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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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EMPÖRUNG DER ITALIKER.
wechselndem Erfolg gefochten ward, hatte auch das picenische
Corps unter Strabo unglücklich und glücklich gestritten. Die In-
surgentenchefs Judacilius aus Asculum, Publius Vettius Cato und Ti-
tus Lafrenius hatten mit vereinten Kräften dasselbe angegriffen, es
geschlagen und gezwungen sich nach Firmum zu werfen, wo La-
frenius den Strabo belagert hielt, während Judacilius freie Hand
bekam um in Apulien einzurücken und Canusium, Venusia und
die sonstigen dort noch zu Rom haltenden Städte zum Uebertritt
zu bestimmen. Allein auf der entgegengesetzten Seite konnte
Servius Sulpicius nach seinem Sieg über die Paeligner sich nach
Picenum wenden um Strabo zu entsetzen. Lafrenius ward, wäh-
rend von vorn Strabo ihn angriff, von Sulpicius in den Rücken
gefasst und sein Lager in Brand gesteckt; er selber fiel, der Rest
seiner Truppen warf sich in aufgelöster Flucht nach Asculum.
So vollständig hatte im Picenischen die Lage der Dinge sich ge-
ändert, dass wie vorher die Römer auf Firmum, jetzt die Italiker
auf Asculum sich beschränkt sahen und der Krieg sich abermals
in eine Belagerung verwandelte. -- Endlich war im Laufe des
Jahres zu den beiden schwierigen und vielgetheilten Kriegen im
südlichen und mittleren Italien noch ein dritter in der nördlichen
Landschaft gekommen, indem die für Rom so gefährliche Lage
der Dinge nach den ersten Kriegsmonaten einen grossen Theil
der umbrischen und einzelne etruskische Gemeinden veranlasst
hatte, sich für die Insurrection zu erklären, so dass es nöthig
geworden war gegen die Umbrer den Aulus Plotius, gegen die Etrus-
ker den Lucius Porcius Cato zu entsenden. Hier indess stiessen die
Römer auf einen weit minder energischen Widerstand als im
marsischen und samnitischen Land und behaupteten das ent-
schiedenste Uebergewicht im Felde.

So ging das schwere erste Kriegsjahr zu Ende, militärisch
wie politisch trübe Erinnerungen und bedenkliche Aussichten
hinterlassend. Militärisch waren beide Armeen der Römer, die
marsische und die campanische, durch schwere Niederlagen ge-
schwächt und entmuthigt, die Nordarmee genöthigt vor allem
auf die Deckung der Hauptstadt bedacht zu sein, die Südarmee
bei Neapolis in ihren Communicationen ernstlich bedroht, da die
Insurgenten ohne viele Schwierigkeit aus dem marsischen oder
samnitischen Gebiet hervorbrechen und zwischen Rom und Ne-
apel sich festsetzen konnten, so dass man es nothwendig fand
wenigstens eine Postenkette von Cumae nach Rom zu ziehen.
Politisch hatte die Insurrection während dieses ersten Kampf-
jahres nach allen Seiten hin Boden gewonnen; der Uebertritt von

15*

EMPÖRUNG DER ITALIKER.
wechselndem Erfolg gefochten ward, hatte auch das picenische
Corps unter Strabo unglücklich und glücklich gestritten. Die In-
surgentenchefs Judacilius aus Asculum, Publius Vettius Cato und Ti-
tus Lafrenius hatten mit vereinten Kräften dasselbe angegriffen, es
geschlagen und gezwungen sich nach Firmum zu werfen, wo La-
frenius den Strabo belagert hielt, während Judacilius freie Hand
bekam um in Apulien einzurücken und Canusium, Venusia und
die sonstigen dort noch zu Rom haltenden Städte zum Uebertritt
zu bestimmen. Allein auf der entgegengesetzten Seite konnte
Servius Sulpicius nach seinem Sieg über die Paeligner sich nach
Picenum wenden um Strabo zu entsetzen. Lafrenius ward, wäh-
rend von vorn Strabo ihn angriff, von Sulpicius in den Rücken
gefaſst und sein Lager in Brand gesteckt; er selber fiel, der Rest
seiner Truppen warf sich in aufgelöster Flucht nach Asculum.
So vollständig hatte im Picenischen die Lage der Dinge sich ge-
ändert, daſs wie vorher die Römer auf Firmum, jetzt die Italiker
auf Asculum sich beschränkt sahen und der Krieg sich abermals
in eine Belagerung verwandelte. — Endlich war im Laufe des
Jahres zu den beiden schwierigen und vielgetheilten Kriegen im
südlichen und mittleren Italien noch ein dritter in der nördlichen
Landschaft gekommen, indem die für Rom so gefährliche Lage
der Dinge nach den ersten Kriegsmonaten einen groſsen Theil
der umbrischen und einzelne etruskische Gemeinden veranlaſst
hatte, sich für die Insurrection zu erklären, so daſs es nöthig
geworden war gegen die Umbrer den Aulus Plotius, gegen die Etrus-
ker den Lucius Porcius Cato zu entsenden. Hier indeſs stieſsen die
Römer auf einen weit minder energischen Widerstand als im
marsischen und samnitischen Land und behaupteten das ent-
schiedenste Uebergewicht im Felde.

