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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DRITTES BUCH. KAPITEL VIII.
nien und Asien zwar auch unter einander rivalisirten, aber
doch vor allen Dingen in Aegypten ihren gemeinschaftlichen
Gegner fanden und ihm gegenüber zusammenhielten oder
doch zusammenhalten sollten.

Unter den Staaten zweiten Ranges ist für die Berührun-
gen des Ostens mit dem Westen zunächst nur mittelbar von
Bedeutung die Staatenreihe, welche vom südlichen Ende des
kaspischen Meeres zum Hellespont sich hinziehend das ganze
nördliche Kleinasien erfüllt: Atropatene (im heutigen Ader-
bidjan südwestlich vom kaspischen Meer), daneben Armenien,
Kappadokien im kleinasiatischen Binnenland, Pontos am süd-
östlichen, Bithynien am südwestlichen Ufer des schwarzen Mee-
res -- sie alle Splitter des grossen Perserreichs und beherrscht
von morgenländischen, meistens altpersischen Dynastien, die
entlegene Berglandschaft Atropatene namentlich die rechte
Zufluchtstätte des alten Perserthums, an der selbst Alexanders
Zug spurlos vorübergebraust war. -- Von grösserer Wichtigkeit
für die allgemeinen Verhältnisse ist der Keltenstamm, welcher
in dem kleinasiatischen Binnenland westlich von Kappadokien
sich ansässig gemacht hatte und dort in seiner heimischen
Gauverfassung lebte, beschäftigt von hier aus seinen unkriege-
rischen Nachbarn theils die Söldner zu jedem Krieg zu liefern,
theils die umliegenden Landschaften zu plündern oder zu
brandschatzen. Diese rohen, aber kräftigen Barbaren waren
der allgemeine Schreck der verweichlichten umwohnenden
Nationen, ja der asiatischen Grosskönige selbst, welche, nach-
dem manches asiatische Heer von den Kelten war aufgerieben
worden und König Antiochos I. Soter sogar selbst im Kampf
gegen sie sein Leben verloren hatte, zuletzt selber zur Zins-
zahlung sich verstanden. -- Dem kühnen und glücklichen Auf-
treten gegen diese gallischen Horden verdankte es ein reicher
Bürger von Pergamon Attalos, dass er von seiner Vaterstadt
den Königstitel empfing und ihn auf seine Nachkommen ver-
erbte. Dieser neue Hof war im Kleinen was der alexandrini-
sche im Grossen; auch hier war die Förderung der materiel-
len Interessen, die Pflege von Kunst und Litteratur an der
Tagesordnung und das Regiment eine umsichtige und nüch-
terne Kabinetspolitik, deren wesentlicher Zweck war theils die
Macht der beiden gefährlichen festländischen Nachbarn zu
schwächen, theils einen selbstständigen Griechenstaat im west-
lichen Kleinasien zu begründen. Der wohlgefüllte Schatz trug
wesentlich zu der Bedeutung dieser pergamenischen Herren

DRITTES BUCH. KAPITEL VIII.
nien und Asien zwar auch unter einander rivalisirten, aber
doch vor allen Dingen in Aegypten ihren gemeinschaftlichen
Gegner fanden und ihm gegenüber zusammenhielten oder
doch zusammenhalten sollten.

