Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.DRITTES BUCH. KAPITEL III. Issaeer nöthigten endlich den römischen Senat wenigstens Ge-sandte, die Brüder Gaius und Lucius Coruncanius nach Skodra zu schicken, um von dem König Agron Abstellung des Unwe- sens zu begehren. Der König erwiderte, dass nach illyrischem Landrecht der Seeraub ein erlaubtes Gewerbe sei und die Regierung nicht das Recht habe der Privatkaperei zu wehren; worauf Lucius Coruncanius erwiderte, dass dann Rom es sich angelegen sein lassen werde den Illyriern ein besseres Landrecht beizubringen. Zur Strafe dieser allerdings nicht sehr diplomati- schen Replik wurden auf Geheiss des Königs -- so wenigstens behaupteten die Römer -- beide Gesandten auf der Heimkehr ermordet und die Auslieferung der Mörder verweigert. Der Senat hatte jetzt keine Wahl mehr. Mit dem Frühjahr 525 erschien vor Apollonia eine Flotte von 200 Linienschiffen mit einer Landungsarmee an Bord; vor jener zerstoben die Cor- sarenböte, während diese die Raubburgen brach; die Königin Teuta, die nach ihres Gemahls Agron Tode die Regierung für ihren unmündigen Sohn Pinnes führte, musste, in ihrem letz- ten Zufluchtsort belagert, die Bedingungen annehmen, die Rom dictirte: das Gebiet der Herren von Skodra erhielt wieder nördlich und südlich seine ursprünglichen engen Grenzen, alle griechischen Städte mussten sie entlassen, ebenso die Ar- diaeer in Dalmatien, die Parthiner um Epidamnos, die Atin- tanen im nördlichen Epeiros; südlich von Lissos (Alessio zwi- schen Scutari und Durazzo) sollte künftig kein armirtes illy- risches Fahrzeug noch über zwei nicht armirte zusammen fah- ren dürfen. Roms Seeherrschaft auf dem adriatischen Meer war in der löblichsten und dauerhaftesten Weise zur vollen Anerkennung gebracht durch die rasche und energische Unter- drückung des Piratenunfugs. Allein man ging weiter und setzte sich zugleich an der Ostküste fest. Die Illyrier von Skodra wurden tributpflichtig nach Rom; auf den dalmatini- schen Inseln und Küsten wurde Demetrios von Pharos, der aus dem Dienst der Teuta in römische getreten war, als ab- hängiger Dynast und römischer Bundesgenosse eingesetzt; die griechischen Städte Kerkyra, Apollonia, Epidamnos und die Gemeinden der Atintanen und Parthiner wurden in milden Formen der Symmachie an Rom geknüpft. Wie hätte es an- ders kommen sollen? Rom brauchte eine gute Seestation im obern adriatischen Meere, welche ihm seine italischen Be- sitzungen an dem entgegengesetzten Ufer nicht gewährten; die neuen Bundesgenossen, namentlich die griechischen Han- DRITTES BUCH. KAPITEL III. Issaeer nöthigten endlich den römischen Senat wenigstens Ge-sandte, die Brüder Gaius und Lucius Coruncanius nach Skodra zu schicken, um von dem König Agron Abstellung des Unwe- sens zu begehren. Der König erwiderte, daſs nach illyrischem Landrecht der Seeraub ein erlaubtes Gewerbe sei und die Regierung nicht das Recht habe der Privatkaperei zu wehren; worauf Lucius Coruncanius erwiderte, daſs dann Rom es sich angelegen sein lassen werde den Illyriern ein besseres Landrecht beizubringen. Zur Strafe dieser allerdings nicht sehr diplomati- schen Replik wurden auf Geheiſs des Königs — so wenigstens behaupteten die Römer — beide Gesandten auf der Heimkehr ermordet und die Auslieferung der Mörder verweigert. Der Senat hatte jetzt keine Wahl mehr. Mit dem Frühjahr 525 erschien vor Apollonia eine Flotte von 200 Linienschiffen mit einer Landungsarmee an Bord; vor jener zerstoben die Cor- sarenböte, während diese die Raubburgen brach; die Königin Teuta, die nach ihres Gemahls Agron Tode die Regierung für ihren unmündigen Sohn Pinnes führte, muſste, in ihrem letz- ten Zufluchtsort belagert, die Bedingungen annehmen, die Rom dictirte: das Gebiet der Herren von Skodra erhielt wieder nördlich und südlich seine ursprünglichen engen Grenzen, alle griechischen Städte muſsten sie entlassen, ebenso die Ar- diaeer in Dalmatien, die Parthiner um Epidamnos, die Atin- tanen im nördlichen Epeiros; südlich von Lissos (Alessio zwi- schen Scutari und Durazzo) sollte künftig kein armirtes illy- risches Fahrzeug noch über zwei nicht armirte zusammen fah- ren dürfen. Roms Seeherrschaft