So ging das schwere erste Kriegsjahr zu Ende, militärisch
wie politisch trübe Erinnerungen und bedenkliche Aussichten
hinterlassend. Militärisch waren beide Armeen der Römer, die
marsische und die campanische, durch schwere Niederlagen ge-
schwächt und entmuthigt, die Nordarmee genöthigt vor allem
auf die Deckung der Hauptstadt bedacht zu sein, die Südarmee
bei Neapolis in ihren Communicationen ernstlich bedroht, da die
Insurgenten ohne viele Schwierigkeit aus dem marsischen oder
samnitischen Gebiet hervorbrechen und zwischen Rom und Ne-
apel sich festsetzen konnten, so daſs man es nothwendig fand
wenigstens eine Postenkette von Cumae nach Rom zu ziehen.
Politisch hatte die Insurrection während dieses ersten Kampf-
jahres nach allen Seiten hin Boden gewonnen; der Uebertritt von

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[227/0237] EMPÖRUNG DER ITALIKER. wechselndem Erfolg gefochten ward, hatte auch das picenische Corps unter Strabo unglücklich und glücklich gestritten. Die In- surgentenchefs Judacilius aus Asculum, Publius Vettius Cato und Ti- tus Lafrenius hatten mit vereinten Kräften dasselbe angegriffen, es geschlagen und gezwungen sich nach Firmum zu werfen, wo La- frenius den Strabo belagert hielt, während Judacilius freie Hand bekam um in Apulien einzurücken und Canusium, Venusia und die sonstigen dort noch zu Rom haltenden Städte zum Uebertritt zu bestimmen. Allein auf der entgegengesetzten Seite konnte Servius Sulpicius nach seinem Sieg über die Paeligner sich nach Picenum wenden um Strabo zu entsetzen. Lafrenius ward, wäh- rend von vorn Strabo ihn angriff, von Sulpicius in den Rücken gefaſst und sein Lager in Brand gesteckt; er selber fiel, der Rest seiner Truppen warf sich in aufgelöster Flucht nach Asculum. So vollständig hatte im Picenischen die Lage der Dinge sich ge- ändert, daſs wie vorher die Römer auf Firmum, jetzt die Italiker auf Asculum sich beschränkt sahen und der Krieg sich abermals in eine Belagerung verwandelte. — Endlich war im Laufe des Jahres zu den beiden schwierigen und vielgetheilten Kriegen im südlichen und mittleren Italien noch ein dritter in der nördlichen Landschaft gekommen, indem die für Rom so gefährliche Lage der Dinge nach den ersten Kriegsmonaten einen groſsen Theil der umbrischen und einzelne etruskische Gemeinden veranlaſst hatte, sich für die Insurrection zu erklären, so daſs es nöthig geworden war gegen die Umbrer den Aulus Plotius, gegen die Etrus- ker den Lucius Porcius Cato zu entsenden. Hier indeſs stieſsen die Römer auf einen weit minder energischen Widerstand als im marsischen und samnitischen Land und behaupteten das ent- schiedenste Uebergewicht im Felde. So ging das schwere erste Kriegsjahr zu Ende, militärisch wie politisch trübe Erinnerungen und bedenkliche Aussichten hinterlassend. Militärisch waren beide Armeen der Römer, die marsische und die campanische, durch schwere Niederlagen ge- schwächt und entmuthigt, die Nordarmee genöthigt vor allem auf die Deckung der Hauptstadt bedacht zu sein, die Südarmee bei Neapolis in ihren Communicationen ernstlich bedroht, da die Insurgenten ohne viele Schwierigkeit aus dem marsischen oder samnitischen Gebiet hervorbrechen und zwischen Rom und Ne- apel sich festsetzen konnten, so daſs man es nothwendig fand wenigstens eine Postenkette von Cumae nach Rom zu ziehen. Politisch hatte die Insurrection während dieses ersten Kampf- jahres nach allen Seiten hin Boden gewonnen; der Uebertritt von 15*

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/237>, abgerufen am 02.05.2024.