menen Römer, unter ihnen des Statthalters Lucius Cassius, wurde von Mithradates zu Wasser und zu Lande mit ungeheurer Ueber- macht angegriffen. Aber seine Seeleute, so muthig sie unter den Augen des Königs ihre Pflicht thaten, waren ungeschickte Neulinge und es kam vor, dass rhodische Geschwader vier- fach stärkere pontische überwanden und mit erbeuteten Schiffen heimkehrten. Auch zu Lande rückte die Belagerung nicht vor; nachdem ein Theil der Arbeiten zerstört worden war, gab Mithra- dates das Unternehmen auf und die wichtige Insel so wie das gegenüberliegende Festland blieben in den Händen der Römer.
Wenn also die asiatische Provinz grösstentheils in Folge der zur ungelegensten Zeit ausbrechenden sulpicischen Revolu- tion fast unvertheidigt von Mithradates besetzt ward, so richtete sich zugleich schon sein Angriff gegen Europa. Schon seit dem J. 662 hatten die Grenznachbarn Makedoniens gegen Norden und Osten ihre Einfälle mit auffallender Heftigkeit und Stetigkeit er- neuert; namentlich in den Jahren 664. 665 überrannten die Thra- ker Makedonien und ganz Epeiros und plünderten den Tempel von Dodona. Noch auffallender ist es, dass damit noch einmal ein Versuch verbunden ward einen gewissen Euphenes als Prä- tendenten auf den makedonischen Thron aufzustellen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Mithradates, der von der Krim aus Verbindungen mit den Thrakern unterhielt, all diesen Vorgängen nicht fremd war. Zwar erwehrte sich der Praetor Gaius Sentius mit Hülfe der thrakischen Dentheleten dieser Eingedrungenen; allein es dauerte nicht lange, dass mächtigere Gegner ihm kamen. Mithradates hatte, fortgerissen von seinen Erfolgen, den kühnen Entschluss gefasst wie Antiochos den Krieg um die Herrschaft über Asien in Griechenland zur Entscheidung zu bringen und zu Lande und zur See den Kern seiner Truppen dorthin dirigirt. Sein Sohn Ariarathes drang von Thrakien aus in das schwach vertheidigte Makedonien ein, unterwegs die Landschaft unter- werfend und in pontische Satrapien eintheilend. Die pontische Flotte, geführt von Mithradats bestem Feldherrn Archelaos, er- schien im aegaeischen Meer, wo kaum ein römisches Segel zu finden war. Delos, der Stapelplatz des römischen Handels in die- sen Gewässern, ward besetzt und bei 20000 Menschen, grössten- theils Italiker, daselbst niedergemetzelt; Euboea erlitt ein glei- ches Schicksal; bald waren östlich vom malischen Vorgebirg alle Inseln in Feindes Hand; man konnte weiter gehen zum Angriff auf das Festland selbst. Zwar den Angriff, den die pontische Flotte von Euboea aus auf das wichtige Demetrias machte, schlug
18*
DER OSTEN UND KÖNIG MITHRADATES.
menen Römer, unter ihnen des Statthalters Lucius Cassius, wurde von Mithradates zu Wasser und zu Lande mit ungeheurer Ueber- macht angegriffen. Aber seine Seeleute, so muthig sie unter den Augen des Königs ihre Pflicht thaten, waren ungeschickte Neulinge und es kam vor, daſs rhodische Geschwader vier- fach stärkere pontische überwanden und mit erbeuteten Schiffen heimkehrten. Auch zu Lande rückte die Belagerung nicht vor; nachdem ein Theil der Arbeiten zerstört worden war, gab Mithra- dates das Unternehmen auf und die wichtige Insel so wie das gegenüberliegende Festland blieben in den Händen der Römer.
