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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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ITALIENS NATUERLICHE GRENZEN.
behielten die Römer dafür das von Karthago befolgte System
unverändert bei. Die Einwohner blieben ausgeschlossen aus
der herrschenden Eidgenossenschaft und nicht einmal Colo-
nien wurden dort hingesandt; dagegen hatten die Siculer
fortan ihre Zehnten, wenn auch geringere, nach Rom zu zah-
len statt wie bisher nach Karthago. Sie verloren das Waffen-
recht und stellten nicht einmal Zuzug zum römischen Heere;
in den festen Plätzen blieb römische Besatzung, welche zu
commandiren und den ganzen District zu leiten jährlich ein
römischer Vogt hinübergesandt ward. So entstand der Gegen-
satz zwischen der italischen Eidgenossenschaft und den unter-
thänigen ,Aemtern' (provinciae), der bisher nicht bestanden
hatte; denn dass einzelne Keltendörfer am Po schon früher ähn-
lich mochten behandelt wurden sein, hat nicht viel zu bedeuten.
Im Wesentlichen ward das neue System erst jetzt festgestellt
und gemodelt nach der karthagischen Unterthanenverfassung,
die seine Grundsätze und seinen Geist für alle Zukunft be-
stimmte. -- Während man noch beschäftigt war die sicilischen
Angelegenheiten zu ordnen und nur bedauerte, dass der Be-
sitz des schönen Eilandes doch, so lange Sardinien kartha-
gisch blieb, nicht ausreichte um die westliche See in ein
italisches Binnenmeer zu verwandeln, kamen unvermuthet An-
erbietungen, die eine nahe Aussicht eröffneten auf den Er-
werb dieser zweiten Insel des Mittelmeeres. In Africa war
inzwischen durch die Schuld der Regierungsbehörden ein
fürchterlicher Aufruhr der Söldner und der Unterthanen aus-
gebrochen. Hamilkar hatte seinen sicilischen Söldnern in
den letzten Kriegsjahren den Sold nicht ferner aus eigenen
Mitteln auszahlen können und vergeblich Geldsendungen von
daheim erbeten; er möge, hiess es, die Leute nur zur Ablöh-
nung nach Africa senden. Er fügte sich, aber da er die
Leute kannte, schiffte er sie vorsichtig in kleineren Abthei-
lungen ein, damit man sie truppweise ablohnen oder min-
destens dislociren könne, und legte hierauf den Oberbefehl
nieder. Allein alle Vorsicht scheiterte nicht so sehr an den
leeren Kassen als an dem collegialischen Geschäftsgang und
dem Unverstand der Bureaukratie. Man wartete, bis das ge-
sammte Heer wieder in Libyen vereinigt stand und versuchte
dann den Leuten an dem versprochenen Solde zu kürzen.
Natürlich entstand eine Meuterei unter den Truppen und aus
dieser eine allgemeine Schilderhebung der gesammten kartha-
gischen Soldatesca und der africanischen Unterthanen. Das

