Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.HANNIBALISCHER KRIEG. Versuche gemacht hatte sich der Tyrannei des fremden Mili-tärs zu entziehen, selbst nach den nicht löblichen Grundsätzen des römischen Staatsrechts über die Behandlung bundbrüchiger Gemeinden Gnade eintreten können. Allein nicht bloss be- fleckte Marcellus seine Kriegerehre durch die Gestattung einer allgemeinen Plünderung der reichen Kaufstadt, bei der mit zahlreichen anderen Bürgern auch Archimedes den Tod fand, sondern auch der römische Senat hatte kein Ohr für die ver- späteten Beschwerden der Syrakusaner über den gefeierten Feldherrn und gab weder den Einzelnen die Beute zurück noch der Stadt ihre Freiheit. -- Sicilien schien damit für die Karthager verloren; allein Hannibals Genie war auch hier in der Ferne thätig. Er sandte zu dem karthagischen Heer, das unter Hanno und Epikydes rath- und thatlos bei Akragas stand, einen libyschen Reiteroffizier, den Mutines, der den Befehl der numidischen Reiterei übernahm und mit seinen flüchtigen Schaaren, den bittern Hass, den die römische Zwing- herrschaft auf der ganzen Insel gesäet hatte, zu offener Flamme anfachend, einen Guerillakrieg in der weitesten Ausdehnung und mit dem glücklichsten Erfolg begann, ja sogar, als am Himera- fluss die karthagische und die römische Armee auf einander trafen, gegen Marcellus selbst mit Glück einige Gefechte bestand. Indess das Verhältniss, das zwischen Hannibal und dem kar- thagischen Rath obwaltete, wiederholte hier sich im Kleinen. Der vom Rath bestellte Feldherr verfolgte mit eifersüchtigem Neid den von Hannibal gesandten Offizier und bestand darauf dem Proconsul eine Schlacht zu liefern ohne Mutines und die Numidier. Hannos Wille geschah und er ward vollständig geschlagen. Mutines liess sich dadurch nicht irren; er be- hauptete sich im Innern des Landes, besetzte mehrere kleine Städte und konnte, da von Karthago nicht unbeträchtliche Verstärkungen ihm zukamen, seine Operationen allmählich ausdehnen. Seine Erfolge waren so glänzend, dass endlich der Oberfeldherr, da er den Reiteroffizier nicht anders hin- dern konnte ihn zu verdunkeln, demselben kurzweg das Com- mando über die leichte Reiterei abnahm und es seinem Sohn übertrug. Der Numidier, der nun seit zwei Jahren seinen punischen Herren die Insel erhalten hatte, fand hiemit das Mass seiner Geduld erschöpft; er und seine Reiter, die dem jüngeren Hanno zu folgen sich weigerten, traten in Unter- handlung mit dem römischen Feldherrn Marcus Valerius Lae- vinus und lieferten ihm Akragas aus. Hanno entwich in einem HANNIBALISCHER KRIEG. Versuche gemacht hatte sich der Tyrannei des fremden Mili-tärs zu entziehen, selbst nach den nicht löblichen Grundsätzen des römischen Staatsrechts über die Behandlung bundbrüchiger Gemeinden Gnade eintreten können. Allein nicht bloſs be- fleckte Marcellus seine Kriegerehre durch die Gestattung einer allgemeinen Plünderung der reichen Kaufstadt, bei der mit zahlreichen anderen Bürgern auch Archimedes den Tod fand, sondern auch der römische Senat hatte kein Ohr für die ver- späteten Beschwerden der Syrakusaner über den gefeierten Feldherrn und gab weder den Einzelnen die Beute zurück noch der Stadt ihre Freiheit. — Sicilien schien damit für die Karthager verloren; allein Hannibals Genie war auch hier in der Ferne thätig. Er sandte zu dem karthagischen Heer, das unter Hanno und Epikydes rath- und thatlos bei Akragas stand, einen libyschen Reiteroffizier, den Mutines, der den Befehl der numidischen Reiterei übernahm und mit seinen flüchtigen Schaaren, den bittern Haſs, den die römische Zwing- herrschaft auf der ganzen Insel gesäet hatte, zu offener Flamme anfachend, einen Guerillakrieg in der weitesten Ausdehnung und mit dem glücklichsten Erfolg begann, ja sogar, als am Himera- fluſs die karthagische und die römische Armee auf einander