Wenn also die asiatische Provinz gröſstentheils in Folge der zur ungelegensten Zeit ausbrechenden sulpicischen Revolu- tion fast unvertheidigt von Mithradates besetzt ward, so richtete sich zugleich schon sein Angriff gegen Europa. Schon seit dem J. 662 hatten die Grenznachbarn Makedoniens gegen Norden und Osten ihre Einfälle mit auffallender Heftigkeit und Stetigkeit er- neuert; namentlich in den Jahren 664. 665 überrannten die Thra- ker Makedonien und ganz Epeiros und plünderten den Tempel von Dodona. Noch auffallender ist es, daſs damit noch einmal ein Versuch verbunden ward einen gewissen Euphenes als Prä- tendenten auf den makedonischen Thron aufzustellen. Es ist sehr wahrscheinlich, daſs Mithradates, der von der Krim aus Verbindungen mit den Thrakern unterhielt, all diesen Vorgängen nicht fremd war. Zwar erwehrte sich der Praetor Gaius Sentius mit Hülfe der thrakischen Dentheleten dieser Eingedrungenen; allein es dauerte nicht lange, daſs mächtigere Gegner ihm kamen. Mithradates hatte, fortgerissen von seinen Erfolgen, den kühnen Entschluſs gefaſst wie Antiochos den Krieg um die Herrschaft über Asien in Griechenland zur Entscheidung zu bringen und zu Lande und zur See den Kern seiner Truppen dorthin dirigirt. Sein Sohn Ariarathes drang von Thrakien aus in das schwach vertheidigte Makedonien ein, unterwegs die Landschaft unter- werfend und in pontische Satrapien eintheilend. Die pontische Flotte, geführt von Mithradats bestem Feldherrn Archelaos, er- schien im aegaeischen Meer, wo kaum ein römisches Segel zu finden war. Delos, der Stapelplatz des römischen Handels in die- sen Gewässern, ward besetzt und bei 20000 Menschen, gröſsten- theils Italiker, daselbst niedergemetzelt; Euboea erlitt ein glei- ches Schicksal; bald waren östlich vom malischen Vorgebirg alle Inseln in Feindes Hand; man konnte weiter gehen zum Angriff auf das Festland selbst. Zwar den Angriff, den die pontische Flotte von Euboea aus auf das wichtige Demetrias machte, schlug
18*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0285"n="275"/><fwplace="top"type="header">DER OSTEN UND KÖNIG MITHRADATES.</fw><lb/>
menen Römer, unter ihnen des Statthalters Lucius Cassius, wurde<lb/>
von Mithradates zu Wasser und zu Lande mit ungeheurer Ueber-<lb/>
macht angegriffen. Aber seine Seeleute, so muthig sie unter<lb/>
den Augen des Königs ihre Pflicht thaten, waren ungeschickte<lb/>
Neulinge und es kam vor, daſs rhodische Geschwader vier-<lb/>
fach stärkere pontische überwanden und mit erbeuteten Schiffen<lb/>
heimkehrten. Auch zu Lande rückte die Belagerung nicht vor;<lb/>
nachdem ein Theil der Arbeiten zerstört worden war, gab Mithra-<lb/>
dates das Unternehmen auf und die wichtige Insel so wie das<lb/>
gegenüberliegende Festland blieben in den Händen der Römer.</p><lb/><p>Wenn also die asiatische Provinz gröſstentheils in Folge<lb/>
der zur ungelegensten Zeit ausbrechenden sulpicischen Revolu-<lb/>
tion fast unvertheidigt von Mithradates besetzt ward, so richtete<lb/>
sich zugleich schon sein Angriff gegen Europa. Schon seit dem<lb/>
J. 662 hatten die Grenznachbarn Makedoniens gegen Norden und<lb/>
Osten ihre Einfälle mit auffallender Heftigkeit und Stetigkeit er-<lb/>
neuert; namentlich in den Jahren 664. 665 überrannten die Thra-<lb/>
ker Makedonien und ganz Epeiros und plünderten den Tempel<lb/>
von Dodona. Noch auffallender ist es, daſs damit noch einmal<lb/>
ein Versuch verbunden ward einen gewissen Euphenes als Prä-<lb/>
tendenten auf den makedonischen Thron aufzustellen. Es ist<lb/>
sehr wahrscheinlich, daſs Mithradates, der von der Krim aus<lb/>
Verbindungen mit den Thrakern unterhielt, all diesen Vorgängen<lb/>
nicht fremd war. Zwar erwehrte sich der Praetor Gaius Sentius<lb/>
mit Hülfe der thrakischen Dentheleten dieser Eingedrungenen;<lb/>
allein es dauerte nicht lange, daſs mächtigere Gegner ihm kamen.<lb/>
Mithradates hatte, fortgerissen von seinen Erfolgen, den kühnen<lb/>
Entschluſs gefaſst wie Antiochos den Krieg um die Herrschaft<lb/>
über Asien in Griechenland zur Entscheidung zu bringen und zu<lb/>
Lande und zur See den Kern seiner Truppen dorthin dirigirt.<lb/>
Sein Sohn Ariarathes drang von Thrakien aus in das schwach<lb/>
vertheidigte Makedonien ein, unterwegs die Landschaft unter-<lb/>
werfend und in pontische Satrapien eintheilend. Die pontische<lb/>
Flotte, geführt von Mithradats bestem Feldherrn Archelaos, er-<lb/>
schien im aegaeischen Meer, wo kaum ein römisches Segel zu<lb/>
finden war. Delos, der Stapelplatz des römischen Handels in die-<lb/>
sen Gewässern, ward besetzt und bei 20000 Menschen, gröſsten-<lb/>
theils Italiker, daselbst niedergemetzelt; Euboea erlitt ein glei-<lb/>
ches Schicksal; bald waren östlich vom malischen Vorgebirg alle<lb/>
Inseln in Feindes Hand; man konnte weiter gehen zum Angriff<lb/>
auf das Festland selbst. Zwar den Angriff, den die pontische<lb/>
Flotte von Euboea aus auf das wichtige Demetrias machte, schlug<lb/><fwplace="bottom"type="sig">18*</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[275/0285]
DER OSTEN UND KÖNIG MITHRADATES.
