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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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HANNIBALISCHER KRIEG.
Weg zeige', und sie hatte in der That das Glück die Mauern
hier unvertheidigt zu finden. So war am ersten Tage die
Stadt gewonnen, worauf Mago in der Burg capitulirte. Mit
der punischen Hauptstadt fielen 18 abgetakelte Kriegs- und
63 Lastschiffe, das gesammte Kriegsmaterial, bedeutende Ge-
treidevorräthe, die Kriegskasse von 600 Talenten (fast 1 Mill.
Thlr.), die Geisseln der sämmtlichen spanischen Bundesgenos-
sen Karthagos und zehntausend Gefangene, darunter achtzehn
karthagische Gerusiasten oder Richter in die Gewalt der Rö-
mer. Scipio verhiess den Geisseln die Erlaubniss zur Heimkehr,
so wie die Gemeinde eines jeden mit Rom in Bündniss getreten
sein würde, und nutzte die Hülfsmittel, die die Stadt ihm
darbot, sein Heer zu verstärken und in besseren Stand zu
bringen, indem er die neukarthagischen Handwerker, zwei-
tausend an der Zahl, für das römische Heer arbeiten hiess
gegen das Versprechen der Freiheit bei der Beendigung des
Krieges, und aus der übrigen Menge die fähigen Leute zum
Ruderdienst auf den Schiffen auslas. Nur die Stadtbürger
wurden geschont und ihnen die Freiheit und ihre bisherige Stel-
lung gelassen; Scipio kannte die Phoenikier und wusste, dass
sie gehorchen würden, und es war wichtig die Stadt mit dem
einzigen vortrefflichen Hafen an der Ostküste und den reichen
Silberbergwerken nicht bloss durch eine Besatzung zu sichern.
-- So war die verwegene Unternehmung gelungen; verwegen
desshalb, weil es Scipio nicht unbekannt war, dass Hasdrubal
Barkas von seiner Regierung den Befehl erhalten hatte nach
Gallien vorzudringen und diesen auszuführen beschäftigt war,
und weil die schwache am Ebro zurückgelassene Abtheilung
unmöglich im Stande war ihm dies ernstlich zu wehren, wenn
Scipios Rückkehr sich auch nur verzögerte. Indess er war
zurück in Tarraco, ehe Hasdrubal sich am Ebro gezeigt hatte;
das gefährliche Spiel, das der junge Feldherr spielte, als er
seine nächste Aufgabe im Stich liess um einen lockenden Streich
auszuführen, ward verdeckt durch den fabelhaften Erfolg, den
Neptunus und Scipio gemeinschaftlich gewonnen hatten. Die an
das Fabelhafte grenzende Einnahme der punischen Hauptstadt
rechtfertigte so über die Massen alles, was man daheim von
dem wunderbaren Jüngling sich versprochen hatte, dass jedes
andere Urtheil verstummen musste. Scipios Commando wurde
auf unbestimmte Zeit verlängert; er selber beschloss sich nicht
mehr auf die dürftige Aufgabe zu beschränken der Hüter der
Pyrenäenpässe zu sein. Schon hatten in Folge des Falles von

HANNIBALISCHER KRIEG.
Weg zeige‘, und sie hatte in der That das Glück die Mauern
hier unvertheidigt zu finden. So war am ersten Tage die
Stadt gewonnen, worauf Mago in der Burg capitulirte. Mit
der punischen Hauptstadt fielen 18 abgetakelte Kriegs- und
63 Lastschiffe, das gesammte Kriegsmaterial, bedeutende Ge-
treidevorräthe, die Kriegskasse von 600 Talenten (fast 1 Mill.
Thlr.), die Geiſseln der sämmtlichen spanischen Bundesgenos-
sen Karthagos und zehntausend Gefangene, darunter achtzehn
karthagische Gerusiasten oder Richter in die Gewalt der Rö-
mer. Scipio verhieſs den Geiſseln die Erlaubniſs zur Heimkehr,
so wie die Gemeinde eines jeden mit Rom in Bündniſs getreten
sein würde, und nutzte die Hülfsmittel, die die Stadt ihm
darbot, sein Heer zu verstärken und in besseren Stand zu
bringen, indem er die neukarthagischen Handwerker, zwei-
tausend an der Zahl, für das römische Heer arbeiten hieſs
gegen das Versprechen der Freiheit bei der Beendigung des
Krieges, und aus der übrigen Menge die fähigen Leute zum
Ruderdienst auf den Schiffen auslas. Nur die Stadtbürger
wurden geschont und ihnen die Freiheit und ihre bisherige Stel-
lung gelassen; Scipio kannte die Phoenikier und wuſste, daſs
sie gehorchen würden, und es war wichtig die Stadt mit dem
einzigen vortrefflichen Hafen an der Ostküste und den reichen
Silberbergwerken nicht bloſs durch eine Besatzung zu sichern.
— So war die verwegene Unternehmung gelungen; verwegen
deſshalb, weil es Scipio nicht unbekannt war, daſs Hasdrubal
Barkas von seiner Regierung den Befehl erhalten hatte nach
Gallien vorzudringen und diesen auszuführen beschäftigt war,
und weil die schwache am Ebro zurückgelassene Abtheilung
unmöglich im Stande war ihm dies ernstlich zu wehren, wenn
Scipios Rückkehr sich auch nur verzögerte. Indeſs er war
zurück in Tarraco, ehe Hasdrubal sich am Ebro gezeigt hatte;
das gefährliche Spiel, das der junge Feldherr spielte, als er
seine nächste Aufgabe im Stich lieſs um einen lockenden Streich
auszuführen, ward verdeckt durch den fabelhaften Erfolg, den
Neptunus und Scipio gemeinschaftlich gewonnen hatten. Die an
das Fabelhafte grenzende Einnahme der punischen Hauptstadt
rechtfertigte so über die Maſsen alles, was man daheim von
dem wunderbaren Jüngling sich versprochen hatte, daſs jedes
andere Urtheil verstummen muſste. Scipios Commando wurde
auf unbestimmte Zeit verlängert; er selber beschloſs sich nicht
mehr auf die dürftige Aufgabe zu beschränken der Hüter der
Pyrenäenpässe zu sein. Schon hatten in Folge des Falles von

