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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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SULPICISCHE REVOLUTION.
an der Mündung des Garigliano. Hier zeigten sich in der Ferne
die verfolgenden Reiter; mit genauer Noth ward das Ufer erreicht
und ein dort liegendes Handelsschiff entzog ihn seinen Verfol-
gern; allein die ängstlichen Schiffer legten bald wieder an und
suchten das Weite, während Marius am Strande schlief. In dem
Strandsumpf von Minturnae, bis zum Gürtel im Schlamm ver-
sunken und das Haupt unter einem Schilfhaufen verborgen, fan-
den ihn seine Verfolger und lieferten ihn ab an die Stadtbehörde
von Minturnae. Er ward ins Gefängniss gelegt und der Stadtbüt-
tel, ein kimbrischer Sclave, gesandt ihn hinzurichten; allein der
Deutsche erschrak vor den blitzenden Augen seines alten Besie-
gers und das Beil entsank ihm, als der General mit seiner ge-
waltigen Stimme ihn anherrschte, ob er der Mann sei den Gaius
Marius zu tödten. Als man dies vernahm, ergriff die Beamten
von Minturnae die Scham, dass der Retter Roms grössere Ehr-
furcht finde bei den Sclaven, denen er die Knechtschaft, als bei
den Mitbürgern, denen er die Freiheit gebracht hatte; sie lösten
seine Fesseln, gaben ihm Schiff und Reisegeld und sandten ihn
nach Aenaria (Ischia). Die Verbannten mit Ausnahme des Sul-
picius fanden in diesen Gewässern sich allmählich zusammen;
sie liefen am Eryx und bei dem ehemaligen Karthago an, allein
die römischen Beamten wiesen sie in Sicilien wie in Africa zu-
rück. So entrannen sie nach Numidien, dessen öde Stranddünen
ihnen einen Zufluchtsort für den Winter gewährten; allein der
König Hiempsal, den sie zu gewinnen hofften und der auch eine
Zeitlang sich die Miene gegeben hatte mit ihnen sich verbinden
zu wollen, hatte es nur gethan, um sie sicherer zu verderben und
versuchte jetzt sich ihrer Personen zu bemächtigen. Mit genauer
Noth entrannen die Flüchtlinge seinen Reitern und fanden vor-
läufig eine Zuflucht auf der kleinen Insel Kerkina (Kerkena) an der
tunesischen Küste. Wir wissen es nicht, ob Sulla seinem Glücks-
stern auch dafür dankte, dass es ihm erspart blieb den Kimbren-
sieger tödten zu lassen; wenigstens scheint es nicht, dass er die
minturnensischen Beamten hat bestrafen lassen. -- Wichtiger
indess als diese Massregeln der Reaction und der Rache war
eine Reihe von gesetzlichen Bestimmungen, die Sulla traf um
die vorhandenen Uebelstände zu beseitigen und künftige Umwäl-
zungen zu verhüten. Die bedrängte Lage der Schuldner wurde,
wahrscheinlich durch Erneuerung der Vorschriften über das
Zinsmaximum *, verbessert, ferner die Ausführung einer Anzahl

* Klar ist es nicht, was das ,Zwölftelgesetz' der Consuln Sulla und

SULPICISCHE REVOLUTION.
an der Mündung des Garigliano. Hier zeigten sich in der Ferne
die verfolgenden Reiter; mit genauer Noth ward das Ufer erreicht
und ein dort liegendes Handelsschiff entzog ihn seinen Verfol-
gern; allein die ängstlichen Schiffer legten bald wieder an und
suchten das Weite, während Marius am Strande schlief. In dem
Strandsumpf von Minturnae, bis zum Gürtel im Schlamm ver-
sunken und das Haupt unter einem Schilfhaufen verborgen, fan-
den ihn seine Verfolger und lieferten ihn ab an die Stadtbehörde
von Minturnae. Er ward ins Gefängniſs gelegt und der Stadtbüt-
tel, ein kimbrischer Sclave, gesandt ihn hinzurichten; allein der
Deutsche erschrak vor den blitzenden Augen seines alten Besie-
gers und das Beil entsank ihm, als der General mit seiner ge-
waltigen Stimme ihn anherrschte, ob er der Mann sei den Gaius
Marius zu tödten. Als man dies vernahm, ergriff die Beamten
von Minturnae die Scham, daſs der Retter Roms gröſsere Ehr-
furcht finde bei den Sclaven, denen er die Knechtschaft, als bei
den Mitbürgern, denen er die Freiheit gebracht hatte; sie lösten
seine Fesseln, gaben ihm Schiff und Reisegeld und sandten ihn
nach Aenaria (Ischia). Die Verbannten mit Ausnahme des Sul-
picius fanden in diesen Gewässern sich allmählich zusammen;
sie liefen am Eryx und bei dem ehemaligen Karthago an, allein
die römischen Beamten wiesen sie in Sicilien wie in Africa zu-
rück. So entrannen sie nach Numidien, dessen öde Stranddünen
ihnen einen Zufluchtsort für den Winter gewährten; allein der
König Hiempsal, den sie zu gewinnen hofften und der auch eine
Zeitlang sich die Miene gegeben hatte mit ihnen sich verbinden
zu wollen, hatte es nur gethan, um sie sicherer zu verderben und
versuchte jetzt sich ihrer Personen zu bemächtigen. Mit genauer
Noth entrannen die Flüchtlinge seinen Reitern und fanden vor-
läufig eine Zuflucht auf der kleinen Insel Kerkina (Kerkena) an der
tunesischen Küste. Wir wissen es nicht, ob Sulla seinem Glücks-
stern auch dafür dankte, daſs es ihm erspart blieb den Kimbren-
sieger tödten zu lassen; wenigstens scheint es nicht, daſs er die
minturnensischen Beamten hat bestrafen lassen. — Wichtiger
indeſs als diese Maſsregeln der Reaction und der Rache war
eine Reihe von gesetzlichen Bestimmungen, die Sulla traf um
die vorhandenen Uebelstände zu beseitigen und künftige Umwäl-
zungen zu verhüten. Die bedrängte Lage der Schuldner wurde,
wahrscheinlich durch Erneuerung der Vorschriften über das
Zinsmaximum *, verbessert, ferner die Ausführung einer Anzahl

