Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.DRITTES BUCH. KAPITEL VI. mauern. Die Festung Euryalos, die am äussersten westlichenEnde der Vorstädte gelegen diese und die vom Binnenland nach Syrakus führende Hauptstrasse sicherte, war hiemit ab- geschnitten und fiel nicht lange nachher. Als so die Belage- rung der Stadt eine den Römern günstige Wendung zu neh- men begann, rückten die beiden Heere unter Himilko und Hippokrates zum Ersatz heran und versuchten einen gleich- zeitigen überdies noch mit einem Landungsversuch der kar- thagischen Flotte und einem Ausfall der syrakusanischen Be- satzung combinirten Angriff auf die römischen Stellungen; allein er ward allerseits abgeschlagen und die beiden Entsatz- heere mussten sich begnügen vor der Stadt ihr Lager auf- zuschlagen, in den sumpfigen Niederungen des Anapos, die im Hochsommer und im Herbst dem darin Verweilenden tödt- liche Seuchen erzeugen. Oft hatten diese die Stadt gerettet, öfter als die Tapferkeit der Bürger; zwei punische Heere, da- mals die Stadt belagernd, waren zu den Zeiten des ersten Dionys unter den Mauern der Stadt durch diese Seuchen ver- nichtet worden. Jetzt wendete der Stadt die eigene Schutz- wehr das Schicksal zum Verderben; während Marcellus Heer in den Vorstädten einquartiert nur wenig litt, verödeten die Fieber die punischen und die syrakusanischen Bivouacs. Hippo- krates starb, desgleichen Himilko und die meisten Punier; die Ueberbleibsel der beiden Heere, grösstentheils eingeborne Si- culer, verliefen sich in die benachbarten Städte. Noch mach- ten die Karthager einen Versuch die Stadt durch eine Flotte zu retten; allein ihr Admiral Bomilkar entwich, als ihm der Feind die Seeschlacht anbot. Nun gab selbst Epikydes, der in der Stadt befehligte, dieselbe verloren und entrann nach Akragas. Gern hätte Syrakus sich den Römern ergeben; die Verhandlungen hatten schon begonnen. Allein zum zwei- ten Mal scheiterten sie an den Ueberläufern; in einer aber- maligen Meuterei der Soldaten wurden die Vorsteher der Bürgerschaft und eine Anzahl angesehener Bürger erschlagen und das Regiment und die Vertheidigung der Stadt von den fremden Truppen ihren Hauptleuten übertragen. Nun knüpfte Marcellus mit einem von diesen eine Unterhandlung an, die ihm den einen der beiden noch freien Stadttheile, die Insel in die Hände lieferte; worauf die Bürgerschaft ihm freiwillig auch die Thore von Achradina aufthat (Herbst 542). Wenn irgendwo hätte gegen diese Stadt, die offenbar nicht in ihrer eigenen Gewalt gewesen war und mehrfach die ernstlichsten DRITTES BUCH. KAPITEL VI. mauern. Die Festung Euryalos, die am äuſsersten westlichenEnde der Vorstädte gelegen diese und die vom Binnenland nach Syrakus führende Hauptstraſse sicherte, war hiemit ab- geschnitten und fiel nicht lange nachher. Als so die Belage- rung der Stadt eine den Römern günstige Wendung zu neh- men begann, rückten die beiden Heere unter Himilko und Hippokrates zum Ersatz heran und versuchten einen gleich- zeitigen überdies noch mit einem Landungsversuch der kar- thagischen Flotte und einem Ausfall der syrakusanischen Be- satzung combinirten Angriff auf die römischen Stellungen; allein er ward allerseits abgeschlagen und die beiden Entsatz- heere muſsten sich begnügen vor der Stadt ihr Lager auf- zuschlagen, in den sumpfigen Niederungen des Anapos, die im Hochsommer und im Herbst dem darin Verweilenden tödt- liche Seuchen erzeugen. Oft hatten diese die Stadt gerettet, öfter als die Tapferkeit der Bürger; zwei punische Heere, da- mals die Stadt belagernd, waren zu den Zeiten des ersten Dionys unter den Mauern der Stadt durch diese Seuchen ver- nichtet worden. Jetzt wendete der Stadt die eigene Schutz- wehr das Schicksal zum Verderben; während Marcellus Heer in den Vorstädten einquartiert nur wenig litt, verödeten die Fieber die punischen und die syrakusanischen Bivouacs. Hippo- krates starb, desgleichen