Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.ERSTES BUCH. KAPITEL V. Scaptia, Lavici, Pedum, Praeneste, auch wohl Toleria; amAlbanergebirg Corbio, Tusculum, Bovillae, Aricia, Corioli, La- nuvium; an der latinischen Küste Tellenae, Laurentum, Lavi- nium; im Gebiet der Rutuler Ardea; in der volskischen Ebene Velitrae, Satricum, Circeii; am westlichen Abhang der Volsker- berge Cora, Norba, Setia; unbestimmter Lage Tricria, Carna, Bubetum, Caruentum, Foretum, Querquetula. -- Von Rechts- wegen erstreckte sich also die latinische Eidgenossenschaft schon damals bis nach Tarracina, also bis an die Grenze des spätern Latium, das die Volsker und Rutuler einschliesst; eine politische Grenze, deren Feststellung dieser Epoche angehört. Allein dass factisch ein Theil der Bundesgemeinden sich dem latinischen Bund wenn sie konnten entzogen, deutet der Ver- trag mit Karthago sehr verständlich an, indem er solchen ab- trünnigen Gemeinden den Bundesschutz entzieht; und nament- lich die stammfremden Rutuler und Volsker scheinen sehr häufig der römischen Hegemonie abgesagt zu haben. Es kann darum nicht befremden, dass, während der Friedensvertrag den Zustand darstellt, den die Römer als den normalen und rechtmässigen betrachteten, das zweite Verzeichniss, das den factischen Bestand der Eidgenossenschaft in einem bestimmten Jahr angiebt, die beiden wichtigen Volskerstädte Antium und Tarracina auslässt, von denen die erste nach der Erzählung der Annalisten in eben dem Jahre, wo das Bündniss erneuert ward, mit den Römern Krieg führte. Ein dritter wohl aus ähnlichen Quellen geschöpfter Bericht lautet dahin, dass zu der Zeit des ältern Tarquinius die Eidgenossenschaft alle la- tinischen und die beiden Volskerstädte Ecetra und Antium in sich begriffen habe. In der That scheint das Gebiet der Rutuler und noch mehr das der Volsker der beständige Kriegs- schauplatz gewesen zu sein, auf dem die Herrschaft über kräftige und widerstrebende Gemeinden durch die Waffen stets aufs neue gewonnen werden musste. In der späteren etwas besser beglaubigten Geschichte finden wir die volski- schen Orte, namentlich Velitrae, Norba, Circeii, Satricum, Antium regelmässig im Kampf mit den Latinern und nur vor- übergehend und gezwungen als Glieder der Eidgenossenschaft; offenbar in denselben Kreis gehört die Zerstörung der reichen Volskerstadt Suessa Pometia. Ueber das entfernte Tarracina mag nun gar die römische Hegemonie regelmässig in blossen Prätensionen bestanden haben. -- Was die östlichen und nördlichen Nachbarn Roms anlangt, so stand die Landschaft ERSTES BUCH. KAPITEL V. Scaptia, Lavici, Pedum, Praeneste, auch wohl Toleria; amAlbanergebirg Corbio, Tusculum, Bovillae, Aricia, Corioli, La- nuvium; an der latinischen Küste Tellenae, Laurentum, Lavi- nium; im Gebiet der Rutuler Ardea; in der volskischen Ebene Velitrae, Satricum, Circeii; am westlichen Abhang der Volsker- berge Cora, Norba, Setia; unbestimmter Lage Tricria, Carna, Bubetum, Caruentum, Foretum, Querquetula. — Von Rechts- wegen erstreckte sich also die latinische Eidgenossenschaft schon damals bis nach Tarracina, also bis an die Grenze des spätern Latium, das die Volsker und Rutuler einschlieſst; eine politische Grenze, deren Feststellung dieser Epoche angehört. Allein daſs factisch ein Theil der Bundesgemeinden sich dem latinischen Bund wenn sie konnten entzogen, deutet der Ver- trag mit Karthago sehr verständlich an, indem er solchen ab- trünnigen Gemeinden den Bundesschutz entzieht; und nament- lich die stammfremden Rutuler und Volsker scheinen sehr häufig der römischen Hegemonie abgesagt zu haben. Es kann darum nicht befremden, daſs, während der Friedensvertrag den Zustand darstellt, den die Römer als den normalen und rechtmäſsigen betrachteten, das zweite Verzeichniſs, das den factischen Bestand der Eidgenossenschaft in einem bestimmten Jahr angiebt, die beiden