Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.DRITTES BUCH. KAPITEL I. Motye, später von Lilybaeon aus die Verbindung mit Africa,von Panormos und Soloeis aus die mit Sardinien unterhielten. Das Innere der Insel blieb in dem Besitz der eingebornen Elymer, Sikaner und Sikeler. Es hatte sich, nachdem das weitere Vordringen der Griechen gebrochen war, ein verhält- nissmässig friedlicher Zustand auf der Insel hergestellt, den selbst die von den Persern veranlasste Heerfahrt der Kartha- ger gegen ihre griechischen Nachbarn auf der Insel (274) nicht auf die Dauer unterbrach und der im Ganzen fortbe- stand bis auf die attische Expedition nach Sicilien (339-341). Die beiden rivalisirenden Nationen bequemten sich einander zu dulden und beschränkten sich im Wesentlichen jede auf ihr Gebiet. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Karthager ihren sicilischen Unterthanen, auf deren Treue so viel ankam und die es nicht weise war den Unterschied der punischen Herrschaft und der griechischen Freiheit allzu schneidend fühlen zu lassen, eine freiere Bewegung gestatteten als den libyschen und sardischen; wenigstens finden wir, dass dieselben grösserer Freiheiten im Handel mit dem Ausland genossen und ihren inneren Verkehr nicht mit dem karthagischen Zei- chen-, sondern nach griechischer Weise mit Metallgeld betrie- ben. -- Alle diese Niederlassungen und Besitzungen waren an sich wichtig genug; allein noch von weit grösserer Bedeu- tung insofern, als sie die Pfeiler der karthagischen Seeherr- schaft waren. Durch den Besitz von Südspanien, der Balea- ren, Sardiniens, des westlichen Sicilien und Melites in Ver- bindung mit der Verhinderung hellenischer Colonisirungen sowohl an der spanischen Ostküste als auf Corsica und in der Gegend der Syrten machten die Herren der nordafricani- schen Küste ihre See zu einer geschlossenen und monopolisirten die westliche Meerenge. Das tyrrhenische und gallische Meer zwar mussten die Phoenikier mit andern Nationen theilen; allein es war dies allenfalls zu ertragen, so lange die Etrusker und die Griechen sich hier das Gleichgewicht hielten; ja mit den ersteren als den minder gefährlichen Nebenbuhlern trat Karthago sogar in Bündniss gegen die Griechen. -- Indess als nach dem Sturz der etruskischen Macht, den wie es zu gehen pflegt bei derartigen Nothbündnissen, Karthago wohl schwer- lich mit aller Macht abzuwenden bestrebt gewesen war, und nach der Vereitelung der grossen Entwürfe des Alkibiades Syrakus unbestritten dastand als die erste griechische See- macht, konnte jenes Gleichgewichtssystem nicht länger Bestand DRITTES BUCH. KAPITEL I. Motye, später von Lilybaeon aus die Verbindung mit Africa,von Panormos und Soloeis aus die mit Sardinien unterhielten. Das Innere der Insel blieb in dem Besitz der eingebornen Elymer, Sikaner und Sikeler. Es hatte sich, nachdem das weitere Vordringen der Griechen gebrochen war, ein verhält- niſsmäſsig friedlicher Zustand auf der Insel hergestellt, den selbst die von den Persern veranlaſste Heerfahrt der Kartha- ger gegen ihre griechischen Nachbarn auf der Insel (274) nicht auf die Dauer unterbrach und der im Ganzen fortbe- stand bis auf die attische Expedition nach Sicilien (339-341). Die beiden rivalisirenden Nationen bequemten sich einander zu dulden und beschränkten sich im Wesentlichen jede auf ihr Gebiet. Es ist sehr wahrscheinlich, daſs die Karthager ihren sicilischen Unterthanen, auf deren Treue so viel ankam und die es nicht weise war den Unterschied der punischen Herrschaft und der griechischen Freiheit allzu schneidend fühlen zu lassen, eine freiere Bewegung gestatteten als den libyschen und sardischen; wenigstens finden wir, daſs dieselben gröſserer Freiheiten im Handel mit dem Ausland genossen und ihren inneren Verkehr nicht mit dem karthagischen Zei- chen-, sondern nach griechischer Weise mit Metallgeld betrie- ben. — Alle diese Niederlassungen und Besitzungen waren an sich