Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. Staatsangelegenheiten sich mit dem Studium der griechischenPhilosophie beschäftigte. Da seine Söhne noch nicht erwachsen waren, führte thatsächlich die Zügel der Regierung ein illegitimer Neffe des Königs, der Prinz Jugurtha. Jugurtha war kein un- würdiger Enkel Massinissas. Er war ein schöner Mann und ein gewandter und muthiger Reiter und Jäger; seine Landsleute hielten den klaren und einsichtigen Verwalter in hohen Ehren und seine militärische Brauchbarkeit hatte er als Führer des nu- midischen Contingents vor Numantia unter Scipios Augen erwie- sen. Seine Stellung im Königreich und der Einfluss, dessen er durch seine zahlreichen Freunde und Kriegskameraden bei der römischen Regierung genoss, liessen es König Micipsa rathsam erscheinen ihn zu adoptiren (634) und in seinem Testament zu verordnen, dass des Königs beide älteste leibliche Söhne Ad- herbal und Hiempsal und sein Adoptivsohn Jugurtha selbdritte, ebenso wie er selbst mit seinen beiden Brüdern, zu gesammter Hand das Reich erben und regieren sollten. Zu grösserer Sicher- heit wurde diese Verfügung unter die Garantie der römischen Regierung gestellt. Bald nachher, im J. 636, starb König Mi- cipsa. Das Testament trat in Kraft; allein die beiden Söhne Mi- cipsas, und mehr noch als der schwache ältere Bruder der hef- tige Hiempsal, geriethen bald mit ihrem Vetter, den sie als Ein- dringling in die legitime Erbfolge ansahen, so heftig zusammen, dass der Gedanke an eine Gesammtregierung der drei Könige aufgegeben werden musste. Man versuchte eine Realtheilung durchzuführen; allein die hadernden Könige vermochten über die Landes- und Schatzquoten sich nicht zu einigen und die Schutz- macht, der hier von Rechtswegen das entscheidende Wort zu- stand, bekümmerte wie gewöhnlich sich um diese Angelegenhei- ten gar nicht. Es kam zum Bruch; Adherbal und Hiempsal mochten das Testament des Vaters als erschlichen bezeichnen und Jugurthas Miterbrecht überhaupt bestreiten, wogegen Ju- gurtha auftrat als Prätendent auf das gesammte Königreich. Noch während der Verhandlungen über die Theilung ward Hiem- psal durch gedungene Meuchelmörder aus dem Wege geschafft; zwischen Adherbal und Jugurtha kam es zum Bürgerkriege, in dem ganz Numidien Partei nahm. Mit seinen minder zahlreichen, aber besser geübten und besser geführten Truppen siegte Jugur- tha und bemächtigte sich des ganzen Gebiets unter den grausam- sten Verfolgungen gegen die seinem Vetter anhängenden Häup- ter. Adherbal rettete sich nach der römischen Provinz und ging von da nach Rom um dort Klage zu führen; Jugurtha hatte es DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. Staatsangelegenheiten sich mit dem Studium der griechischenPhilosophie beschäftigte. Da seine Söhne noch nicht erwachsen waren, führte thatsächlich die Zügel der Regierung ein illegitimer Neffe des Königs, der Prinz Jugurtha. Jugurtha war kein un- würdiger Enkel Massinissas. Er war ein schöner Mann und ein gewandter und muthiger Reiter und Jäger; seine Landsleute hielten den klaren und einsichtigen Verwalter in hohen Ehren und seine militärische Brauchbarkeit hatte er als Führer des nu- midischen Contingents vor Numantia unter Scipios Augen erwie- sen. Seine Stellung im Königreich und der Einfluſs, dessen er durch seine zahlreichen Freunde und Kriegskameraden bei der römischen Regierung genoſs, lieſsen es König Micipsa rathsam erscheinen ihn zu adoptiren (634) und in seinem Testament zu verordnen, daſs des Königs beide älteste leibliche Söhne Ad- herbal und Hiempsal und sein Adoptivsohn Jugurtha selbdritte, ebenso wie er selbst mit seinen beiden Brüdern, zu gesammter Hand das Reich erben und regieren sollten. Zu gröſserer Sicher- heit wurde diese Verfügung unter die Garantie der römischen Regierung gestellt. Bald nachher, im J. 636, starb König Mi- cipsa. Das Testament trat in Kraft; allein die beiden Söhne Mi- cipsas, und mehr noch als der schwache ältere Bruder der hef- tige Hiempsal, geriethen bald mit ihrem Vetter, den sie als Ein- dringling in die legitime Erbfolge ansahen, so heftig zusammen, daſs der Gedanke an eine Gesammtregierung der drei Könige aufgegeben werden muſste. Man versuchte eine Realtheilung durchzuführen; allein die hadernden Könige vermochten über die Landes- und