* Klar ist es nicht, was das ‚Zwölftelgesetz‘ der Consuln Sulla und
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[247/0257] SULPICISCHE REVOLUTION. an der Mündung des Garigliano. Hier zeigten sich in der Ferne die verfolgenden Reiter; mit genauer Noth ward das Ufer erreicht und ein dort liegendes Handelsschiff entzog ihn seinen Verfol- gern; allein die ängstlichen Schiffer legten bald wieder an und suchten das Weite, während Marius am Strande schlief. In dem Strandsumpf von Minturnae, bis zum Gürtel im Schlamm ver- sunken und das Haupt unter einem Schilfhaufen verborgen, fan- den ihn seine Verfolger und lieferten ihn ab an die Stadtbehörde von Minturnae. Er ward ins Gefängniſs gelegt und der Stadtbüt- tel, ein kimbrischer Sclave, gesandt ihn hinzurichten; allein der Deutsche erschrak vor den blitzenden Augen seines alten Besie- gers und das Beil entsank ihm, als der General mit seiner ge- waltigen Stimme ihn anherrschte, ob er der Mann sei den Gaius Marius zu tödten. Als man dies vernahm, ergriff die Beamten von Minturnae die Scham, daſs der Retter Roms gröſsere Ehr- furcht finde bei den Sclaven, denen er die Knechtschaft, als bei den Mitbürgern, denen er die Freiheit gebracht hatte; sie lösten seine Fesseln, gaben ihm Schiff und Reisegeld und sandten ihn nach Aenaria (Ischia). Die Verbannten mit Ausnahme des Sul- picius fanden in diesen Gewässern sich allmählich zusammen; sie liefen am Eryx und bei dem ehemaligen Karthago an, allein die römischen Beamten wiesen sie in Sicilien wie in Africa zu- rück. So entrannen sie nach Numidien, dessen öde Stranddünen ihnen einen Zufluchtsort für den Winter gewährten; allein der König Hiempsal, den sie zu gewinnen hofften und der auch eine Zeitlang sich die Miene gegeben hatte mit ihnen sich verbinden zu wollen, hatte es nur gethan, um sie sicherer zu verderben und versuchte jetzt sich ihrer Personen zu bemächtigen. Mit genauer Noth entrannen die Flüchtlinge seinen Reitern und fanden vor- läufig eine Zuflucht auf der kleinen Insel Kerkina (Kerkena) an der tunesischen Küste. Wir wissen es nicht, ob Sulla seinem Glücks- stern auch dafür dankte, daſs es ihm erspart blieb den Kimbren- sieger tödten zu lassen; wenigstens scheint es nicht, daſs er die minturnensischen Beamten hat bestrafen lassen. — Wichtiger indeſs als diese Maſsregeln der Reaction und der Rache war eine Reihe von gesetzlichen Bestimmungen, die Sulla traf um die vorhandenen Uebelstände zu beseitigen und künftige Umwäl- zungen zu verhüten. Die bedrängte Lage der Schuldner wurde, wahrscheinlich durch Erneuerung der Vorschriften über das Zinsmaximum *, verbessert, ferner die Ausführung einer Anzahl * Klar ist es nicht, was das ‚Zwölftelgesetz‘ der Consuln Sulla und

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/257>, abgerufen am 25.11.2024.