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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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DRITTES BUCH. KAPITEL IV.
man zu einer politischen Reform *. Von der Unverbesserlich-
keit der Regimentspartei hatte man sich hinreichend überzeugt;
dass die regierenden Herren auch im letzten Krieg weder ihren
Groll vergessen noch grössere Weisheit gelernt hatten, zeigte
zum Beispiel die ans Naive grenzende Unverschämtheit, dass
sie jetzt dem Hamilkar den Prozess machten als dem Urheber
des Söldnerkrieges, insofern er ohne Vollmacht der Regie-
rung seinen sicilischen Soldaten Geldversprechungen gemacht
habe. Wenn der Klub der Offiziere und Volksführer die mor-
schen Stühle dieses Missregiments hätten umstossen wollen,
so würden sie in Karthago selbst schwerlich auf grosse
Schwierigkeiten gestossen sein; allein auf desto grössere in
Rom, mit dem die regierenden Herren von Karthago schon
in Verbindungen standen, die an Landesverrath grenzten. Zu
allen übrigen Schwierigkeiten der Lage kam noch die hinzu,
dass die Mittel zur Rettung des Vaterlandes geschaffen werden
mussten, ohne dass weder die Römer noch die eigene römisch
gesinnte Regierung darum gewahr wurden. -- So liess man
die Verfassung unangetastet und die regierenden Herren im
vollen Genuss ihrer Sonderrechte und des gemeinen Gutes.
Es ward bloss beantragt und durchgesetzt, dass von den bei-
den Oberfeldherren, die am Ende des libyschen Krieges an
der Spitze der karthagischen Truppen standen, Hanno und
Hamilkar, der erstere abberufen und der letztere zum Ober-
feldherrn für ganz Africa auf unbestimmte Zeit in der Art
ernannt ward, dass er eine von den Regierungscollegien un-
abhängige Stellung -- eine verfassungswidrige monarchische
Gewalt nannten es die Gegner, Cato eine Dictatur -- erhielt
und nur von der Volksversammlung abberufen und zur Ver-
antwortung gezogen werden durfte **. Selbst die Wahl eines

* Wir sind über diese Vorgänge nicht bloss unvollkommen berichtet,
sondern auch einseitig, da natürlich die Version der karthagischen Friedens-
partei die der römischen Annalisten wurde. Indess selbst in unsern zer-
trümmerten und getrübten Berichten -- die wichtigsten sind Fabius bei
Polybios 3, 8; Appian Hisp. 4 und Diodor 25 S. 567 -- erscheinen die
Verhältnisse der Parteien deutlich genug. Von dem gemeinen Klatsch, mit
dem die ,revolutionäre Verbindung' (etaireia ton ponerotaton anthro-
pon) von ihren Gegnern beschmutzt ward, kann man bei Nepos (Ham. 3)
Proben lesen, die ihres Gleichen suchen, vielleicht auch finden.
** Die Barkas schliessen die wichtigsten Staatsverträge ab und die Ra-
tification der Behörde ist eine Formalität (Pol. 3, 21); Rom protestirt bei
ihnen und beim Senat (Pol. 3, 15). Die Stellung der Barkas zu Karthago
hat manche Aehnlichkeit mit der der Oranier gegen die Generalstaaten.

DRITTES BUCH. KAPITEL IV.
man zu einer politischen Reform *. Von der Unverbesserlich-
keit der Regimentspartei hatte man sich hinreichend überzeugt;
daſs die regierenden Herren auch im letzten Krieg weder ihren
Groll vergessen noch gröſsere Weisheit gelernt hatten, zeigte
zum Beispiel die ans Naive grenzende Unverschämtheit, daſs
sie jetzt dem Hamilkar den Prozeſs machten als dem Urheber
des Söldnerkrieges, insofern er ohne Vollmacht der Regie-
rung seinen sicilischen Soldaten Geldversprechungen gemacht
habe. Wenn der Klub der Offiziere und Volksführer die mor-
schen Stühle dieses Miſsregiments hätten umstoſsen wollen,
so würden sie in Karthago selbst schwerlich auf groſse
Schwierigkeiten gestoſsen sein; allein auf desto gröſsere in
Rom, mit dem die regierenden Herren von Karthago schon
in Verbindungen standen, die an Landesverrath grenzten. Zu
allen übrigen Schwierigkeiten der Lage kam noch die hinzu,
daſs die Mittel zur Rettung des Vaterlandes geschaffen werden
muſsten, ohne daſs weder die Römer noch die eigene römisch
gesinnte Regierung darum gewahr wurden. — So lieſs man
die Verfassung unangetastet und die regierenden Herren im
vollen Genuſs ihrer Sonderrechte und des gemeinen Gutes.
Es ward bloſs beantragt und durchgesetzt, daſs von den bei-
den Oberfeldherren, die am Ende des libyschen Krieges an
der Spitze der karthagischen Truppen standen, Hanno und
Hamilkar, der erstere abberufen und der letztere zum Ober-
feldherrn für ganz Africa auf unbestimmte Zeit in der Art
ernannt ward, daſs er eine von den Regierungscollegien un-
abhängige Stellung — eine verfassungswidrige monarchische
Gewalt nannten es die Gegner, Cato eine Dictatur — erhielt
und nur von der Volksversammlung abberufen und zur Ver-
antwortung gezogen werden durfte **. Selbst die Wahl eines