menen Römer, unter ihnen des Statthalters Lucius Cassius, wurde
von Mithradates zu Wasser und zu Lande mit ungeheurer Ueber-
macht angegriffen. Aber seine Seeleute, so muthig sie unter
den Augen des Königs ihre Pflicht thaten, waren ungeschickte
Neulinge und es kam vor, daſs rhodische Geschwader vier-
fach stärkere pontische überwanden und mit erbeuteten Schiffen
heimkehrten. Auch zu Lande rückte die Belagerung nicht vor;
nachdem ein Theil der Arbeiten zerstört worden war, gab Mithra-
dates das Unternehmen auf und die wichtige Insel so wie das
gegenüberliegende Festland blieben in den Händen der Römer.
Wenn also die asiatische Provinz gröſstentheils in Folge
der zur ungelegensten Zeit ausbrechenden sulpicischen Revolu-
tion fast unvertheidigt von Mithradates besetzt ward, so richtete
sich zugleich schon sein Angriff gegen Europa. Schon seit dem
J. 662 hatten die Grenznachbarn Makedoniens gegen Norden und
Osten ihre Einfälle mit auffallender Heftigkeit und Stetigkeit er-
neuert; namentlich in den Jahren 664. 665 überrannten die Thra-
ker Makedonien und ganz Epeiros und plünderten den Tempel
von Dodona. Noch auffallender ist es, daſs damit noch einmal
ein Versuch verbunden ward einen gewissen Euphenes als Prä-
tendenten auf den makedonischen Thron aufzustellen. Es ist
sehr wahrscheinlich, daſs Mithradates, der von der Krim aus
Verbindungen mit den Thrakern unterhielt, all diesen Vorgängen
nicht fremd war. Zwar erwehrte sich der Praetor Gaius Sentius
mit Hülfe der thrakischen Dentheleten dieser Eingedrungenen;
allein es dauerte nicht lange, daſs mächtigere Gegner ihm kamen.
Mithradates hatte, fortgerissen von seinen Erfolgen, den kühnen
Entschluſs gefaſst wie Antiochos den Krieg um die Herrschaft
über Asien in Griechenland zur Entscheidung zu bringen und zu
Lande und zur See den Kern seiner Truppen dorthin dirigirt.
Sein Sohn Ariarathes drang von Thrakien aus in das schwach
vertheidigte Makedonien ein, unterwegs die Landschaft unter-
werfend und in pontische Satrapien eintheilend. Die pontische
Flotte, geführt von Mithradats bestem Feldherrn Archelaos, er-
schien im aegaeischen Meer, wo kaum ein römisches Segel zu
finden war. Delos, der Stapelplatz des römischen Handels in die-
sen Gewässern, ward besetzt und bei 20000 Menschen, gröſsten-
theils Italiker, daselbst niedergemetzelt; Euboea erlitt ein glei-
ches Schicksal; bald waren östlich vom malischen Vorgebirg alle
Inseln in Feindes Hand; man konnte weiter gehen zum Angriff
auf das Festland selbst. Zwar den Angriff, den die pontische
Flotte von Euboea aus auf das wichtige Demetrias machte, schlug
18*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/285>, abgerufen am 08.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.