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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DRITTES BUCH. KAPITEL X.
fügte sich freiwillig in die römische Clientel; aber auch die
Könige von Babylon standen hiemit ab von dem letzten Ver-
such ihre Unabhängigkeit gegen Rom zu behaupten. Wie
Makedonien im Krieg des Perseus, so machten die Seleukiden
im koelesyrischen Krieg den gleichen und gleich letzten Ver-
such sich ihre ehemalige Macht wieder zu gewinnen; aber
es ist bezeichnend für den Unterschied der beiden Reiche,
dass dort die Legionen entschieden und hier das barsche
Wort eines Diplomaten.

In Griechenland selbst waren als Verbündete des Perseus,
nachdem die beiden boeotischen Städte schon mehr als genug
gebüsst hatten, nur noch die Molotter zu strafen. Auf geheimen
Befehl des Senats gab Paullus an einem Tage siebzig Ort-
schaften in Epeiros der Plünderung Preis und verkaufte die
Einwohner, 150000 an der Zahl, in die Sclaverei. Die Aetoler
verloren Amphipolis, die Akarnanen Leukas wegen ihres zwei-
deutigen Benehmens, wogegen die Athener, die fortfuhren den
bettelnden Poeten ihres Aristophanes zu spielen, nicht bloss
Delos und Lemnos geschenkt erhielten, sondern sogar sich
nicht schämten um die öde Stätte von Haliartos zu petitioni-
ren, die ihnen denn auch zu Theil ward. So war etwas für
die Musen geschehen, aber mehr war zu thun für die Justiz.
Eine makedonische Partei gab es in jeder Stadt und also be-
gannen durch ganz Griechenland die Hochverrathsprozesse.
Wer in Perseus Heer gedient hatte, ward sofort hingerichtet;
nach Rom ward beschieden, wen die Papiere des Königs oder
die Angaben der zum Denunciren herbeiströmenden politischen
Gegner compromittirten -- der Achaeer Kallikrates und der
Aetoler Lykiskos zeichneten sich aus in diesem Gewerbe. So
wurden die namhafteren Patrioten unter den Thessalern, Aeto-
lern, Akarnanen, Lesbiern und so weiter aus der Heimath
entfernt; namentlich aber über tausend Achaeer, wobei man
nicht so sehr den Zweck verfolgte den Leuten den Prozess
als die kindische Opposition der Hellenen mundtodt zu machen.
Den Achaeern, die wie gewöhnlich sich nicht zufrieden gaben,
bis sie die Antwort hatten, die sie ahnten, erklärte der Senat,
ermüdet durch die ewigen Bitten um Einleitung der Unter-
suchung, endlich rund heraus, dass bis auf weiter die Leute
in Italien bleiben würden. Sie wurden hier in den Land-
städten internirt und leidlich gehalten, Fluchtversuche indess
mit dem Tode bestraft; ähnlich wird die Lage der aus Ma-
kedonien weggeführten ehemaligen Beamten gewesen sein.

DRITTES BUCH. KAPITEL X.
fügte sich freiwillig in die römische Clientel; aber auch die
Könige von Babylon standen hiemit ab von dem letzten Ver-
such ihre Unabhängigkeit gegen Rom zu behaupten. Wie
Makedonien im Krieg des Perseus, so machten die Seleukiden
im koelesyrischen Krieg den gleichen und gleich letzten Ver-
such sich ihre ehemalige Macht wieder zu gewinnen; aber
es ist bezeichnend für den Unterschied der beiden Reiche,
daſs dort die Legionen entschieden und hier das barsche
Wort eines Diplomaten.

