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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DER KRIEG GEGEN ANTIOCHOS VON ASIEN.
in sein Hauptquartier zurück, um nun auch seinerseits den
Feldzug zu beginnen. Allein durch seine und seiner Stell-
vertreter in Asien Saumseligkeit waren unbegreiflicher Weise
ihm alle Verstärkungen ausgeblieben, so dass er nichts hatte
als das schwache und nun noch durch Krankheit und Deser-
tion in den liederlichen Winterquartieren decimirte Heer, wo-
mit er im Herbst des vorigen Jahres bei Pteleon gelandet
war. Auch die Aetoler, die so ungeheure Massen hatten ins
Feld stellen wollen, führten jetzt da es galt ihrem Oberfeld-
herrn nicht mehr als 4000 Mann zu. Die römischen Truppen
hatten indess bereits die Operationen in Thessalien begonnen,
wo die Vorhut in Verbindung mit dem makedonischen Heer
die Besatzungen des Antiochos aus den thessalischen Städten
hinausschlug und das Gebiet der Athamanen besetzten; es
folgte der Consul mit der Hauptarmee. Die Gesammtmacht
der Römer sammelte sich in Larissa. Statt eilig nach Asien
zurückzukehren und gegen den in jeder Hinsicht überlegenen
Feind das Feld zu räumen, beschloss Antiochos sich in den
von ihm besetzten Thermopylen zu verschanzen und dort die
Ankunft seines grossen asiatischen Heeres abzuwarten. Indem
er selbst in dem Hauptpass sich aufstellte, befahl er den Ae-
tolern den Hochpfad zu besetzen, auf welchem es einst Xerxes
gelungen war, die Spartaner zu umgehen; allein nur der Hälfte
des aetolischen Zuzugs gefiel es diesem Befehl ihres Oberfeld-
herrn nachzukommen. Die übrigen 2000 Mann warfen sich
in die nahe Stadt Herakleia, wo sie an der Schlacht keinen
andern Theil nahmen, als dass sie versuchten während derselben
das römische Lager zu überfallen und auszurauben. Aber auch
die auf dem Gebirg postirten Aetoler betrieben den Wachdienst
lässig und widerwillig; ihr Posten auf dem Kallidromos liess
sich von Cato überrumpeln und die asiatische Phalanx, die
der Consul mittlerweile von vorn angegriffen hatte, stob aus
einander, als ihr den Berg hinabeilend die Römer in die
Flanke fielen. Da Antiochos für nichts gesorgt und an den
Rückzug nicht gedacht hatte, so ward das Heer theils auf
dem Schlachtfeld, theils auf der Flucht durch unbekannte
Gegenden vernichtet; kaum dass ein kleiner Haufen Deme-
trias und der König selbst mit 500 Mann Chalkis erreichte. Eilig
schiffte er sich nach Ephesos ein; nicht einmal die Festungen
konnten länger vertheidigt werden. Chalkis ergab sich an die
Römer, Demetrias an Philippos, dem als Entschädigung für
die fast schon von ihm vollendete und dann auf Befehl des

