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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DER KRIEG GEGEN ANTIOCHOS VON ASIEN.
strebt gewesen wären den inneren Zwist nach Griechenland
zu tragen, ist eine der tollsten Abgeschmacktheiten, welche
politisirende Philologen nur je ausgesonnen haben. Nicht
die Römer trugen den inneren Hader nach Griechenland --
wahrlich Eulen nach Athen --, sondern die Griechen ihn
nach Rom. Namentlich die Achaeer, die über ihren Arrondi-
rungsgelüsten gänzlich übersahen, wie sehr zu ihrem eigenen
Besten es gewesen, dass Flamininus die aetolisch gesinnten
Städte nicht der Eidgenossenschaft einverleibt hatte, erwarben
in Lakedaemon und Messene sich eine wahre Hydra inneren
Zwistes. Unaufhörlich baten und flehten Mitglieder dieser
Gemeinden in Rom sie aus der verhassten Gemeinschaft zu
lösen, darunter charakteristisch genug selbst diejenigen, die
die Rückkehr in die Heimath den Achaeern verdankten. Unauf-
hörlich ward von dem achaeischen Bunde in Sparta und Messene
regenerirt und restaurirt; die wüthendsten Emigrirten von dort
bestimmen die Massregeln der Tagsatzung. Vier Jahre nach
dem nominellen Eintritt Spartas in die Eidgenossenschaft kam
es sogar zum offenen Kriege und zu einer bis zum Wahnsinn
vollständigen Restauration, wo die sämmtlichen von Nabis mit
dem Bürgerrecht beschenkten Sclaven wieder in die Knecht-
schaft verkauft und aus dem Erlös ein Säulengang in der
Achaeerstadt Megalopolis gebaut, wo die alten Güterverhält-
nisse in Sparta wieder hergestellt, die lykurgischen Gesetze
durch die achaeischen ersetzt, die Mauern niedergerissen
wurden (566). Ueber alle diese Wirthschaft ward dann
zuletzt von allen Seiten der römische Senat zum Schied-
spruch aufgefordert -- eine Belästigung, die die gerechte
Strafe für die befolgte sentimentale Politik war. Weit entfernt
sich zu viel in diese Angelegenheiten zu mischen, ertrug der
Senat nicht bloss die Nadelstiche der achaeischen Gesinnungs-
tüchtigkeit mit musterhafter Indifferenz, sondern liess selbst
die ärgsten Dinge mit sträflicher Gleichgültigkeit geschehen.
Man freute sich herzlich in Achaia, als nach jener Restaura-
tion die Nachricht von Rom einlief, dass der Senat darüber
zwar gescholten, aber nichts cassirt habe, und für die Lake-
daemonier geschah von Rom aus nichts, als dass der Senat,
empört über den von den Achaeern verfügten Justizmord von
beiläufig sechzig bis achtzig Spartanern, der Tagsatzung die
Criminaljustiz über die Spartaner nahm -- freilich ein em-
pörender Eingriff in die inneren Angelegenheiten eines unab-
hängigen Staates! Die römischen Staatsmänner kümmerten

