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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DRITTES BUCH. KAPITEL IX.
Frieden mit Rom die Antwort war die Landung des Consuls
Marcus Fulvius Nobilior im Frühling 565, der mit den Legionen
in ihr Land zog und Ambrakia nach funfzehntägiger Belagerung
durch eine für die Besatzung ehrenvolle Capitulation einnahm,
während zugleich die Makedonier, die Illyrier, die Epeiroten,
die Akarnanen und Achaeer über die Aetoler herfielen. Dennoch
liessen auf ihre wiederholten Friedensgesuche die Römer, die
diesen erbärmlichen und tückischen Gegnern gegenüber eine
wahrhaft exemplarische Geduld bewiesen, sich bewegen vom
Kriege abzustehen und leidliche Bedingungen zu gewähren.
Die Aetoler verloren alle Städte und Gebiete, die in den Hän-
den ihrer Gegner waren, namentlich Ambrakia, welches später
frei und selbstständig ward in Folge einer gegen Marcus Fulvius
in Rom gesponnenen Intrigue, ferner Oinia, das den Akar-
nanen gegeben wurde; ebenso traten sie Kephallenia ab. Sie
verloren das Recht Krieg und Frieden zu schliessen, und
wurden in dieser Hinsicht von den auswärtigen Beziehungen
Roms abhängig; ferner zahlten sie eine starke Geldsumme.
Kephallenia setzte sich auf eigene Hand gegen diesen Frieden
und fügte sich erst, als Marcus Fulvius auf der Insel landete;
ja die Einwohner von Same, die befürchteten aus ihrer wohl-
gelegenen Stadt durch eine römische Colonie ausgetrieben zu
werden, fielen nach der ersten Ergebung wieder ab und hiel-
ten eine viermonatliche Belagerung aus, worauf die Stadt
endlich genommen und die Einwohner sämmtlich in die Scla-
verei verkauft wurden. -- Rom selbst nahm in Griechenland
für sich die eben erwähnte Insel Kephallenia und die be-
nachbarte Insel Zakynthos, welche die Achaeer von dem Statt-
halter ihres letzten Besitzers Amynander gekauft hatten und
ungern wieder herausgaben. Ueberhaupt waren die beiden
bedeutendsten Bundesgenossen Roms, Philippos und die
Achaeer, keineswegs befriedigt durch den ihnen gegönnten
Antheil an der Beute. Philippos fühlte sich nicht ohne Grund
verletzt; er durfte sagen, dass in dem letzten Krieg die haupt-
sächlichen Schwierigkeiten, die nicht in dem Feinde, sondern
in der Entfernung und der Unsicherheit der Verbindungen
lagen, wesentlich durch seinen loyalen Beistand überwunden
waren. Der Senat erkannte dies allerdings an, indem er ihm
den noch rückständigen Tribut erliess und seine Geisseln ihm
zurücksandte; allein die Gebietserweiterungen, wie er sie ge-
hofft, empfing er nicht. Er erhielt das magnetische Gebiet
mit Demetrias, das er den Aetolern abgenommen hatte;

