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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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ERSTER PUNISCHER KRIEG.
Verhandlungen mit den aufständischen Stämmen der Numidier
so leicht zu erreichen war, eine gute leichte Reiterei. Muth-
willig brachte er sich und sein Heer also in dieselbe Lage,
in die einst Agathokles auf seinem verzweifelten Abenteurer-
zug sich befunden hatte. Als das Frühjahr kam (499), hatten
sich die Dinge schon so verändert, dass jetzt die Karthager
es waren, die zuerst ins Feld rückten und den Römern eine
Schlacht anboten; natürlich, denn es lag alles daran mit dem
Heer des Regulus fertig zu werden, ehe von Italien Verstär-
kung kommen konnte. Aus demselben Grunde hätten die
Römer zögern sollen; allein im Vertrauen auf ihre Unüber-
windlichkeit im offenen Felde nahmen sie sofort die Schlacht
an trotz ihrer geringeren Stärke -- denn obwohl die Zahl des
Fussvolks auf beiden Seiten ungefähr dieselbe war, gaben
doch den Karthagern die 4000 Reiter und 100 Elephanten
ein entschiedenes Uebergewicht -- und trotz des ungünstigen
Terrains, wozu die Karthager sich ein weites Blachfeld, ver-
muthlich unweit Tunes, ausersehen hatten. Xanthippos, der
an diesem Tage die Karthager commandirte, warf zunächst
seine Reiterei auf die feindliche, die wie gewöhnlich die bei-
den Flügel der Schlachtlinie besetzt hatte; die wenigen römi-
schen Schwadronen zerstoben im Nu vor den feindlichen
Cavalleriemassen und das römische Fussvolk sah sich von
denselben überflügelt und umschwärmt. Nichts destoweniger
standen die Legionen unerschüttert und versuchten einen An-
griff auf die feindliche Linie; allein die Masse derselben war
gedeckt durch die Elephantenreihe, welche den rechten Flügel
und das Centrum der Römer hemmten, während es dem lin-
ken römischen gelang an den Elephanten vorbeimarschirend
die Söldnerinfanterie auf dem rechten feindlichen zu errei-
chen und vollständig zu werfen. Allein eben dieser Erfolg
zerriss die römische Linie. Die Hauptmasse, von vorn von
den Elephanten, von den Seiten und im Rücken von der Rei-
terei angegriffen, formirte sich zwar ins Viereck und verthei-
digte sich heldenmüthig, allein endlich wurden doch die ge-
schlossenen Massen gesprengt und aufgerieben. Der siegreiche
linke Flügel traf auf das intacte karthagische Centrum, wo
die libysche Infanterie ihm gleiches Schicksal bereitete. Bei
der Beschaffenheit des Terrains und der Ueberzahl der feind-
lichen Reiterei ward niedergehauen oder gefangen, was in
diesen Massen gefochten hatte; nur zweitausend Mann, ver-
muthlich vorzugsweise die zu Anfang zersprengten leichten

