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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DRITTES BUCH. KAPITEL VI.
Cartagena nicht bloss die diesseitigen Spanier sich völlig unter-
worfen, sondern auch jenseit des Ebro die mächtigsten Für-
sten die karthagische Clientel mit der römischen vertauscht.
Scipio nutzte den Winter 545/6 dazu seine Flotte aufzulösen
und mit den dadurch gewonnenen Leuten sein Landheer so
zu vermehren, dass er zugleich den Norden bewachen und im
Süden die Offensive nachdrücklicher als bisher ergreifen könne.
So marschirte er im Jahre 546 nach Andalusien, wo er auf
Hasdrubal Barkas traf, der in Ausführung des lange gehegten
Planes dem Bruder zu Hülfe zu kommen nordwärts zog. Bei
Baecula kam es zur Schlacht, in der sich die Römer den
Sieg zuschrieben und 10000 Gefangene gemacht haben sollen;
aber Hasdrubal erreichte, wenn auch mit Aufopferung eines
Theiles seiner Armee, im Wesentlichen seinen Zweck. Mit
seiner Kasse, seinen Elephanten und dem besten Theil seiner
Truppen schlug er sich durch an die spanische Nordküste,
erreichte am Ocean hinziehend die westlichen, wie es scheint
nicht besetzten Pyrenäenpässe und stand noch vor dem Ein-
tritt der schlechten Jahreszeit in Gallien, wo er Winterquartier
nahm. Es zeigte sich, dass Scipios Entschluss mit der ihm
aufgetragenen Defensive die Offensive zu verbinden unüberlegt
und unweise gewesen war; der nächsten Aufgabe des spani-
schen Heeres, die nicht bloss Scipios Vater und Oheim, son-
dern selbst Gaius Marcius und Gaius Nero mit viel geringeren
Mitteln gelöst hatten, hatte der siegreiche Feldherr an der
Spitze einer starken Armee in seinem Uebermuth nicht genügt
und wesentlich verschuldete er die äusserst gefährliche Lage,
in der Rom im Sommer 547 schwebte, als Hannibals Plan
eines combinirten Angriffs auf die Römer endlich dennoch sich
realisirte. Indess die Götter deckten die Fehler ihres Lieb-
lings mit Lorbeeren zu. In Italien ging die Gefahr glücklich
vorüber; man liess sich das Bulletin des zweideutigen Sieges
von Baecula gefallen und gedachte, als neue Siegesberichte
aus Spanien einliefen, nicht weiter des Umstandes, dass man
den fähigsten Feldherrn und den Kern der spanisch-punischen
Armee in Italien zu bekämpfen gehabt hatte. -- Nach Has-
drubal Barkas Entfernung beschlossen die beiden in Spanien
zurückbleibenden Feldherren vorläufig zurückzuweichen, Has-
drubal Gisgons Sohn nach Lusitanien, Mago gar auf die Ba-
learen, und bis neue Verstärkungen aus Africa anlangten, nur
Massinissas leichte Reiterei in Spanien streifen zu lassen, ähn-
lich wie es Mutines in Sicilien mit so grossem Erfolge gethan.

DRITTES BUCH. KAPITEL VI.
Cartagena nicht bloſs die diesseitigen Spanier sich völlig unter-
worfen, sondern auch jenseit des Ebro die mächtigsten Für-
sten die karthagische Clientel mit der römischen vertauscht.
Scipio nutzte den Winter 545/6 dazu seine Flotte aufzulösen
und mit den dadurch gewonnenen Leuten sein Landheer so
zu vermehren, daſs er zugleich den Norden bewachen und im
Süden die Offensive nachdrücklicher als bisher ergreifen könne.
