Angesiedelten zu einer schon bestehenden
Stadtgemeinde hinzutraten. Wie umfassend die Ansiedlung war,
zeigt die Zahl der vertheilten Landloose, die auf 120000 angege-
ben wird; wobei dennoch einzelne Ackercomplexe anderweitig ver-
wandt wurden, wie zum Beispiel der Dianentempel auf dem Berg
Tifata mit Ländereien beschenkt ward, andere, wie die volaterra-
nische Mark und ein Theil der arretinischen, unvertheilt blieben,
andere endlich nach dem alten gesetzlich untersagten (S. 122),
aber jetzt wieder auftauchenden Missbrauch von Sullas Günstlin-
gen nach Occupationsrecht eingenommen wurden. Die Zwecke,
die Sulla bei dieser Colonisation verfolgte, waren mannigfacher
Art. Zunächst löste er damit seinen Soldaten die gegebene Zu-
sicherung. Ferner nahm er durch sie den Gedanken auf, in dem
die Reformpartei und die gemässigten Conservativen zusammen-
trafen und dem gemäss er selbst schon im J. 666 die Gründung
einer Anzahl von Colonien angeordnet hatte: die Zahl der acker-
bauenden Kleinbesitzer in Italien zu vermehren; wie ernstlich ihm

DIE SULLANISCHE VERFASSUNG.
und noch nach der Schlacht am collinischen Thor ernstlichen
Widerstand geleistet hatten, auf Etrurien und Samnium. Dort
traf die Gesammtconfiscation eine Reihe der ansehnlichsten Com-
munen, zum Beispiel Florentia, Faesulae, Arretium, Volaterrae,
Spoletium. Von Samniums Schicksal ward schon gesprochen;
hier ward nicht confiscirt, sondern das Land für immer verwüstet,
seine blühenden Städte, selbst Aesernia, öde gelegt und die Land-
schaft der bruttischen und lucanischen gleichgestellt. Diese Maſs-
regeln, die weit schwerer und weit folgenreicher waren als die
persönlichen Proscriptionen, formell zu motiviren hielt nicht
schwer; hatten doch all diese Gemeinden staatsrechtlich bis da-
hin die Souveränetät gehabt und konnten deſshalb so gut wie die
Gemeinden, die sich Hannibal angeschlossen hatten, nach der
Ueberwindung nach Kriegsrecht behandelt werden. Der prakti-
sche Zweck aber dieser ungeheuren Confiscationen war die An-
siedlung der Soldaten des siegreichen Heeres, wozu theils die den
ehemaligen Bundesgenossengemeinden zugewiesenen jetzt durch
deren Aufnahme in den römischen Gemeindeverband disponibel
gewordenen Domanialländereien, theils die eingezogenen Feldmar-
ken der straffälligen Gemeinden verwandt wurden. Die meisten
dieser neuen Ansiedlungen kamen nach Etrurien, zum Beispiel
nach Faesulae und Arretium, andere nach Latium und Campanien,
wie unter andern Praeneste und Pompeii; Samnium wieder zu
bevölkern lag, wie gesagt, nicht in der Absicht des Regenten.
Ein groſser Theil dieser Assignationen erfolgte in gracchanischer
Weise, so daſs die Angesiedelten zu einer schon bestehenden
Stadtgemeinde hinzutraten. Wie umfassend die Ansiedlung war,
zeigt die Zahl der vertheilten Landloose, die auf 120000 angege-
ben wird; wobei dennoch einzelne Ackercomplexe anderweitig ver-
wandt wurden, wie zum Beispiel der Dianentempel auf dem Berg
Tifata mit Ländereien beschenkt ward, andere, wie die volaterra-
nische Mark und ein Theil der arretinischen, unvertheilt blieben,
andere endlich nach dem alten gesetzlich untersagten (S. 122),
aber jetzt wieder auftauchenden Miſsbrauch von Sullas Günstlin-
gen nach Occupationsrecht eingenommen wurden. Die Zwecke,
die Sulla bei dieser Colonisation verfolgte, waren mannigfacher
Art. Zunächst löste er damit seinen Soldaten die gegebene Zu-
sicherung. Ferner nahm er durch sie den Gedanken auf, in dem
die Reformpartei und die gemäſsigten Conservativen zusammen-
trafen und dem gemäſs er selbst schon im J. 666 die Gründung
einer Anzahl von Colonien angeordnet hatte: die Zahl der acker-
bauenden Kleinbesitzer in Italien zu vermehren; wie ernstlich ihm

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[331/0341] DIE SULLANISCHE VERFASSUNG. und noch nach der Schlacht am collinischen Thor ernstlichen Widerstand geleistet hatten, auf Etrurien und Samnium. Dort traf die Gesammtconfiscation eine Reihe der ansehnlichsten Com- munen, zum Beispiel Florentia, Faesulae, Arretium, Volaterrae, Spoletium. Von Samniums Schicksal ward schon gesprochen; hier ward nicht confiscirt, sondern das Land für immer verwüstet, seine blühenden Städte, selbst Aesernia, öde gelegt und die Land- schaft der bruttischen und lucanischen gleichgestellt. Diese Maſs- regeln, die weit schwerer und weit folgenreicher waren als die persönlichen Proscriptionen, formell zu motiviren hielt nicht schwer; hatten doch all diese Gemeinden staatsrechtlich bis da- hin die Souveränetät gehabt und konnten deſshalb so gut wie die Gemeinden, die sich Hannibal angeschlossen hatten, nach der Ueberwindung nach Kriegsrecht behandelt werden. Der prakti- sche Zweck aber dieser ungeheuren Confiscationen war die An- siedlung der Soldaten des siegreichen Heeres, wozu theils die den ehemaligen Bundesgenossengemeinden zugewiesenen jetzt durch deren Aufnahme in den römischen Gemeindeverband disponibel gewordenen Domanialländereien, theils die eingezogenen Feldmar- ken der straffälligen Gemeinden verwandt wurden. Die meisten dieser neuen Ansiedlungen kamen nach Etrurien, zum Beispiel nach Faesulae und Arretium, andere nach Latium und Campanien, wie unter andern Praeneste und Pompeii; Samnium wieder zu bevölkern lag, wie gesagt, nicht in der Absicht des Regenten. Ein groſser Theil dieser Assignationen erfolgte in gracchanischer Weise, so daſs die Angesiedelten zu einer schon bestehenden Stadtgemeinde hinzutraten. Wie umfassend die Ansiedlung war, zeigt die Zahl der vertheilten Landloose, die auf 120000 angege- ben wird; wobei dennoch einzelne Ackercomplexe anderweitig ver- wandt wurden, wie zum Beispiel der Dianentempel auf dem Berg Tifata mit Ländereien beschenkt ward, andere, wie die volaterra- nische Mark und ein Theil der arretinischen, unvertheilt blieben, andere endlich nach dem alten gesetzlich untersagten (S. 122), aber jetzt wieder auftauchenden Miſsbrauch von Sullas Günstlin- gen nach Occupationsrecht eingenommen wurden. Die Zwecke, die Sulla bei dieser Colonisation verfolgte, waren mannigfacher Art. Zunächst löste er damit seinen Soldaten die gegebene Zu- sicherung. Ferner nahm er durch sie den Gedanken auf, in dem die Reformpartei und die gemäſsigten Conservativen zusammen- trafen und dem gemäſs er selbst schon im J. 666 die Gründung einer Anzahl von Colonien angeordnet hatte: die Zahl der acker- bauenden Kleinbesitzer in Italien zu vermehren; wie ernstlich ihm

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/341>, abgerufen am 25.11.2024.