ITALIENS NATUERLICHE GRENZEN.
behielten die Römer dafür das von Karthago befolgte System
unverändert bei. Die Einwohner blieben ausgeschlossen aus
der herrschenden Eidgenossenschaft und nicht einmal Colo-
nien wurden dort hingesandt; dagegen hatten die Siculer
fortan ihre Zehnten, wenn auch geringere, nach Rom zu zah-
len statt wie bisher nach Karthago. Sie verloren das Waffen-
recht und stellten nicht einmal Zuzug zum römischen Heere;
in den festen Plätzen blieb römische Besatzung, welche zu
commandiren und den ganzen District zu leiten jährlich ein
römischer Vogt hinübergesandt ward. So entstand der Gegen-
satz zwischen der italischen Eidgenossenschaft und den unter-
thänigen ‚Aemtern‘ (provinciae), der bisher nicht bestanden
hatte; denn daſs einzelne Keltendörfer am Po schon früher ähn-
lich mochten behandelt wurden sein, hat nicht viel zu bedeuten.
Im Wesentlichen ward das neue System erst jetzt festgestellt
und gemodelt nach der karthagischen Unterthanenverfassung,
die seine Grundsätze und seinen Geist für alle Zukunft be-
stimmte. — Während man noch beschäftigt war die sicilischen
Angelegenheiten zu ordnen und nur bedauerte, daſs der Be-
sitz des schönen Eilandes doch, so lange Sardinien kartha-
gisch blieb, nicht ausreichte um die westliche See in ein
italisches Binnenmeer zu verwandeln, kamen unvermuthet An-
erbietungen, die eine nahe Aussicht eröffneten auf den Er-
werb dieser zweiten Insel des Mittelmeeres. In Africa war
inzwischen durch die Schuld der Regierungsbehörden ein
fürchterlicher Aufruhr der Söldner und der Unterthanen aus-
gebrochen. Hamilkar hatte seinen sicilischen Söldnern in
den letzten Kriegsjahren den Sold nicht ferner aus eigenen
Mitteln auszahlen können und vergeblich Geldsendungen von
daheim erbeten; er möge, hieſs es, die Leute nur zur Ablöh-
nung nach Africa senden. Er fügte sich, aber da er die
Leute kannte, schiffte er sie vorsichtig in kleineren Abthei-
lungen ein, damit man sie truppweise ablohnen oder min-
destens dislociren könne, und legte hierauf den Oberbefehl
nieder. Allein alle Vorsicht scheiterte nicht so sehr an den
leeren Kassen als an dem collegialischen Geschäftsgang und
dem Unverstand der Bureaukratie. Man wartete, bis das ge-
sammte Heer wieder in Libyen vereinigt stand und versuchte
dann den Leuten an dem versprochenen Solde zu kürzen.
Natürlich entstand eine Meuterei unter den Truppen und aus
dieser eine allgemeine Schilderhebung der gesammten kartha-
gischen Soldatesca und der africanischen Unterthanen. Das

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[365/0379] ITALIENS NATUERLICHE GRENZEN. behielten die Römer dafür das von Karthago befolgte System unverändert bei. Die Einwohner blieben ausgeschlossen aus der herrschenden Eidgenossenschaft und nicht einmal Colo- nien wurden dort hingesandt; dagegen hatten die Siculer fortan ihre Zehnten, wenn auch geringere, nach Rom zu zah- len statt wie bisher nach Karthago. Sie verloren das Waffen- recht und stellten nicht einmal Zuzug zum römischen Heere; in den festen Plätzen blieb römische Besatzung, welche zu commandiren und den ganzen District zu leiten jährlich ein römischer Vogt hinübergesandt ward. So entstand der Gegen- satz zwischen der italischen Eidgenossenschaft und den unter- thänigen ‚Aemtern‘ (provinciae), der bisher nicht bestanden hatte; denn daſs einzelne Keltendörfer am Po schon früher ähn- lich mochten behandelt wurden sein, hat nicht viel zu bedeuten. Im Wesentlichen ward das neue System erst jetzt festgestellt und gemodelt nach der karthagischen Unterthanenverfassung, die seine Grundsätze und seinen Geist für alle Zukunft be- stimmte. — Während man noch beschäftigt war die sicilischen Angelegenheiten zu ordnen und nur bedauerte, daſs der Be- sitz des schönen Eilandes doch, so lange Sardinien kartha- gisch blieb, nicht ausreichte um die westliche See in ein italisches Binnenmeer zu verwandeln, kamen unvermuthet An- erbietungen, die eine nahe Aussicht eröffneten auf den Er- werb dieser zweiten Insel des Mittelmeeres. In Africa war inzwischen durch die Schuld der Regierungsbehörden ein fürchterlicher Aufruhr der Söldner und der Unterthanen aus- gebrochen. Hamilkar hatte seinen sicilischen Söldnern in den letzten Kriegsjahren den Sold nicht ferner aus eigenen Mitteln auszahlen können und vergeblich Geldsendungen von daheim erbeten; er möge, hieſs es, die Leute nur zur Ablöh- nung nach Africa senden. Er fügte sich, aber da er die Leute kannte, schiffte er sie vorsichtig in kleineren Abthei- lungen ein, damit man sie truppweise ablohnen oder min- destens dislociren könne, und legte hierauf den Oberbefehl nieder. Allein alle Vorsicht scheiterte nicht so sehr an den leeren Kassen als an dem collegialischen Geschäftsgang und dem Unverstand der Bureaukratie. Man wartete, bis das ge- sammte Heer wieder in Libyen vereinigt stand und versuchte dann den Leuten an dem versprochenen Solde zu kürzen. Natürlich entstand eine Meuterei unter den Truppen und aus dieser eine allgemeine Schilderhebung der gesammten kartha- gischen Soldatesca und der africanischen Unterthanen. Das

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/379>, abgerufen am 23.11.2024.