In Griechenland selbst waren als Verbündete des Perseus,
nachdem die beiden boeotischen Städte schon mehr als genug
gebüſst hatten, nur noch die Molotter zu strafen. Auf geheimen
Befehl des Senats gab Paullus an einem Tage siebzig Ort-
schaften in Epeiros der Plünderung Preis und verkaufte die
Einwohner, 150000 an der Zahl, in die Sclaverei. Die Aetoler
verloren Amphipolis, die Akarnanen Leukas wegen ihres zwei-
deutigen Benehmens, wogegen die Athener, die fortfuhren den
bettelnden Poeten ihres Aristophanes zu spielen, nicht bloſs
Delos und Lemnos geschenkt erhielten, sondern sogar sich
nicht schämten um die öde Stätte von Haliartos zu petitioni-
ren, die ihnen denn auch zu Theil ward. So war etwas für
die Musen geschehen, aber mehr war zu thun für die Justiz.
Eine makedonische Partei gab es in jeder Stadt und also be-
gannen durch ganz Griechenland die Hochverrathsprozesse.
Wer in Perseus Heer gedient hatte, ward sofort hingerichtet;
nach Rom ward beschieden, wen die Papiere des Königs oder
die Angaben der zum Denunciren herbeiströmenden politischen
Gegner compromittirten — der Achaeer Kallikrates und der
Aetoler Lykiskos zeichneten sich aus in diesem Gewerbe. So
wurden die namhafteren Patrioten unter den Thessalern, Aeto-
lern, Akarnanen, Lesbiern und so weiter aus der Heimath
entfernt; namentlich aber über tausend Achaeer, wobei man
nicht so sehr den Zweck verfolgte den Leuten den Prozeſs
als die kindische Opposition der Hellenen mundtodt zu machen.
Den Achaeern, die wie gewöhnlich sich nicht zufrieden gaben,
bis sie die Antwort hatten, die sie ahnten, erklärte der Senat,
ermüdet durch die ewigen Bitten um Einleitung der Unter-
suchung, endlich rund heraus, daſs bis auf weiter die Leute
in Italien bleiben würden. Sie wurden hier in den Land-
städten internirt und leidlich gehalten, Fluchtversuche indeſs
mit dem Tode bestraft; ähnlich wird die Lage der aus Ma-
kedonien weggeführten ehemaligen Beamten gewesen sein.

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[596/0610] DRITTES BUCH. KAPITEL X. fügte sich freiwillig in die römische Clientel; aber auch die Könige von Babylon standen hiemit ab von dem letzten Ver- such ihre Unabhängigkeit gegen Rom zu behaupten. Wie Makedonien im Krieg des Perseus, so machten die Seleukiden im koelesyrischen Krieg den gleichen und gleich letzten Ver- such sich ihre ehemalige Macht wieder zu gewinnen; aber es ist bezeichnend für den Unterschied der beiden Reiche, daſs dort die Legionen entschieden und hier das barsche Wort eines Diplomaten. In Griechenland selbst waren als Verbündete des Perseus, nachdem die beiden boeotischen Städte schon mehr als genug gebüſst hatten, nur noch die Molotter zu strafen. Auf geheimen Befehl des Senats gab Paullus an einem Tage siebzig Ort- schaften in Epeiros der Plünderung Preis und verkaufte die Einwohner, 150000 an der Zahl, in die Sclaverei. Die Aetoler verloren Amphipolis, die Akarnanen Leukas wegen ihres zwei- deutigen Benehmens, wogegen die Athener, die fortfuhren den bettelnden Poeten ihres Aristophanes zu spielen, nicht bloſs Delos und Lemnos geschenkt erhielten, sondern sogar sich nicht schämten um die öde Stätte von Haliartos zu petitioni- ren, die ihnen denn auch zu Theil ward. So war etwas für die Musen geschehen, aber mehr war zu thun für die Justiz. Eine makedonische Partei gab es in jeder Stadt und also be- gannen durch ganz Griechenland die Hochverrathsprozesse. Wer in Perseus Heer gedient hatte, ward sofort hingerichtet; nach Rom ward beschieden, wen die Papiere des Königs oder die Angaben der zum Denunciren herbeiströmenden politischen Gegner compromittirten — der Achaeer Kallikrates und der Aetoler Lykiskos zeichneten sich aus in diesem Gewerbe. So wurden die namhafteren Patrioten unter den Thessalern, Aeto- lern, Akarnanen, Lesbiern und so weiter aus der Heimath entfernt; namentlich aber über tausend Achaeer, wobei man nicht so sehr den Zweck verfolgte den Leuten den Prozeſs als die kindische Opposition der Hellenen mundtodt zu machen. Den Achaeern, die wie gewöhnlich sich nicht zufrieden gaben, bis sie die Antwort hatten, die sie ahnten, erklärte der Senat, ermüdet durch die ewigen Bitten um Einleitung der Unter- suchung, endlich rund heraus, daſs bis auf weiter die Leute in Italien bleiben würden. Sie wurden hier in den Land- städten internirt und leidlich gehalten, Fluchtversuche indeſs mit dem Tode bestraft; ähnlich wird die Lage der aus Ma- kedonien weggeführten ehemaligen Beamten gewesen sein.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 596. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/610>, abgerufen am 25.11.2024.