So marschirte er im Jahre 546 nach Andalusien, wo er auf
Hasdrubal Barkas traf, der in Ausführung des lange gehegten
Planes dem Bruder zu Hülfe zu kommen nordwärts zog. Bei
Baecula kam es zur Schlacht, in der sich die Römer den
Sieg zuschrieben und 10000 Gefangene gemacht haben sollen;
aber Hasdrubal erreichte, wenn auch mit Aufopferung eines
Theiles seiner Armee, im Wesentlichen seinen Zweck. Mit
seiner Kasse, seinen Elephanten und dem besten Theil seiner
Truppen schlug er sich durch an die spanische Nordküste,
erreichte am Ocean hinziehend die westlichen, wie es scheint
nicht besetzten Pyrenäenpässe und stand noch vor dem Ein-
tritt der schlechten Jahreszeit in Gallien, wo er Winterquartier
nahm. Es zeigte sich, daſs Scipios Entschluſs mit der ihm
aufgetragenen Defensive die Offensive zu verbinden unüberlegt
und unweise gewesen war; der nächsten Aufgabe des spani-
schen Heeres, die nicht bloſs Scipios Vater und Oheim, son-
dern selbst Gaius Marcius und Gaius Nero mit viel geringeren
Mitteln gelöst hatten, hatte der siegreiche Feldherr an der
Spitze einer starken Armee in seinem Uebermuth nicht genügt
und wesentlich verschuldete er die äuſserst gefährliche Lage,
in der Rom im Sommer 547 schwebte, als Hannibals Plan
eines combinirten Angriffs auf die Römer endlich dennoch sich
realisirte. Indeſs die Götter deckten die Fehler ihres Lieb-
lings mit Lorbeeren zu. In Italien ging die Gefahr glücklich
vorüber; man lieſs sich das Bulletin des zweideutigen Sieges
von Baecula gefallen und gedachte, als neue Siegesberichte
aus Spanien einliefen, nicht weiter des Umstandes, daſs man
den fähigsten Feldherrn und den Kern der spanisch-punischen
Armee in Italien zu bekämpfen gehabt hatte. — Nach Has-
drubal Barkas Entfernung beschlossen die beiden in Spanien
zurückbleibenden Feldherren vorläufig zurückzuweichen, Has-
drubal Gisgons Sohn nach Lusitanien, Mago gar auf die Ba-
learen, und bis neue Verstärkungen aus Africa anlangten, nur
Massinissas leichte Reiterei in Spanien streifen zu lassen, ähn-
lich wie es Mutines in Sicilien mit so groſsem Erfolge gethan.

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[454/0468] DRITTES BUCH. KAPITEL VI. Cartagena nicht bloſs die diesseitigen Spanier sich völlig unter- worfen, sondern auch jenseit des Ebro die mächtigsten Für- sten die karthagische Clientel mit der römischen vertauscht. Scipio nutzte den Winter 545/6 dazu seine Flotte aufzulösen und mit den dadurch gewonnenen Leuten sein Landheer so zu vermehren, daſs er zugleich den Norden bewachen und im Süden die Offensive nachdrücklicher als bisher ergreifen könne. So marschirte er im Jahre 546 nach Andalusien, wo er auf Hasdrubal Barkas traf, der in Ausführung des lange gehegten Planes dem Bruder zu Hülfe zu kommen nordwärts zog. Bei Baecula kam es zur Schlacht, in der sich die Römer den Sieg zuschrieben und 10000 Gefangene gemacht haben sollen; aber Hasdrubal erreichte, wenn auch mit Aufopferung eines Theiles seiner Armee, im Wesentlichen seinen Zweck. Mit seiner Kasse, seinen Elephanten und dem besten Theil seiner Truppen schlug er sich durch an die spanische Nordküste, erreichte am Ocean hinziehend die westlichen, wie es scheint nicht besetzten Pyrenäenpässe und stand noch vor dem Ein- tritt der schlechten Jahreszeit in Gallien, wo er Winterquartier nahm. Es zeigte sich, daſs Scipios Entschluſs mit der ihm aufgetragenen Defensive die Offensive zu verbinden unüberlegt und unweise gewesen war; der nächsten Aufgabe des spani- schen Heeres, die nicht bloſs Scipios Vater und Oheim, son- dern selbst Gaius Marcius und Gaius Nero mit viel geringeren Mitteln gelöst hatten, hatte der siegreiche Feldherr an der Spitze einer starken Armee in seinem Uebermuth nicht genügt und wesentlich verschuldete er die äuſserst gefährliche Lage, in der Rom im Sommer 547 schwebte, als Hannibals Plan eines combinirten Angriffs auf die Römer endlich dennoch sich realisirte. Indeſs die Götter deckten die Fehler ihres Lieb- lings mit Lorbeeren zu. In Italien ging die Gefahr glücklich vorüber; man lieſs sich das Bulletin des zweideutigen Sieges von Baecula gefallen und gedachte, als neue Siegesberichte aus Spanien einliefen, nicht weiter des Umstandes, daſs man den fähigsten Feldherrn und den Kern der spanisch-punischen Armee in Italien zu bekämpfen gehabt hatte. — Nach Has- drubal Barkas Entfernung beschlossen die beiden in Spanien zurückbleibenden Feldherren vorläufig zurückzuweichen, Has- drubal Gisgons Sohn nach Lusitanien, Mago gar auf die Ba- learen, und bis neue Verstärkungen aus Africa anlangten, nur Massinissas leichte Reiterei in Spanien streifen zu lassen, ähn- lich wie es Mutines in Sicilien mit so groſsem Erfolge gethan.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/468>, abgerufen am 19.05.2024.