ERSTER PUNISCHER KRIEG.
Verhandlungen mit den aufständischen Stämmen der Numidier
so leicht zu erreichen war, eine gute leichte Reiterei. Muth-
willig brachte er sich und sein Heer also in dieselbe Lage,
in die einst Agathokles auf seinem verzweifelten Abenteurer-
zug sich befunden hatte. Als das Frühjahr kam (499), hatten
sich die Dinge schon so verändert, daſs jetzt die Karthager
es waren, die zuerst ins Feld rückten und den Römern eine
Schlacht anboten; natürlich, denn es lag alles daran mit dem
Heer des Regulus fertig zu werden, ehe von Italien Verstär-
kung kommen konnte. Aus demselben Grunde hätten die
Römer zögern sollen; allein im Vertrauen auf ihre Unüber-
windlichkeit im offenen Felde nahmen sie sofort die Schlacht
an trotz ihrer geringeren Stärke — denn obwohl die Zahl des
Fuſsvolks auf beiden Seiten ungefähr dieselbe war, gaben
doch den Karthagern die 4000 Reiter und 100 Elephanten
ein entschiedenes Uebergewicht — und trotz des ungünstigen
Terrains, wozu die Karthager sich ein weites Blachfeld, ver-
muthlich unweit Tunes, ausersehen hatten. Xanthippos, der
an diesem Tage die Karthager commandirte, warf zunächst
seine Reiterei auf die feindliche, die wie gewöhnlich die bei-
den Flügel der Schlachtlinie besetzt hatte; die wenigen römi-
schen Schwadronen zerstoben im Nu vor den feindlichen
Cavalleriemassen und das römische Fuſsvolk sah sich von
denselben überflügelt und umschwärmt. Nichts destoweniger
standen die Legionen unerschüttert und versuchten einen An-
griff auf die feindliche Linie; allein die Masse derselben war
gedeckt durch die Elephantenreihe, welche den rechten Flügel
und das Centrum der Römer hemmten, während es dem lin-
ken römischen gelang an den Elephanten vorbeimarschirend
die Söldnerinfanterie auf dem rechten feindlichen zu errei-
chen und vollständig zu werfen. Allein eben dieser Erfolg
zerriſs die römische Linie. Die Hauptmasse, von vorn von
den Elephanten, von den Seiten und im Rücken von der Rei-
terei angegriffen, formirte sich zwar ins Viereck und verthei-
digte sich heldenmüthig, allein endlich wurden doch die ge-
schlossenen Massen gesprengt und aufgerieben. Der siegreiche
linke Flügel traf auf das intacte karthagische Centrum, wo
die libysche Infanterie ihm gleiches Schicksal bereitete. Bei
der Beschaffenheit des Terrains und der Ueberzahl der feind-
lichen Reiterei ward niedergehauen oder gefangen, was in
diesen Massen gefochten hatte; nur zweitausend Mann, ver-
muthlich vorzugsweise die zu Anfang zersprengten leichten

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[347/0361] ERSTER PUNISCHER KRIEG. Verhandlungen mit den aufständischen Stämmen der Numidier so leicht zu erreichen war, eine gute leichte Reiterei. Muth- willig brachte er sich und sein Heer also in dieselbe Lage, in die einst Agathokles auf seinem verzweifelten Abenteurer- zug sich befunden hatte. Als das Frühjahr kam (499), hatten sich die Dinge schon so verändert, daſs jetzt die Karthager es waren, die zuerst ins Feld rückten und den Römern eine Schlacht anboten; natürlich, denn es lag alles daran mit dem Heer des Regulus fertig zu werden, ehe von Italien Verstär- kung kommen konnte. Aus demselben Grunde hätten die Römer zögern sollen; allein im Vertrauen auf ihre Unüber- windlichkeit im offenen Felde nahmen sie sofort die Schlacht an trotz ihrer geringeren Stärke — denn obwohl die Zahl des Fuſsvolks auf beiden Seiten ungefähr dieselbe war, gaben doch den Karthagern die 4000 Reiter und 100 Elephanten ein entschiedenes Uebergewicht — und trotz des ungünstigen Terrains, wozu die Karthager sich ein weites Blachfeld, ver- muthlich unweit Tunes, ausersehen hatten. Xanthippos, der an diesem Tage die Karthager commandirte, warf zunächst seine Reiterei auf die feindliche, die wie gewöhnlich die bei- den Flügel der Schlachtlinie besetzt hatte; die wenigen römi- schen Schwadronen zerstoben im Nu vor den feindlichen Cavalleriemassen und das römische Fuſsvolk sah sich von denselben überflügelt und umschwärmt. Nichts destoweniger standen die Legionen unerschüttert und versuchten einen An- griff auf die feindliche Linie; allein die Masse derselben war gedeckt durch die Elephantenreihe, welche den rechten Flügel und das Centrum der Römer hemmten, während es dem lin- ken römischen gelang an den Elephanten vorbeimarschirend die Söldnerinfanterie auf dem rechten feindlichen zu errei- chen und vollständig zu werfen. Allein eben dieser Erfolg zerriſs die römische Linie. Die Hauptmasse, von vorn von den Elephanten, von den Seiten und im Rücken von der Rei- terei angegriffen, formirte sich zwar ins Viereck und verthei- digte sich heldenmüthig, allein endlich wurden doch die ge- schlossenen Massen gesprengt und aufgerieben. Der siegreiche linke Flügel traf auf das intacte karthagische Centrum, wo die libysche Infanterie ihm gleiches Schicksal bereitete. Bei der Beschaffenheit des Terrains und der Ueberzahl der feind- lichen Reiterei ward niedergehauen oder gefangen, was in diesen Massen gefochten hatte; nur zweitausend Mann, ver- muthlich vorzugsweise die zu Anfang zersprengten leichten

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/361>, abgerufen am 18.05.2024.