Himilko und die meisten Punier; die Ueberbleibsel der beiden Heere, gröſstentheils eingeborne Si- culer, verliefen sich in die benachbarten Städte. Noch mach- ten die Karthager einen Versuch die Stadt durch eine Flotte zu retten; allein ihr Admiral Bomilkar entwich, als ihm der Feind die Seeschlacht anbot. Nun gab selbst Epikydes, der in der Stadt befehligte, dieselbe verloren und entrann nach Akragas. Gern hätte Syrakus sich den Römern ergeben; die Verhandlungen hatten schon begonnen. Allein zum zwei- ten Mal scheiterten sie an den Ueberläufern; in einer aber- maligen Meuterei der Soldaten wurden die Vorsteher der Bürgerschaft und eine Anzahl angesehener Bürger erschlagen und das Regiment und die Vertheidigung der Stadt von den fremden Truppen ihren Hauptleuten übertragen. Nun knüpfte Marcellus mit einem von diesen eine Unterhandlung an, die ihm den einen der beiden noch freien Stadttheile, die Insel in die Hände lieferte; worauf die Bürgerschaft ihm freiwillig auch die Thore von Achradina aufthat (Herbst 542). Wenn irgendwo hätte gegen diese Stadt, die offenbar nicht in ihrer eigenen Gewalt gewesen war und mehrfach die ernstlichsten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0454" n="440"/><fw place="top" type="header">DRITTES BUCH. KAPITEL VI.</fw><lb/> mauern. 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DRITTES BUCH. KAPITEL VI.
mauern. Die Festung Euryalos, die am äuſsersten westlichen
Ende der Vorstädte gelegen diese und die vom Binnenland
nach Syrakus führende Hauptstraſse sicherte, war hiemit ab-
geschnitten und fiel nicht lange nachher. Als so die Belage-
rung der Stadt eine den Römern günstige Wendung zu neh-
men begann, rückten die beiden Heere unter Himilko und
Hippokrates zum Ersatz heran und versuchten einen gleich-
zeitigen überdies noch mit einem Landungsversuch der kar-
thagischen Flotte und einem Ausfall der syrakusanischen Be-
satzung combinirten Angriff auf die römischen Stellungen;
allein er ward allerseits abgeschlagen und die beiden Entsatz-
heere muſsten sich begnügen vor der Stadt ihr Lager auf-
zuschlagen, in den sumpfigen Niederungen des Anapos, die
im Hochsommer und im Herbst dem darin Verweilenden tödt-
liche Seuchen erzeugen. Oft hatten diese die Stadt gerettet,
öfter als die Tapferkeit der Bürger; zwei punische Heere, da-
mals die Stadt belagernd, waren zu den Zeiten des ersten
Dionys unter den Mauern der Stadt durch diese Seuchen ver-
nichtet worden. Jetzt wendete der Stadt die eigene Schutz-
wehr das Schicksal zum Verderben; während Marcellus Heer
in den Vorstädten einquartiert nur wenig litt, verödeten die
Fieber die punischen und die syrakusanischen Bivouacs. Hippo-
krates starb, desgleichen Himilko und die meisten Punier; die
Ueberbleibsel der beiden Heere, gröſstentheils eingeborne Si-
culer, verliefen sich in die benachbarten Städte. Noch mach-
ten die Karthager einen Versuch die Stadt durch eine Flotte
zu retten; allein ihr Admiral Bomilkar entwich, als ihm der
Feind die Seeschlacht anbot. Nun gab selbst Epikydes, der
in der Stadt befehligte, dieselbe verloren und entrann nach
Akragas. Gern hätte Syrakus sich den Römern ergeben;
die Verhandlungen hatten schon begonnen. Allein zum zwei-
ten Mal scheiterten sie an den Ueberläufern; in einer aber-
maligen Meuterei der Soldaten wurden die Vorsteher der
Bürgerschaft und eine Anzahl angesehener Bürger erschlagen
und das Regiment und die Vertheidigung der Stadt von den
fremden Truppen ihren Hauptleuten übertragen. Nun knüpfte
Marcellus mit einem von diesen eine Unterhandlung an, die
ihm den einen der beiden noch freien Stadttheile, die Insel
in die Hände lieferte; worauf die Bürgerschaft ihm freiwillig
auch die Thore von Achradina aufthat (Herbst 542). Wenn
irgendwo hätte gegen diese Stadt, die offenbar nicht in ihrer
eigenen Gewalt gewesen war und mehrfach die ernstlichsten
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