Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.DRITTES BUCH. KAPITEL IV. Zukunft zurückzulegen. Aber die Provinz bildete und schultezugleich die Armee. Im karthagischen Gebiet fanden regel- mässige Aushebungen statt; die Kriegsgefangenen wurden untergesteckt in die karthagischen Corps; von den abhängi- gen Gemeinden kam Zuzug und kamen Söldner, so viel man begehrte. In dem langen Kriegsleben fand der Soldat im Lager eine zweite Heimath und als Ersatz für den Patriotis- mus den Fahnensinn und die begeisterte Anhänglichkeit an seine grossen Führer; die ewigen Kämpfe mit den tapfern Iberern und Kelten schufen zu der vorzüglichen numidischen Reiterei ein vortreffliches Fussvolk. -- Von Karthago aus liess man die Barkas machen. Da der Bürgerschaft regelmässige Lei- stungen nicht abverlangt wurden, sondern vielmehr für sie noch etwas abfiel, auch der Handel in Spanien wiederfand was er in Sicilien und Sardinien verloren, wurde der spanische Krieg und das spanische Heer mit seinen glänzenden Siegen und wichtigen Erfolgen bald so populär, dass es sogar möglich ward in einzelnen Krisen, zum Beispiel nach Hamilkars Fall, bedeutende Nachsendungen africanischer Truppen nach Spa- nien durchzusetzen und die Regierungspartei wohl oder übel schweigen oder doch sich begnügen musste unter sich und gegen die Freunde in Rom auf die demagogischen Offiziere und den Pöbel zu schelten. -- Auch von Rom aus geschah nichts um den spanischen Angelegenheiten ernstlich eine an- dere Wendung zu geben. Die erste und vornehmste Ursache der Unthätigkeit der Römer war unzweifelhaft eben ihre Unbe- kanntschaft mit den Verhältnissen der entlegenen Halbinsel, wel- che sicher auch für Hamilkar die Hauptursache gewesen ist zur Ausführung seines Planes Spanien und nicht, wie es sonst nicht unmöglich gewesen wäre, Africa selbst zu erwählen. Zwar die Erklärungen, mit denen die karthagischen Feldherren den römischen um Erkundigungen an Ort und Stelle einzuziehen nach Spanien gesandten Commissarien entgegenkamen, die Ver- sicherungen, dass alles dies nur geschehe um die römischen Kriegscontributionen prompt zahlen zu können, fanden schwer- lich vollen Glauben im Senat; allein man erkannte wahrschein- lich von Hamilkars Plänen nur den nächsten Zweck: für die Tribute und den Handel der verlorenen Inseln in Spanien Ersatz zu finden, und hielt einen Angriffskrieg der Karthager, und namentlich eine Invasion nach Italien von Spanien aus, wie das sowohl ausdrückliche Angaben als die ganze Lage der Sache bezeugen, für schlechterdings unmöglich. Dass unter DRITTES BUCH. KAPITEL IV. Zukunft zurückzulegen. Aber die Provinz bildete und schultezugleich die Armee. Im karthagischen Gebiet fanden regel- mäſsige Aushebungen statt; die Kriegsgefangenen wurden untergesteckt in die karthagischen Corps; von den abhängi- gen Gemeinden kam Zuzug und kamen Söldner, so viel man begehrte. In dem langen Kriegsleben fand der Soldat im Lager eine zweite Heimath und als Ersatz für den Patriotis- mus den Fahnensinn und die begeisterte Anhänglichkeit an seine groſsen Führer; die ewigen Kämpfe mit den tapfern Iberern und Kelten schufen zu der vorzüglichen numidischen Reiterei ein vortreffliches Fuſsvolk. — Von Karthago aus lieſs man die Barkas machen. Da der Bürgerschaft regelmäſsige Lei- stungen nicht abverlangt wurden, sondern vielmehr für sie noch etwas abfiel, auch der Handel in Spanien wiederfand was er in Sicilien und Sardinien verloren, wurde der spanische Krieg und das spanische Heer mit seinen glänzenden Siegen und wichtigen Erfolgen bald so populär, daſs es sogar möglich ward in einzelnen Krisen, zum Beispiel nach Hamilkars Fall, bedeutende Nachsendungen africanischer Truppen nach Spa- nien durchzusetzen und die Regierungspartei wohl oder übel schweigen oder doch sich begnügen muſste unter sich und gegen die Freunde in Rom auf die demagogischen Offiziere und den Pöbel zu schelten. — Auch von Rom aus geschah nichts um den spanischen