auf dem adriatischen Meer war in der löblichsten und dauerhaftesten Weise zur vollen Anerkennung gebracht durch die rasche und energische Unter- drückung des Piratenunfugs. Allein man ging weiter und setzte sich zugleich an der Ostküste fest. Die Illyrier von Skodra wurden tributpflichtig nach Rom; auf den dalmatini- schen Inseln und Küsten wurde Demetrios von Pharos, der aus dem Dienst der Teuta in römische getreten war, als ab- hängiger Dynast und römischer Bundesgenosse eingesetzt; die griechischen Städte Kerkyra, Apollonia, Epidamnos und die Gemeinden der Atintanen und Parthiner wurden in milden Formen der Symmachie an Rom geknüpft. Wie hätte es an- ders kommen sollen? Rom brauchte eine gute Seestation im obern adriatischen Meere, welche ihm seine italischen Be- sitzungen an dem entgegengesetzten Ufer nicht gewährten; die neuen Bundesgenossen, namentlich die griechischen Han- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0384" n="370"/><fw place="top" type="header">DRITTES BUCH. KAPITEL III.</fw><lb/> Issaeer nöthigten endlich den römischen Senat wenigstens Ge-<lb/> sandte, die Brüder Gaius und Lucius Coruncanius nach Skodra<lb/> zu schicken, um von dem König Agron Abstellung des Unwe-<lb/> sens zu begehren. Der König erwiderte, daſs nach illyrischem<lb/> Landrecht der Seeraub ein erlaubtes Gewerbe sei und die<lb/> Regierung nicht das Recht habe der Privatkaperei zu wehren;<lb/> worauf Lucius Coruncanius erwiderte, daſs dann Rom es sich<lb/> angelegen sein lassen werde den Illyriern ein besseres Landrecht<lb/> beizubringen. 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DRITTES BUCH. KAPITEL III.
Issaeer nöthigten endlich den römischen Senat wenigstens Ge-
sandte, die Brüder Gaius und Lucius Coruncanius nach Skodra
zu schicken, um von dem König Agron Abstellung des Unwe-
sens zu begehren. Der König erwiderte, daſs nach illyrischem
Landrecht der Seeraub ein erlaubtes Gewerbe sei und die
Regierung nicht das Recht habe der Privatkaperei zu wehren;
worauf Lucius Coruncanius erwiderte, daſs dann Rom es sich
angelegen sein lassen werde den Illyriern ein besseres Landrecht
beizubringen. Zur Strafe dieser allerdings nicht sehr diplomati-
schen Replik wurden auf Geheiſs des Königs — so wenigstens
behaupteten die Römer — beide Gesandten auf der Heimkehr
ermordet und die Auslieferung der Mörder verweigert. Der
Senat hatte jetzt keine Wahl mehr. Mit dem Frühjahr 525
erschien vor Apollonia eine Flotte von 200 Linienschiffen mit
einer Landungsarmee an Bord; vor jener zerstoben die Cor-
sarenböte, während diese die Raubburgen brach; die Königin
Teuta, die nach ihres Gemahls Agron Tode die Regierung für
ihren unmündigen Sohn Pinnes führte, muſste, in ihrem letz-
ten Zufluchtsort belagert, die Bedingungen annehmen, die Rom
dictirte: das Gebiet der Herren von Skodra erhielt wieder
nördlich und südlich seine ursprünglichen engen Grenzen,
alle griechischen Städte muſsten sie entlassen, ebenso die Ar-
diaeer in Dalmatien, die Parthiner um Epidamnos, die Atin-
tanen im nördlichen Epeiros; südlich von Lissos (Alessio zwi-
schen Scutari und Durazzo) sollte künftig kein armirtes illy-
risches Fahrzeug noch über zwei nicht armirte zusammen fah-
ren dürfen. Roms Seeherrschaft auf dem adriatischen Meer
war in der löblichsten und dauerhaftesten Weise zur vollen
Anerkennung gebracht durch die rasche und energische Unter-
drückung des Piratenunfugs. Allein man ging weiter und
setzte sich zugleich an der Ostküste fest. Die Illyrier von
Skodra wurden tributpflichtig nach Rom; auf den dalmatini-
schen Inseln und Küsten wurde Demetrios von Pharos, der
aus dem Dienst der Teuta in römische getreten war, als ab-
hängiger Dynast und römischer Bundesgenosse eingesetzt; die
griechischen Städte Kerkyra, Apollonia, Epidamnos und die
Gemeinden der Atintanen und Parthiner wurden in milden
Formen der Symmachie an Rom geknüpft. Wie hätte es an-
ders kommen sollen? Rom brauchte eine gute Seestation im
obern adriatischen Meere, welche ihm seine italischen Be-
sitzungen an dem entgegengesetzten Ufer nicht gewährten;
die neuen Bundesgenossen, namentlich die griechischen Han-
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