wichtigen Volskerstädte Antium und Tarracina ausläſst, von denen die erste nach der Erzählung der Annalisten in eben dem Jahre, wo das Bündniſs erneuert ward, mit den Römern Krieg führte. Ein dritter wohl aus ähnlichen Quellen geschöpfter Bericht lautet dahin, daſs zu der Zeit des ältern Tarquinius die Eidgenossenschaft alle la- tinischen und die beiden Volskerstädte Ecetra und Antium in sich begriffen habe. In der That scheint das Gebiet der Rutuler und noch mehr das der Volsker der beständige Kriegs- schauplatz gewesen zu sein, auf dem die Herrschaft über kräftige und widerstrebende Gemeinden durch die Waffen stets aufs neue gewonnen werden muſste. In der späteren etwas besser beglaubigten Geschichte finden wir die volski- schen Orte, namentlich Velitrae, Norba, Circeii, Satricum, Antium regelmäſsig im Kampf mit den Latinern und nur vor- übergehend und gezwungen als Glieder der Eidgenossenschaft; offenbar in denselben Kreis gehört die Zerstörung der reichen Volskerstadt Suessa Pometia. Ueber das entfernte Tarracina mag nun gar die römische Hegemonie regelmäſsig in bloſsen Prätensionen bestanden haben. — Was die östlichen und nördlichen Nachbarn Roms anlangt, so stand die Landschaft <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0056" n="42"/><fw place="top" type="header">ERSTES BUCH. 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ERSTES BUCH. KAPITEL V.
Scaptia, Lavici, Pedum, Praeneste, auch wohl Toleria; am
Albanergebirg Corbio, Tusculum, Bovillae, Aricia, Corioli, La-
nuvium; an der latinischen Küste Tellenae, Laurentum, Lavi-
nium; im Gebiet der Rutuler Ardea; in der volskischen Ebene
Velitrae, Satricum, Circeii; am westlichen Abhang der Volsker-
berge Cora, Norba, Setia; unbestimmter Lage Tricria, Carna,
Bubetum, Caruentum, Foretum, Querquetula. — Von Rechts-
wegen erstreckte sich also die latinische Eidgenossenschaft
schon damals bis nach Tarracina, also bis an die Grenze des
spätern Latium, das die Volsker und Rutuler einschlieſst; eine
politische Grenze, deren Feststellung dieser Epoche angehört.
Allein daſs factisch ein Theil der Bundesgemeinden sich dem
latinischen Bund wenn sie konnten entzogen, deutet der Ver-
trag mit Karthago sehr verständlich an, indem er solchen ab-
trünnigen Gemeinden den Bundesschutz entzieht; und nament-
lich die stammfremden Rutuler und Volsker scheinen sehr
häufig der römischen Hegemonie abgesagt zu haben. Es kann
darum nicht befremden, daſs, während der Friedensvertrag
den Zustand darstellt, den die Römer als den normalen und
rechtmäſsigen betrachteten, das zweite Verzeichniſs, das den
factischen Bestand der Eidgenossenschaft in einem bestimmten
Jahr angiebt, die beiden wichtigen Volskerstädte Antium und
Tarracina ausläſst, von denen die erste nach der Erzählung
der Annalisten in eben dem Jahre, wo das Bündniſs erneuert
ward, mit den Römern Krieg führte. Ein dritter wohl aus
ähnlichen Quellen geschöpfter Bericht lautet dahin, daſs zu
der Zeit des ältern Tarquinius die Eidgenossenschaft alle la-
tinischen und die beiden Volskerstädte Ecetra und Antium in
sich begriffen habe. In der That scheint das Gebiet der
Rutuler und noch mehr das der Volsker der beständige Kriegs-
schauplatz gewesen zu sein, auf dem die Herrschaft über
kräftige und widerstrebende Gemeinden durch die Waffen
stets aufs neue gewonnen werden muſste. In der späteren
etwas besser beglaubigten Geschichte finden wir die volski-
schen Orte, namentlich Velitrae, Norba, Circeii, Satricum,
Antium regelmäſsig im Kampf mit den Latinern und nur vor-
übergehend und gezwungen als Glieder der Eidgenossenschaft;
offenbar in denselben Kreis gehört die Zerstörung der reichen
Volskerstadt Suessa Pometia. Ueber das entfernte Tarracina
mag nun gar die römische Hegemonie regelmäſsig in bloſsen
Prätensionen bestanden haben. — Was die östlichen und
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