DRITTES BUCH. KAPITEL IX.
Frieden mit Rom die Antwort war die Landung des Consuls
Marcus Fulvius Nobilior im Frühling 565, der mit den Legionen
in ihr Land zog und Ambrakia nach funfzehntägiger Belagerung
durch eine für die Besatzung ehrenvolle Capitulation einnahm,
während zugleich die Makedonier, die Illyrier, die Epeiroten,
die Akarnanen und Achaeer über die Aetoler herfielen. Dennoch
lieſsen auf ihre wiederholten Friedensgesuche die Römer, die
diesen erbärmlichen und tückischen Gegnern gegenüber eine
wahrhaft exemplarische Geduld bewiesen, sich bewegen vom
Kriege abzustehen und leidliche Bedingungen zu gewähren.
Die Aetoler verloren alle Städte und Gebiete, die in den Hän-
den ihrer Gegner waren, namentlich Ambrakia, welches später
frei und selbstständig ward in Folge einer gegen Marcus Fulvius
in Rom gesponnenen Intrigue, ferner Oinia, das den Akar-
nanen gegeben wurde; ebenso traten sie Kephallenia ab. Sie
verloren das Recht Krieg und Frieden zu schlieſsen, und
wurden in dieser Hinsicht von den auswärtigen Beziehungen
Roms abhängig; ferner zahlten sie eine starke Geldsumme.
Kephallenia setzte sich auf eigene Hand gegen diesen Frieden
und fügte sich erst, als Marcus Fulvius auf der Insel landete;
ja die Einwohner von Same, die befürchteten aus ihrer wohl-
gelegenen Stadt durch eine römische Colonie ausgetrieben zu
werden, fielen nach der ersten Ergebung wieder ab und hiel-
ten eine viermonatliche Belagerung aus, worauf die Stadt
endlich genommen und die Einwohner sämmtlich in die Scla-
verei verkauft wurden. — Rom selbst nahm in Griechenland
für sich die eben erwähnte Insel Kephallenia und die be-
nachbarte Insel Zakynthos, welche die Achaeer von dem Statt-
halter ihres letzten Besitzers Amynander gekauft hatten und
ungern wieder herausgaben. Ueberhaupt waren die beiden
bedeutendsten Bundesgenossen Roms, Philippos und die
Achaeer, keineswegs befriedigt durch den ihnen gegönnten
Antheil an der Beute. Philippos fühlte sich nicht ohne Grund
verletzt; er durfte sagen, daſs in dem letzten Krieg die haupt-
sächlichen Schwierigkeiten, die nicht in dem Feinde, sondern
in der Entfernung und der Unsicherheit der Verbindungen
lagen, wesentlich durch seinen loyalen Beistand überwunden
waren. Der Senat erkannte dies allerdings an, indem er ihm
den noch rückständigen Tribut erlieſs und seine Geiſseln ihm
zurücksandte; allein die Gebietserweiterungen, wie er sie ge-
hofft, empfing er nicht. Er erhielt das magnetische Gebiet
mit Demetrias, das er den Aetolern abgenommen hatte;

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[564/0578] DRITTES BUCH. KAPITEL IX. Frieden mit Rom die Antwort war die Landung des Consuls Marcus Fulvius Nobilior im Frühling 565, der mit den Legionen in ihr Land zog und Ambrakia nach funfzehntägiger Belagerung durch eine für die Besatzung ehrenvolle Capitulation einnahm, während zugleich die Makedonier, die Illyrier, die Epeiroten, die Akarnanen und Achaeer über die Aetoler herfielen. Dennoch lieſsen auf ihre wiederholten Friedensgesuche die Römer, die diesen erbärmlichen und tückischen Gegnern gegenüber eine wahrhaft exemplarische Geduld bewiesen, sich bewegen vom Kriege abzustehen und leidliche Bedingungen zu gewähren. Die Aetoler verloren alle Städte und Gebiete, die in den Hän- den ihrer Gegner waren, namentlich Ambrakia, welches später frei und selbstständig ward in Folge einer gegen Marcus Fulvius in Rom gesponnenen Intrigue, ferner Oinia, das den Akar- nanen gegeben wurde; ebenso traten sie Kephallenia ab. Sie verloren das Recht Krieg und Frieden zu schlieſsen, und wurden in dieser Hinsicht von den auswärtigen Beziehungen Roms abhängig; ferner zahlten sie eine starke Geldsumme. Kephallenia setzte sich auf eigene Hand gegen diesen Frieden und fügte sich erst, als Marcus Fulvius auf der Insel landete; ja die Einwohner von Same, die befürchteten aus ihrer wohl- gelegenen Stadt durch eine römische Colonie ausgetrieben zu werden, fielen nach der ersten Ergebung wieder ab und hiel- ten eine viermonatliche Belagerung aus, worauf die Stadt endlich genommen und die Einwohner sämmtlich in die Scla- verei verkauft wurden. — Rom selbst nahm in Griechenland für sich die eben erwähnte Insel Kephallenia und die be- nachbarte Insel Zakynthos, welche die Achaeer von dem Statt- halter ihres letzten Besitzers Amynander gekauft hatten und ungern wieder herausgaben. Ueberhaupt waren die beiden bedeutendsten Bundesgenossen Roms, Philippos und die Achaeer, keineswegs befriedigt durch den ihnen gegönnten Antheil an der Beute. Philippos fühlte sich nicht ohne Grund verletzt; er durfte sagen, daſs in dem letzten Krieg die haupt- sächlichen Schwierigkeiten, die nicht in dem Feinde, sondern in der Entfernung und der Unsicherheit der Verbindungen lagen, wesentlich durch seinen loyalen Beistand überwunden waren. Der Senat erkannte dies allerdings an, indem er ihm den noch rückständigen Tribut erlieſs und seine Geiſseln ihm zurücksandte; allein die Gebietserweiterungen, wie er sie ge- hofft, empfing er nicht. Er erhielt das magnetische Gebiet mit Demetrias, das er den Aetolern abgenommen hatte;

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 564. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/578>, abgerufen am 22.11.2024.