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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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VIERTES BUCH. KAPITEL IX.
demokratischen Lager sich einstellten. So erschien der feine
und angesehene Lucius Philippus, nebst ein paar notorisch un-
fähigen Leuten der einzige Consular, der mit der revolutionären
Regierung sich eingelassen und unter ihr Aemter angenommen
hatte; er fand bei Sulla die zuvorkommendste Aufnahme und er-
hielt den ehrenvollen und bequemen Auftrag die Provinz Sardi-
nien für ihn zu besetzen. Ebenso wurden Quintus Lucretius Ofella
und andere brauchbare Offiziere empfangen und sofort beschäf-
tigt; selbst Publius Cethegus, einer der nach der sulpicischen
Emeute von Sulla geächteten Senatoren, erhielt Verzeihung und
eine Stellung im Heer. Wichtiger noch als diese einzelnen Ueber-
tritte war der der Landschaft Picenum, der wesentlich dem Sohne
des Strabo, dem jungen Gnaeus Pompeius verdankt ward. Die-
ser, gleich seinem Vater von Haus aus kein Anhänger der Oligar-
chie, hatte die revolutionäre Regierung anerkannt und sogar in
Cinnas Heer Dienste genommen; allein es ward ihm nicht ver-
gessen, dass sein Vater die Waffen gegen die Revolution getragen
hatte und er sah sich vielfach angefeindet, ja sogar durch die An-
klage auf Herausgabe der nach der Einnahme von Asculum von
seinem Vater wirklich oder angeblich unterschlagenen Beute mit
dem Verlust seines sehr beträchtlichen Vermögens bedroht.
Zwar wendete mehr als die Beredsamkeit des Consulars Lucius
Philippus und des jungen Lucius Hortensius der Schutz des ihm
persönlich gewogenen Consuls Carbo den ökonomischen Ruin
von ihm ab; aber die Verstimmung blieb. Auf die Nachricht von
Sullas Landung ging er nach Picenum, wo er ausgedehnte Be-
sitzungen und von seinem Vater und dem Bundsgenossenkriege
her die besten municipalen Verbindungen hatte und pflanzte in
Auximum (Osimo) die Fahne der optimatischen Partei auf. Die
Landschaft, die meistens von Altbürgern bewohnt war, fiel ihm zu;
die junge Mannschaft, welche grossentheils mit ihm unter seinem
Vater gedient hatte, stellte sich bereitwillig unter den beherzten
Führer, der, noch nicht dreiundzwanzigjährig, ebenso sehr Sol-
dat wie General war, im Reitergefecht den Seinen voransprengte
und tüchtig mit in den Feind einhieb. Das picenische Freiwilli-
gencorps wuchs bald auf drei Legionen; den aus der Hauptstadt
zur Dämpfung der picenischen Insurrection ausgesandten Abthei-
lungen unter Cloelius, Gaius Albius Carrinas, Lucius Junius Bru-
tus Damasippus * wusste der improvisirte Feldherr, die unter

* Nur an diesen kann hier gedacht werden, da Marcus Brutus der Va-
ter des sogenannten Befreiers im J. 671 Volkstribun war, also nicht im
Felde commandiren konnte.

VIERTES BUCH. KAPITEL IX.
demokratischen Lager sich einstellten. So erschien der feine
und angesehene Lucius Philippus, nebst ein paar notorisch un-
fähigen Leuten der einzige Consular, der mit der revolutionären
Regierung sich eingelassen und unter ihr Aemter angenommen
hatte; er fand bei Sulla die zuvorkommendste Aufnahme und er-
hielt den ehrenvollen und bequemen Auftrag die Provinz Sardi-
nien für ihn zu besetzen. Ebenso wurden Quintus Lucretius Ofella
und andere brauchbare Offiziere empfangen und sofort beschäf-
tigt; selbst Publius Cethegus, einer der nach der sulpicischen
Emeute von Sulla geächteten Senatoren, erhielt Verzeihung und
eine Stellung im Heer. Wichtiger noch als diese einzelnen Ueber-
tritte war der der Landschaft Picenum, der wesentlich dem Sohne
des Strabo, dem jungen Gnaeus Pompeius verdankt ward. Die-
ser, gleich seinem Vater von Haus aus kein Anhänger der Oligar-
chie, hatte die revolutionäre Regierung anerkannt und sogar in
Cinnas Heer Dienste genommen; allein es ward ihm nicht ver-
gessen, daſs sein Vater die Waffen gegen die Revolution getragen
hatte und er sah sich vielfach angefeindet, ja sogar durch die An-
klage auf Herausgabe der nach der Einnahme von Asculum von
seinem Vater wirklich oder angeblich unterschlagenen Beute mit
dem Verlust seines sehr beträchtlichen Vermögens bedroht.
Zwar wendete mehr als die Beredsamkeit des Consulars Lucius
Philippus und des jungen Lucius Hortensius der Schutz des ihm
persönlich gewogenen Consuls Carbo den ökonomischen Ruin
von ihm ab; aber die Verstimmung blieb. Auf die Nachricht von
Sullas Landung ging er nach Picenum, wo er ausgedehnte Be-
sitzungen und von seinem Vater und dem Bundsgenossenkriege
her die besten municipalen Verbindungen hatte und pflanzte in
Auximum (Osimo) die Fahne der optimatischen Partei auf. Die
Landschaft, die meistens von Altbürgern bewohnt war, fiel ihm zu;
die junge Mannschaft, welche groſsentheils mit ihm unter seinem
Vater gedient hatte, stellte sich bereitwillig unter den beherzten
Führer, der, noch nicht dreiundzwanzigjährig, ebenso sehr Sol-
dat wie General war, im Reitergefecht den Seinen voransprengte
und tüchtig mit in den Feind einhieb. Das picenische Freiwilli-
gencorps wuchs bald auf drei Legionen; den aus der Hauptstadt
zur Dämpfung der picenischen Insurrection ausgesandten Abthei-
lungen unter Cloelius, Gaius Albius Carrinas, Lucius Junius Bru-
tus Damasippus * wuſste der improvisirte Feldherr, die unter