DER KRIEG GEGEN ANTIOCHOS VON ASIEN.
strebt gewesen wären den inneren Zwist nach Griechenland
zu tragen, ist eine der tollsten Abgeschmacktheiten, welche
politisirende Philologen nur je ausgesonnen haben. Nicht
die Römer trugen den inneren Hader nach Griechenland —
wahrlich Eulen nach Athen —, sondern die Griechen ihn
nach Rom. Namentlich die Achaeer, die über ihren Arrondi-
rungsgelüsten gänzlich übersahen, wie sehr zu ihrem eigenen
Besten es gewesen, daſs Flamininus die aetolisch gesinnten
Städte nicht der Eidgenossenschaft einverleibt hatte, erwarben
in Lakedaemon und Messene sich eine wahre Hydra inneren
Zwistes. Unaufhörlich baten und flehten Mitglieder dieser
Gemeinden in Rom sie aus der verhaſsten Gemeinschaft zu
lösen, darunter charakteristisch genug selbst diejenigen, die
die Rückkehr in die Heimath den Achaeern verdankten. Unauf-
hörlich ward von dem achaeischen Bunde in Sparta und Messene
regenerirt und restaurirt; die wüthendsten Emigrirten von dort
bestimmen die Maſsregeln der Tagsatzung. Vier Jahre nach
dem nominellen Eintritt Spartas in die Eidgenossenschaft kam
es sogar zum offenen Kriege und zu einer bis zum Wahnsinn
vollständigen Restauration, wo die sämmtlichen von Nabis mit
dem Bürgerrecht beschenkten Sclaven wieder in die Knecht-
schaft verkauft und aus dem Erlös ein Säulengang in der
Achaeerstadt Megalopolis gebaut, wo die alten Güterverhält-
nisse in Sparta wieder hergestellt, die lykurgischen Gesetze
durch die achaeischen ersetzt, die Mauern niedergerissen
wurden (566). Ueber alle diese Wirthschaft ward dann
zuletzt von allen Seiten der römische Senat zum Schied-
spruch aufgefordert — eine Belästigung, die die gerechte
Strafe für die befolgte sentimentale Politik war. Weit entfernt
sich zu viel in diese Angelegenheiten zu mischen, ertrug der
Senat nicht bloſs die Nadelstiche der achaeischen Gesinnungs-
tüchtigkeit mit musterhafter Indifferenz, sondern lieſs selbst
die ärgsten Dinge mit sträflicher Gleichgültigkeit geschehen.
Man freute sich herzlich in Achaia, als nach jener Restaura-
tion die Nachricht von Rom einlief, daſs der Senat darüber
zwar gescholten, aber nichts cassirt habe, und für die Lake-
daemonier geschah von Rom aus nichts, als daſs der Senat,
empört über den von den Achaeern verfügten Justizmord von
beiläufig sechzig bis achtzig Spartanern, der Tagsatzung die
Criminaljustiz über die Spartaner nahm — freilich ein em-
pörender Eingriff in die inneren Angelegenheiten eines unab-
hängigen Staates! Die römischen Staatsmänner kümmerten

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[567/0581] DER KRIEG GEGEN ANTIOCHOS VON ASIEN. strebt gewesen wären den inneren Zwist nach Griechenland zu tragen, ist eine der tollsten Abgeschmacktheiten, welche politisirende Philologen nur je ausgesonnen haben. Nicht die Römer trugen den inneren Hader nach Griechenland — wahrlich Eulen nach Athen —, sondern die Griechen ihn nach Rom. Namentlich die Achaeer, die über ihren Arrondi- rungsgelüsten gänzlich übersahen, wie sehr zu ihrem eigenen Besten es gewesen, daſs Flamininus die aetolisch gesinnten Städte nicht der Eidgenossenschaft einverleibt hatte, erwarben in Lakedaemon und Messene sich eine wahre Hydra inneren Zwistes. Unaufhörlich baten und flehten Mitglieder dieser Gemeinden in Rom sie aus der verhaſsten Gemeinschaft zu lösen, darunter charakteristisch genug selbst diejenigen, die die Rückkehr in die Heimath den Achaeern verdankten. Unauf- hörlich ward von dem achaeischen Bunde in Sparta und Messene regenerirt und restaurirt; die wüthendsten Emigrirten von dort bestimmen die Maſsregeln der Tagsatzung. Vier Jahre nach dem nominellen Eintritt Spartas in die Eidgenossenschaft kam es sogar zum offenen Kriege und zu einer bis zum Wahnsinn vollständigen Restauration, wo die sämmtlichen von Nabis mit dem Bürgerrecht beschenkten Sclaven wieder in die Knecht- schaft verkauft und aus dem Erlös ein Säulengang in der Achaeerstadt Megalopolis gebaut, wo die alten Güterverhält- nisse in Sparta wieder hergestellt, die lykurgischen Gesetze durch die achaeischen ersetzt, die Mauern niedergerissen wurden (566). Ueber alle diese Wirthschaft ward dann zuletzt von allen Seiten der römische Senat zum Schied- spruch aufgefordert — eine Belästigung, die die gerechte Strafe für die befolgte sentimentale Politik war. Weit entfernt sich zu viel in diese Angelegenheiten zu mischen, ertrug der Senat nicht bloſs die Nadelstiche der achaeischen Gesinnungs- tüchtigkeit mit musterhafter Indifferenz, sondern lieſs selbst die ärgsten Dinge mit sträflicher Gleichgültigkeit geschehen. Man freute sich herzlich in Achaia, als nach jener Restaura- tion die Nachricht von Rom einlief, daſs der Senat darüber zwar gescholten, aber nichts cassirt habe, und für die Lake- daemonier geschah von Rom aus nichts, als daſs der Senat, empört über den von den Achaeern verfügten Justizmord von beiläufig sechzig bis achtzig Spartanern, der Tagsatzung die Criminaljustiz über die Spartaner nahm — freilich ein em- pörender Eingriff in die inneren Angelegenheiten eines unab- hängigen Staates! Die römischen Staatsmänner kümmerten

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 567. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/581>, abgerufen am 22.11.2024.