DER KRIEG GEGEN ANTIOCHOS VON ASIEN.
in sein Hauptquartier zurück, um nun auch seinerseits den
Feldzug zu beginnen. Allein durch seine und seiner Stell-
vertreter in Asien Saumseligkeit waren unbegreiflicher Weise
ihm alle Verstärkungen ausgeblieben, so daſs er nichts hatte
als das schwache und nun noch durch Krankheit und Deser-
tion in den liederlichen Winterquartieren decimirte Heer, wo-
mit er im Herbst des vorigen Jahres bei Pteleon gelandet
war. Auch die Aetoler, die so ungeheure Massen hatten ins
Feld stellen wollen, führten jetzt da es galt ihrem Oberfeld-
herrn nicht mehr als 4000 Mann zu. Die römischen Truppen
hatten indeſs bereits die Operationen in Thessalien begonnen,
wo die Vorhut in Verbindung mit dem makedonischen Heer
die Besatzungen des Antiochos aus den thessalischen Städten
hinausschlug und das Gebiet der Athamanen besetzten; es
folgte der Consul mit der Hauptarmee. Die Gesammtmacht
der Römer sammelte sich in Larissa. Statt eilig nach Asien
zurückzukehren und gegen den in jeder Hinsicht überlegenen
Feind das Feld zu räumen, beschloſs Antiochos sich in den
von ihm besetzten Thermopylen zu verschanzen und dort die
Ankunft seines groſsen asiatischen Heeres abzuwarten. Indem
er selbst in dem Hauptpaſs sich aufstellte, befahl er den Ae-
tolern den Hochpfad zu besetzen, auf welchem es einst Xerxes
gelungen war, die Spartaner zu umgehen; allein nur der Hälfte
des aetolischen Zuzugs gefiel es diesem Befehl ihres Oberfeld-
herrn nachzukommen. Die übrigen 2000 Mann warfen sich
in die nahe Stadt Herakleia, wo sie an der Schlacht keinen
andern Theil nahmen, als daſs sie versuchten während derselben
das römische Lager zu überfallen und auszurauben. Aber auch
die auf dem Gebirg postirten Aetoler betrieben den Wachdienst
lässig und widerwillig; ihr Posten auf dem Kallidromos lieſs
sich von Cato überrumpeln und die asiatische Phalanx, die
der Consul mittlerweile von vorn angegriffen hatte, stob aus
einander, als ihr den Berg hinabeilend die Römer in die
Flanke fielen. Da Antiochos für nichts gesorgt und an den
Rückzug nicht gedacht hatte, so ward das Heer theils auf
dem Schlachtfeld, theils auf der Flucht durch unbekannte
Gegenden vernichtet; kaum daſs ein kleiner Haufen Deme-
trias und der König selbst mit 500 Mann Chalkis erreichte. Eilig
schiffte er sich nach Ephesos ein; nicht einmal die Festungen
konnten länger vertheidigt werden. Chalkis ergab sich an die
Römer, Demetrias an Philippos, dem als Entschädigung für
die fast schon von ihm vollendete und dann auf Befehl des

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[551/0565] DER KRIEG GEGEN ANTIOCHOS VON ASIEN. in sein Hauptquartier zurück, um nun auch seinerseits den Feldzug zu beginnen. Allein durch seine und seiner Stell- vertreter in Asien Saumseligkeit waren unbegreiflicher Weise ihm alle Verstärkungen ausgeblieben, so daſs er nichts hatte als das schwache und nun noch durch Krankheit und Deser- tion in den liederlichen Winterquartieren decimirte Heer, wo- mit er im Herbst des vorigen Jahres bei Pteleon gelandet war. Auch die Aetoler, die so ungeheure Massen hatten ins Feld stellen wollen, führten jetzt da es galt ihrem Oberfeld- herrn nicht mehr als 4000 Mann zu. Die römischen Truppen hatten indeſs bereits die Operationen in Thessalien begonnen, wo die Vorhut in Verbindung mit dem makedonischen Heer die Besatzungen des Antiochos aus den thessalischen Städten hinausschlug und das Gebiet der Athamanen besetzten; es folgte der Consul mit der Hauptarmee. Die Gesammtmacht der Römer sammelte sich in Larissa. Statt eilig nach Asien zurückzukehren und gegen den in jeder Hinsicht überlegenen Feind das Feld zu räumen, beschloſs Antiochos sich in den von ihm besetzten Thermopylen zu verschanzen und dort die Ankunft seines groſsen asiatischen Heeres abzuwarten. Indem er selbst in dem Hauptpaſs sich aufstellte, befahl er den Ae- tolern den Hochpfad zu besetzen, auf welchem es einst Xerxes gelungen war, die Spartaner zu umgehen; allein nur der Hälfte des aetolischen Zuzugs gefiel es diesem Befehl ihres Oberfeld- herrn nachzukommen. Die übrigen 2000 Mann warfen sich in die nahe Stadt Herakleia, wo sie an der Schlacht keinen andern Theil nahmen, als daſs sie versuchten während derselben das römische Lager zu überfallen und auszurauben. Aber auch die auf dem Gebirg postirten Aetoler betrieben den Wachdienst lässig und widerwillig; ihr Posten auf dem Kallidromos lieſs sich von Cato überrumpeln und die asiatische Phalanx, die der Consul mittlerweile von vorn angegriffen hatte, stob aus einander, als ihr den Berg hinabeilend die Römer in die Flanke fielen. Da Antiochos für nichts gesorgt und an den Rückzug nicht gedacht hatte, so ward das Heer theils auf dem Schlachtfeld, theils auf der Flucht durch unbekannte Gegenden vernichtet; kaum daſs ein kleiner Haufen Deme- trias und der König selbst mit 500 Mann Chalkis erreichte. Eilig schiffte er sich nach Ephesos ein; nicht einmal die Festungen konnten länger vertheidigt werden. Chalkis ergab sich an die Römer, Demetrias an Philippos, dem als Entschädigung für die fast schon von ihm vollendete und dann auf Befehl des

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/565>, abgerufen am 22.11.2024.