trafen, gegen Marcellus selbst mit Glück einige Gefechte bestand. Indeſs das Verhältniſs, das zwischen Hannibal und dem kar- thagischen Rath obwaltete, wiederholte hier sich im Kleinen. Der vom Rath bestellte Feldherr verfolgte mit eifersüchtigem Neid den von Hannibal gesandten Offizier und bestand darauf dem Proconsul eine Schlacht zu liefern ohne Mutines und die Numidier. Hannos Wille geschah und er ward vollständig geschlagen. Mutines lieſs sich dadurch nicht irren; er be- hauptete sich im Innern des Landes, besetzte mehrere kleine Städte und konnte, da von Karthago nicht unbeträchtliche Verstärkungen ihm zukamen, seine Operationen allmählich ausdehnen. Seine Erfolge waren so glänzend, daſs endlich der Oberfeldherr, da er den Reiteroffizier nicht anders hin- dern konnte ihn zu verdunkeln, demselben kurzweg das Com- mando über die leichte Reiterei abnahm und es seinem Sohn übertrug. Der Numidier, der nun seit zwei Jahren seinen punischen Herren die Insel erhalten hatte, fand hiemit das Maſs seiner Geduld erschöpft; er und seine Reiter, die dem jüngeren Hanno zu folgen sich weigerten, traten in Unter- handlung mit dem römischen Feldherrn Marcus Valerius Lae- vinus und lieferten ihm Akragas aus. 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HANNIBALISCHER KRIEG.
Versuche gemacht hatte sich der Tyrannei des fremden Mili-
tärs zu entziehen, selbst nach den nicht löblichen Grundsätzen
des römischen Staatsrechts über die Behandlung bundbrüchiger
Gemeinden Gnade eintreten können. Allein nicht bloſs be-
fleckte Marcellus seine Kriegerehre durch die Gestattung einer
allgemeinen Plünderung der reichen Kaufstadt, bei der mit
zahlreichen anderen Bürgern auch Archimedes den Tod fand,
sondern auch der römische Senat hatte kein Ohr für die ver-
späteten Beschwerden der Syrakusaner über den gefeierten
Feldherrn und gab weder den Einzelnen die Beute zurück
noch der Stadt ihre Freiheit. — Sicilien schien damit für die
Karthager verloren; allein Hannibals Genie war auch hier in
der Ferne thätig. Er sandte zu dem karthagischen Heer, das
unter Hanno und Epikydes rath- und thatlos bei Akragas
stand, einen libyschen Reiteroffizier, den Mutines, der den
Befehl der numidischen Reiterei übernahm und mit seinen
flüchtigen Schaaren, den bittern Haſs, den die römische Zwing-
herrschaft auf der ganzen Insel gesäet hatte, zu offener Flamme
anfachend, einen Guerillakrieg in der weitesten Ausdehnung und
mit dem glücklichsten Erfolg begann, ja sogar, als am Himera-
fluſs die karthagische und die römische Armee auf einander
trafen, gegen Marcellus selbst mit Glück einige Gefechte bestand.
Indeſs das Verhältniſs, das zwischen Hannibal und dem kar-
thagischen Rath obwaltete, wiederholte hier sich im Kleinen.
Der vom Rath bestellte Feldherr verfolgte mit eifersüchtigem
Neid den von Hannibal gesandten Offizier und bestand darauf
dem Proconsul eine Schlacht zu liefern ohne Mutines und die
Numidier. Hannos Wille geschah und er ward vollständig
geschlagen. Mutines lieſs sich dadurch nicht irren; er be-
hauptete sich im Innern des Landes, besetzte mehrere kleine
Städte und konnte, da von Karthago nicht unbeträchtliche
Verstärkungen ihm zukamen, seine Operationen allmählich
ausdehnen. Seine Erfolge waren so glänzend, daſs endlich
der Oberfeldherr, da er den Reiteroffizier nicht anders hin-
dern konnte ihn zu verdunkeln, demselben kurzweg das Com-
mando über die leichte Reiterei abnahm und es seinem Sohn
übertrug. Der Numidier, der nun seit zwei Jahren seinen
punischen Herren die Insel erhalten hatte, fand hiemit das
Maſs seiner Geduld erschöpft; er und seine Reiter, die dem
jüngeren Hanno zu folgen sich weigerten, traten in Unter-
handlung mit dem römischen Feldherrn Marcus Valerius Lae-
vinus und lieferten ihm Akragas aus. Hanno entwich in einem
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