Schatzquoten sich nicht zu einigen und die Schutz- macht, der hier von Rechtswegen das entscheidende Wort zu- stand, bekümmerte wie gewöhnlich sich um diese Angelegenhei- ten gar nicht. Es kam zum Bruch; Adherbal und Hiempsal mochten das Testament des Vaters als erschlichen bezeichnen und Jugurthas Miterbrecht überhaupt bestreiten, wogegen Ju- gurtha auftrat als Prätendent auf das gesammte Königreich. Noch während der Verhandlungen über die Theilung ward Hiem- psal durch gedungene Meuchelmörder aus dem Wege geschafft; zwischen Adherbal und Jugurtha kam es zum Bürgerkriege, in dem ganz Numidien Partei nahm. Mit seinen minder zahlreichen, aber besser geübten und besser geführten Truppen siegte Jugur- tha und bemächtigte sich des ganzen Gebiets unter den grausam- sten Verfolgungen gegen die seinem Vetter anhängenden Häup- ter. 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Das Testament trat in Kraft; allein die beiden Söhne Mi-<lb/> cipsas, und mehr noch als der schwache ältere Bruder der hef-<lb/> tige Hiempsal, geriethen bald mit ihrem Vetter, den sie als Ein-<lb/> dringling in die legitime Erbfolge ansahen, so heftig zusammen,<lb/> daſs der Gedanke an eine Gesammtregierung der drei Könige<lb/> aufgegeben werden muſste. Man versuchte eine Realtheilung<lb/> durchzuführen; allein die hadernden Könige vermochten über die<lb/> Landes- und Schatzquoten sich nicht zu einigen und die Schutz-<lb/> macht, der hier von Rechtswegen das entscheidende Wort zu-<lb/> stand, bekümmerte wie gewöhnlich sich um diese Angelegenhei-<lb/> ten gar nicht. 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DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
Staatsangelegenheiten sich mit dem Studium der griechischen
Philosophie beschäftigte. Da seine Söhne noch nicht erwachsen
waren, führte thatsächlich die Zügel der Regierung ein illegitimer
Neffe des Königs, der Prinz Jugurtha. Jugurtha war kein un-
würdiger Enkel Massinissas. Er war ein schöner Mann und ein
gewandter und muthiger Reiter und Jäger; seine Landsleute
hielten den klaren und einsichtigen Verwalter in hohen Ehren
und seine militärische Brauchbarkeit hatte er als Führer des nu-
midischen Contingents vor Numantia unter Scipios Augen erwie-
sen. Seine Stellung im Königreich und der Einfluſs, dessen er
durch seine zahlreichen Freunde und Kriegskameraden bei der
römischen Regierung genoſs, lieſsen es König Micipsa rathsam
erscheinen ihn zu adoptiren (634) und in seinem Testament zu
verordnen, daſs des Königs beide älteste leibliche Söhne Ad-
herbal und Hiempsal und sein Adoptivsohn Jugurtha selbdritte,
ebenso wie er selbst mit seinen beiden Brüdern, zu gesammter
Hand das Reich erben und regieren sollten. Zu gröſserer Sicher-
heit wurde diese Verfügung unter die Garantie der römischen
Regierung gestellt. Bald nachher, im J. 636, starb König Mi-
cipsa. Das Testament trat in Kraft; allein die beiden Söhne Mi-
cipsas, und mehr noch als der schwache ältere Bruder der hef-
tige Hiempsal, geriethen bald mit ihrem Vetter, den sie als Ein-
dringling in die legitime Erbfolge ansahen, so heftig zusammen,
daſs der Gedanke an eine Gesammtregierung der drei Könige
aufgegeben werden muſste. Man versuchte eine Realtheilung
durchzuführen; allein die hadernden Könige vermochten über die
Landes- und Schatzquoten sich nicht zu einigen und die Schutz-
macht, der hier von Rechtswegen das entscheidende Wort zu-
stand, bekümmerte wie gewöhnlich sich um diese Angelegenhei-
ten gar nicht. Es kam zum Bruch; Adherbal und Hiempsal
mochten das Testament des Vaters als erschlichen bezeichnen
und Jugurthas Miterbrecht überhaupt bestreiten, wogegen Ju-
gurtha auftrat als Prätendent auf das gesammte Königreich.
Noch während der Verhandlungen über die Theilung ward Hiem-
psal durch gedungene Meuchelmörder aus dem Wege geschafft;
zwischen Adherbal und Jugurtha kam es zum Bürgerkriege, in
dem ganz Numidien Partei nahm. Mit seinen minder zahlreichen,
aber besser geübten und besser geführten Truppen siegte Jugur-
tha und bemächtigte sich des ganzen Gebiets unter den grausam-
sten Verfolgungen gegen die seinem Vetter anhängenden Häup-
ter. Adherbal rettete sich nach der römischen Provinz und ging
von da nach Rom um dort Klage zu führen; Jugurtha hatte es
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