Angelegenheiten ernstlich eine an- dere Wendung zu geben. Die erste und vornehmste Ursache der Unthätigkeit der Römer war unzweifelhaft eben ihre Unbe- kanntschaft mit den Verhältnissen der entlegenen Halbinsel, wel- che sicher auch für Hamilkar die Hauptursache gewesen ist zur Ausführung seines Planes Spanien und nicht, wie es sonst nicht unmöglich gewesen wäre, Africa selbst zu erwählen. Zwar die Erklärungen, mit denen die karthagischen Feldherren den römischen um Erkundigungen an Ort und Stelle einzuziehen nach Spanien gesandten Commissarien entgegenkamen, die Ver- sicherungen, daſs alles dies nur geschehe um die römischen Kriegscontributionen prompt zahlen zu können, fanden schwer- lich vollen Glauben im Senat; allein man erkannte wahrschein- lich von Hamilkars Plänen nur den nächsten Zweck: für die Tribute und den Handel der verlorenen Inseln in Spanien Ersatz zu finden, und hielt einen Angriffskrieg der Karthager, und namentlich eine Invasion nach Italien von Spanien aus, wie das sowohl ausdrückliche Angaben als die ganze Lage der Sache bezeugen, für schlechterdings unmöglich. Daſs unter <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0400" n="386"/><fw place="top" type="header">DRITTES BUCH. KAPITEL IV.</fw><lb/> Zukunft zurückzulegen. Aber die Provinz bildete und schulte<lb/> zugleich die Armee. 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DRITTES BUCH. KAPITEL IV.
Zukunft zurückzulegen. Aber die Provinz bildete und schulte
zugleich die Armee. Im karthagischen Gebiet fanden regel-
mäſsige Aushebungen statt; die Kriegsgefangenen wurden
untergesteckt in die karthagischen Corps; von den abhängi-
gen Gemeinden kam Zuzug und kamen Söldner, so viel man
begehrte. In dem langen Kriegsleben fand der Soldat im
Lager eine zweite Heimath und als Ersatz für den Patriotis-
mus den Fahnensinn und die begeisterte Anhänglichkeit an seine
groſsen Führer; die ewigen Kämpfe mit den tapfern Iberern
und Kelten schufen zu der vorzüglichen numidischen Reiterei
ein vortreffliches Fuſsvolk. — Von Karthago aus lieſs man
die Barkas machen. Da der Bürgerschaft regelmäſsige Lei-
stungen nicht abverlangt wurden, sondern vielmehr für sie noch
etwas abfiel, auch der Handel in Spanien wiederfand was er
in Sicilien und Sardinien verloren, wurde der spanische Krieg
und das spanische Heer mit seinen glänzenden Siegen und
wichtigen Erfolgen bald so populär, daſs es sogar möglich
ward in einzelnen Krisen, zum Beispiel nach Hamilkars Fall,
bedeutende Nachsendungen africanischer Truppen nach Spa-
nien durchzusetzen und die Regierungspartei wohl oder übel
schweigen oder doch sich begnügen muſste unter sich und
gegen die Freunde in Rom auf die demagogischen Offiziere
und den Pöbel zu schelten. — Auch von Rom aus geschah
nichts um den spanischen Angelegenheiten ernstlich eine an-
dere Wendung zu geben. Die erste und vornehmste Ursache
der Unthätigkeit der Römer war unzweifelhaft eben ihre Unbe-
kanntschaft mit den Verhältnissen der entlegenen Halbinsel, wel-
che sicher auch für Hamilkar die Hauptursache gewesen ist zur
Ausführung seines Planes Spanien und nicht, wie es sonst nicht
unmöglich gewesen wäre, Africa selbst zu erwählen. Zwar
die Erklärungen, mit denen die karthagischen Feldherren den
römischen um Erkundigungen an Ort und Stelle einzuziehen
nach Spanien gesandten Commissarien entgegenkamen, die Ver-
sicherungen, daſs alles dies nur geschehe um die römischen
Kriegscontributionen prompt zahlen zu können, fanden schwer-
lich vollen Glauben im Senat; allein man erkannte wahrschein-
lich von Hamilkars Plänen nur den nächsten Zweck: für die
Tribute und den Handel der verlorenen Inseln in Spanien
Ersatz zu finden, und hielt einen Angriffskrieg der Karthager,
und namentlich eine Invasion nach Italien von Spanien aus,
wie das sowohl ausdrückliche Angaben als die ganze Lage der
Sache bezeugen, für schlechterdings unmöglich. Daſs unter
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