* Wir sind über diese Vorgänge nicht bloſs unvollkommen berichtet,
sondern auch einseitig, da natürlich die Version der karthagischen Friedens-
partei die der römischen Annalisten wurde. Indeſs selbst in unsern zer-
trümmerten und getrübten Berichten — die wichtigsten sind Fabius bei
Polybios 3, 8; Appian Hisp. 4 und Diodor 25 S. 567 — erscheinen die
Verhältnisse der Parteien deutlich genug. Von dem gemeinen Klatsch, mit
dem die ‚revolutionäre Verbindung‘ (έταιϱεία τῶν πονηϱοτάτων ἀνϑϱώ-
πων) von ihren Gegnern beschmutzt ward, kann man bei Nepos (Ham. 3)
Proben lesen, die ihres Gleichen suchen, vielleicht auch finden.
** Die Barkas schlieſsen die wichtigsten Staatsverträge ab und die Ra-
tification der Behörde ist eine Formalität (Pol. 3, 21); Rom protestirt bei
ihnen und beim Senat (Pol. 3, 15). Die Stellung der Barkas zu Karthago
hat manche Aehnlichkeit mit der der Oranier gegen die Generalstaaten.
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[382/0396] DRITTES BUCH. KAPITEL IV. man zu einer politischen Reform *. Von der Unverbesserlich- keit der Regimentspartei hatte man sich hinreichend überzeugt; daſs die regierenden Herren auch im letzten Krieg weder ihren Groll vergessen noch gröſsere Weisheit gelernt hatten, zeigte zum Beispiel die ans Naive grenzende Unverschämtheit, daſs sie jetzt dem Hamilkar den Prozeſs machten als dem Urheber des Söldnerkrieges, insofern er ohne Vollmacht der Regie- rung seinen sicilischen Soldaten Geldversprechungen gemacht habe. Wenn der Klub der Offiziere und Volksführer die mor- schen Stühle dieses Miſsregiments hätten umstoſsen wollen, so würden sie in Karthago selbst schwerlich auf groſse Schwierigkeiten gestoſsen sein; allein auf desto gröſsere in Rom, mit dem die regierenden Herren von Karthago schon in Verbindungen standen, die an Landesverrath grenzten. Zu allen übrigen Schwierigkeiten der Lage kam noch die hinzu, daſs die Mittel zur Rettung des Vaterlandes geschaffen werden muſsten, ohne daſs weder die Römer noch die eigene römisch gesinnte Regierung darum gewahr wurden. — So lieſs man die Verfassung unangetastet und die regierenden Herren im vollen Genuſs ihrer Sonderrechte und des gemeinen Gutes. Es ward bloſs beantragt und durchgesetzt, daſs von den bei- den Oberfeldherren, die am Ende des libyschen Krieges an der Spitze der karthagischen Truppen standen, Hanno und Hamilkar, der erstere abberufen und der letztere zum Ober- feldherrn für ganz Africa auf unbestimmte Zeit in der Art ernannt ward, daſs er eine von den Regierungscollegien un- abhängige Stellung — eine verfassungswidrige monarchische Gewalt nannten es die Gegner, Cato eine Dictatur — erhielt und nur von der Volksversammlung abberufen und zur Ver- antwortung gezogen werden durfte **. Selbst die Wahl eines * Wir sind über diese Vorgänge nicht bloſs unvollkommen berichtet, sondern auch einseitig, da natürlich die Version der karthagischen Friedens- partei die der römischen Annalisten wurde. Indeſs selbst in unsern zer- trümmerten und getrübten Berichten — die wichtigsten sind Fabius bei Polybios 3, 8; Appian Hisp. 4 und Diodor 25 S. 567 — erscheinen die Verhältnisse der Parteien deutlich genug. Von dem gemeinen Klatsch, mit dem die ‚revolutionäre Verbindung‘ (έταιϱεία τῶν πονηϱοτάτων ἀνϑϱώ- πων) von ihren Gegnern beschmutzt ward, kann man bei Nepos (Ham. 3) Proben lesen, die ihres Gleichen suchen, vielleicht auch finden. ** Die Barkas schlieſsen die wichtigsten Staatsverträge ab und die Ra- tification der Behörde ist eine Formalität (Pol. 3, 21); Rom protestirt bei ihnen und beim Senat (Pol. 3, 15). Die Stellung der Barkas zu Karthago hat manche Aehnlichkeit mit der der Oranier gegen die Generalstaaten.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/396>, abgerufen am 23.11.2024.