Unter den Staaten zweiten Ranges ist für die Berührun-
gen des Ostens mit dem Westen zunächst nur mittelbar von
Bedeutung die Staatenreihe, welche vom südlichen Ende des
kaspischen Meeres zum Hellespont sich hinziehend das ganze
nördliche Kleinasien erfüllt: Atropatene (im heutigen Ader-
bidjan südwestlich vom kaspischen Meer), daneben Armenien,
Kappadokien im kleinasiatischen Binnenland, Pontos am süd-
östlichen, Bithynien am südwestlichen Ufer des schwarzen Mee-
res — sie alle Splitter des groſsen Perserreichs und beherrscht
von morgenländischen, meistens altpersischen Dynastien, die
entlegene Berglandschaft Atropatene namentlich die rechte
Zufluchtstätte des alten Perserthums, an der selbst Alexanders
Zug spurlos vorübergebraust war. — Von gröſserer Wichtigkeit
für die allgemeinen Verhältnisse ist der Keltenstamm, welcher
in dem kleinasiatischen Binnenland westlich von Kappadokien
sich ansässig gemacht hatte und dort in seiner heimischen
Gauverfassung lebte, beschäftigt von hier aus seinen unkriege-
rischen Nachbarn theils die Söldner zu jedem Krieg zu liefern,
theils die umliegenden Landschaften zu plündern oder zu
brandschatzen. Diese rohen, aber kräftigen Barbaren waren
der allgemeine Schreck der verweichlichten umwohnenden
Nationen, ja der asiatischen Groſskönige selbst, welche, nach-
dem manches asiatische Heer von den Kelten war aufgerieben
worden und König Antiochos I. Soter sogar selbst im Kampf
gegen sie sein Leben verloren hatte, zuletzt selber zur Zins-
zahlung sich verstanden. — Dem kühnen und glücklichen Auf-
treten gegen diese gallischen Horden verdankte es ein reicher
Bürger von Pergamon Attalos, daſs er von seiner Vaterstadt
den Königstitel empfing und ihn auf seine Nachkommen ver-
erbte. Dieser neue Hof war im Kleinen was der alexandrini-
sche im Groſsen; auch hier war die Förderung der materiel-
len Interessen, die Pflege von Kunst und Litteratur an der
Tagesordnung und das Regiment eine umsichtige und nüch-
terne Kabinetspolitik, deren wesentlicher Zweck war theils die
Macht der beiden gefährlichen festländischen Nachbarn zu
schwächen, theils einen selbstständigen Griechenstaat im west-
lichen Kleinasien zu begründen. Der wohlgefüllte Schatz trug
wesentlich zu der Bedeutung dieser pergamenischen Herren

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[506/0520] DRITTES BUCH. KAPITEL VIII. nien und Asien zwar auch unter einander rivalisirten, aber doch vor allen Dingen in Aegypten ihren gemeinschaftlichen Gegner fanden und ihm gegenüber zusammenhielten oder doch zusammenhalten sollten. Unter den Staaten zweiten Ranges ist für die Berührun- gen des Ostens mit dem Westen zunächst nur mittelbar von Bedeutung die Staatenreihe, welche vom südlichen Ende des kaspischen Meeres zum Hellespont sich hinziehend das ganze nördliche Kleinasien erfüllt: Atropatene (im heutigen Ader- bidjan südwestlich vom kaspischen Meer), daneben Armenien, Kappadokien im kleinasiatischen Binnenland, Pontos am süd- östlichen, Bithynien am südwestlichen Ufer des schwarzen Mee- res — sie alle Splitter des groſsen Perserreichs und beherrscht von morgenländischen, meistens altpersischen Dynastien, die entlegene Berglandschaft Atropatene namentlich die rechte Zufluchtstätte des alten Perserthums, an der selbst Alexanders Zug spurlos vorübergebraust war. — Von gröſserer Wichtigkeit für die allgemeinen Verhältnisse ist der Keltenstamm, welcher in dem kleinasiatischen Binnenland westlich von Kappadokien sich ansässig gemacht hatte und dort in seiner heimischen Gauverfassung lebte, beschäftigt von hier aus seinen unkriege- rischen Nachbarn theils die Söldner zu jedem Krieg zu liefern, theils die umliegenden Landschaften zu plündern oder zu brandschatzen. Diese rohen, aber kräftigen Barbaren waren der allgemeine Schreck der verweichlichten umwohnenden Nationen, ja der asiatischen Groſskönige selbst, welche, nach- dem manches asiatische Heer von den Kelten war aufgerieben worden und König Antiochos I. Soter sogar selbst im Kampf gegen sie sein Leben verloren hatte, zuletzt selber zur Zins- zahlung sich verstanden. — Dem kühnen und glücklichen Auf- treten gegen diese gallischen Horden verdankte es ein reicher Bürger von Pergamon Attalos, daſs er von seiner Vaterstadt den Königstitel empfing und ihn auf seine Nachkommen ver- erbte. Dieser neue Hof war im Kleinen was der alexandrini- sche im Groſsen; auch hier war die Förderung der materiel- len Interessen, die Pflege von Kunst und Litteratur an der Tagesordnung und das Regiment eine umsichtige und nüch- terne Kabinetspolitik, deren wesentlicher Zweck war theils die Macht der beiden gefährlichen festländischen Nachbarn zu schwächen, theils einen selbstständigen Griechenstaat im west- lichen Kleinasien zu begründen. Der wohlgefüllte Schatz trug wesentlich zu der Bedeutung dieser pergamenischen Herren

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 506. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/520>, abgerufen am 22.11.2024.