wichtig genug; allein noch von weit gröſserer Bedeu- tung insofern, als sie die Pfeiler der karthagischen Seeherr- schaft waren. Durch den Besitz von Südspanien, der Balea- ren, Sardiniens, des westlichen Sicilien und Melites in Ver- bindung mit der Verhinderung hellenischer Colonisirungen sowohl an der spanischen Ostküste als auf Corsica und in der Gegend der Syrten machten die Herren der nordafricani- schen Küste ihre See zu einer geschlossenen und monopolisirten die westliche Meerenge. Das tyrrhenische und gallische Meer zwar muſsten die Phoenikier mit andern Nationen theilen; allein es war dies allenfalls zu ertragen, so lange die Etrusker und die Griechen sich hier das Gleichgewicht hielten; ja mit den ersteren als den minder gefährlichen Nebenbuhlern trat Karthago sogar in Bündniſs gegen die Griechen. — Indeſs als nach dem Sturz der etruskischen Macht, den wie es zu gehen pflegt bei derartigen Nothbündnissen, Karthago wohl schwer- lich mit aller Macht abzuwenden bestrebt gewesen war, und nach der Vereitelung der groſsen Entwürfe des Alkibiades Syrakus unbestritten dastand als die erste griechische See- macht, konnte jenes Gleichgewichtssystem nicht länger Bestand <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0332" n="318"/><fw place="top" type="header">DRITTES BUCH. 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DRITTES BUCH. KAPITEL I.
Motye, später von Lilybaeon aus die Verbindung mit Africa,
von Panormos und Soloeis aus die mit Sardinien unterhielten.
Das Innere der Insel blieb in dem Besitz der eingebornen
Elymer, Sikaner und Sikeler. Es hatte sich, nachdem das
weitere Vordringen der Griechen gebrochen war, ein verhält-
niſsmäſsig friedlicher Zustand auf der Insel hergestellt, den
selbst die von den Persern veranlaſste Heerfahrt der Kartha-
ger gegen ihre griechischen Nachbarn auf der Insel (274)
nicht auf die Dauer unterbrach und der im Ganzen fortbe-
stand bis auf die attische Expedition nach Sicilien (339-341).
Die beiden rivalisirenden Nationen bequemten sich einander
zu dulden und beschränkten sich im Wesentlichen jede auf
ihr Gebiet. Es ist sehr wahrscheinlich, daſs die Karthager
ihren sicilischen Unterthanen, auf deren Treue so viel ankam
und die es nicht weise war den Unterschied der punischen
Herrschaft und der griechischen Freiheit allzu schneidend
fühlen zu lassen, eine freiere Bewegung gestatteten als den
libyschen und sardischen; wenigstens finden wir, daſs dieselben
gröſserer Freiheiten im Handel mit dem Ausland genossen
und ihren inneren Verkehr nicht mit dem karthagischen Zei-
chen-, sondern nach griechischer Weise mit Metallgeld betrie-
ben. — Alle diese Niederlassungen und Besitzungen waren
an sich wichtig genug; allein noch von weit gröſserer Bedeu-
tung insofern, als sie die Pfeiler der karthagischen Seeherr-
schaft waren. Durch den Besitz von Südspanien, der Balea-
ren, Sardiniens, des westlichen Sicilien und Melites in Ver-
bindung mit der Verhinderung hellenischer Colonisirungen
sowohl an der spanischen Ostküste als auf Corsica und in
der Gegend der Syrten machten die Herren der nordafricani-
schen Küste ihre See zu einer geschlossenen und monopolisirten
die westliche Meerenge. Das tyrrhenische und gallische Meer
zwar muſsten die Phoenikier mit andern Nationen theilen;
allein es war dies allenfalls zu ertragen, so lange die Etrusker
und die Griechen sich hier das Gleichgewicht hielten; ja mit
den ersteren als den minder gefährlichen Nebenbuhlern trat
Karthago sogar in Bündniſs gegen die Griechen. — Indeſs als
nach dem Sturz der etruskischen Macht, den wie es zu gehen
pflegt bei derartigen Nothbündnissen, Karthago wohl schwer-
lich mit aller Macht abzuwenden bestrebt gewesen war, und
nach der Vereitelung der groſsen Entwürfe des Alkibiades
Syrakus unbestritten dastand als die erste griechische See-
macht, konnte jenes Gleichgewichtssystem nicht länger Bestand
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