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[453/0467] HANNIBALISCHER KRIEG. Weg zeige‘, und sie hatte in der That das Glück die Mauern hier unvertheidigt zu finden. So war am ersten Tage die Stadt gewonnen, worauf Mago in der Burg capitulirte. Mit der punischen Hauptstadt fielen 18 abgetakelte Kriegs- und 63 Lastschiffe, das gesammte Kriegsmaterial, bedeutende Ge- treidevorräthe, die Kriegskasse von 600 Talenten (fast 1 Mill. Thlr.), die Geiſseln der sämmtlichen spanischen Bundesgenos- sen Karthagos und zehntausend Gefangene, darunter achtzehn karthagische Gerusiasten oder Richter in die Gewalt der Rö- mer. Scipio verhieſs den Geiſseln die Erlaubniſs zur Heimkehr, so wie die Gemeinde eines jeden mit Rom in Bündniſs getreten sein würde, und nutzte die Hülfsmittel, die die Stadt ihm darbot, sein Heer zu verstärken und in besseren Stand zu bringen, indem er die neukarthagischen Handwerker, zwei- tausend an der Zahl, für das römische Heer arbeiten hieſs gegen das Versprechen der Freiheit bei der Beendigung des Krieges, und aus der übrigen Menge die fähigen Leute zum Ruderdienst auf den Schiffen auslas. Nur die Stadtbürger wurden geschont und ihnen die Freiheit und ihre bisherige Stel- lung gelassen; Scipio kannte die Phoenikier und wuſste, daſs sie gehorchen würden, und es war wichtig die Stadt mit dem einzigen vortrefflichen Hafen an der Ostküste und den reichen Silberbergwerken nicht bloſs durch eine Besatzung zu sichern. — So war die verwegene Unternehmung gelungen; verwegen deſshalb, weil es Scipio nicht unbekannt war, daſs Hasdrubal Barkas von seiner Regierung den Befehl erhalten hatte nach Gallien vorzudringen und diesen auszuführen beschäftigt war, und weil die schwache am Ebro zurückgelassene Abtheilung unmöglich im Stande war ihm dies ernstlich zu wehren, wenn Scipios Rückkehr sich auch nur verzögerte. Indeſs er war zurück in Tarraco, ehe Hasdrubal sich am Ebro gezeigt hatte; das gefährliche Spiel, das der junge Feldherr spielte, als er seine nächste Aufgabe im Stich lieſs um einen lockenden Streich auszuführen, ward verdeckt durch den fabelhaften Erfolg, den Neptunus und Scipio gemeinschaftlich gewonnen hatten. Die an das Fabelhafte grenzende Einnahme der punischen Hauptstadt rechtfertigte so über die Maſsen alles, was man daheim von dem wunderbaren Jüngling sich versprochen hatte, daſs jedes andere Urtheil verstummen muſste. Scipios Commando wurde auf unbestimmte Zeit verlängert; er selber beschloſs sich nicht mehr auf die dürftige Aufgabe zu beschränken der Hüter der Pyrenäenpässe zu sein. Schon hatten in Folge des Falles von

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/467>, abgerufen am 24.11.2024.