* Nur an diesen kann hier gedacht werden, da Marcus Brutus der Va-
ter des sogenannten Befreiers im J. 671 Volkstribun war, also nicht im
Felde commandiren konnte.
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[308/0318] VIERTES BUCH. KAPITEL IX. demokratischen Lager sich einstellten. So erschien der feine und angesehene Lucius Philippus, nebst ein paar notorisch un- fähigen Leuten der einzige Consular, der mit der revolutionären Regierung sich eingelassen und unter ihr Aemter angenommen hatte; er fand bei Sulla die zuvorkommendste Aufnahme und er- hielt den ehrenvollen und bequemen Auftrag die Provinz Sardi- nien für ihn zu besetzen. Ebenso wurden Quintus Lucretius Ofella und andere brauchbare Offiziere empfangen und sofort beschäf- tigt; selbst Publius Cethegus, einer der nach der sulpicischen Emeute von Sulla geächteten Senatoren, erhielt Verzeihung und eine Stellung im Heer. Wichtiger noch als diese einzelnen Ueber- tritte war der der Landschaft Picenum, der wesentlich dem Sohne des Strabo, dem jungen Gnaeus Pompeius verdankt ward. Die- ser, gleich seinem Vater von Haus aus kein Anhänger der Oligar- chie, hatte die revolutionäre Regierung anerkannt und sogar in Cinnas Heer Dienste genommen; allein es ward ihm nicht ver- gessen, daſs sein Vater die Waffen gegen die Revolution getragen hatte und er sah sich vielfach angefeindet, ja sogar durch die An- klage auf Herausgabe der nach der Einnahme von Asculum von seinem Vater wirklich oder angeblich unterschlagenen Beute mit dem Verlust seines sehr beträchtlichen Vermögens bedroht. Zwar wendete mehr als die Beredsamkeit des Consulars Lucius Philippus und des jungen Lucius Hortensius der Schutz des ihm persönlich gewogenen Consuls Carbo den ökonomischen Ruin von ihm ab; aber die Verstimmung blieb. Auf die Nachricht von Sullas Landung ging er nach Picenum, wo er ausgedehnte Be- sitzungen und von seinem Vater und dem Bundsgenossenkriege her die besten municipalen Verbindungen hatte und pflanzte in Auximum (Osimo) die Fahne der optimatischen Partei auf. Die Landschaft, die meistens von Altbürgern bewohnt war, fiel ihm zu; die junge Mannschaft, welche groſsentheils mit ihm unter seinem Vater gedient hatte, stellte sich bereitwillig unter den beherzten Führer, der, noch nicht dreiundzwanzigjährig, ebenso sehr Sol- dat wie General war, im Reitergefecht den Seinen voransprengte und tüchtig mit in den Feind einhieb. Das picenische Freiwilli- gencorps wuchs bald auf drei Legionen; den aus der Hauptstadt zur Dämpfung der picenischen Insurrection ausgesandten Abthei- lungen unter Cloelius, Gaius Albius Carrinas, Lucius Junius Bru- tus Damasippus * wuſste der improvisirte Feldherr, die unter * Nur an diesen kann hier gedacht werden, da Marcus Brutus der Va- ter des sogenannten Befreiers im J. 671 Volkstribun war, also nicht im Felde commandiren konnte.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/318>, abgerufen am 22.05.2024.