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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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INNERE VERHAELTNISSE.
ten, im Wesentlichen die hellenische Kunst bei sich adoptirt;
was in Campanien und im Brettierlande gefertigt ist, steht
regelmässig im Niveau der gleichzeitigen griechischen Arbeiten.
Geringer hat der Einfluss hellenischer Kunst die Lucaner er-
griffen und bei den Samniten finden wir nirgends ihre Spuren.
-- Dass in Latium die griechische Kunst, wenn auch in be-
schränktem Umfang, doch mit Geist und Frische gepflegt ward
und vorzügliche Kunstwerke, die capitolinische Wölfin von Erz,
die ficoronische Cista, die bemalten Thonbildwerke, die der
Lehrer des Zeuxis für Rom arbeitete, die gefeierten ardeati-
schen Gemälde in dieser Epoche hier entstanden, ward schon
bei der vorigen berührt (S. 153). Rom indess scheint, wenig-
stens nach den Assen zu schliessen, in dieser Hinsicht von
andern latinischen Städten weit übertroffen worden zu sein;
und überall war wohl daselbst die Königszeit, namentlich die
Epoche der grossen Eroberungen, der Kunst günstiger als die
ersten zwei Jahrhunderte der Republik. Den sparsamen Vätern
der Stadt wie den schanzenden Bürgern werden Luxusbauten
wie die Tempel auf dem Capitol und Aventin und der grosse
Circus vermuthlich ein Gräuel gewesen sein und es ist be-
merkenswerth, dass das bedeutendste Bauwerk der republika-
nischen Zeit vor den Samnitenkriegen, der Cerestempel am
Circus, ein Muster des nationalen oder sogenannten tuscani-
schen Stils, herrührt von Spurius Cassius (261), der in mehr
als einer Hinsicht in die Traditionen der Königszeit wieder
einlenkte. -- Erst mit der entschiedenen Herrschaft über Ita-
lien und dem glänzenden Zustand der römischen Finanzen
änderten sich auch hierin die Dinge. Es begann jenes gross-
artige System öffentlicher Bauten zu gemeinnützigen Zwecken,
namentlich der Wasserleitungen in der Stadt, der Militär-
strassen auf der Halbinsel. Appius Claudius war es, der in
seiner epochemachenden Censur (442) das veraltete Bauern-
system des Sparschatzsammelns bei Seite warf und seine Mit-
bürger die öffentlichen Mittel in würdiger Weise gebrauchen
lehrte. Ihm verdankt Rom die erste Wasserleitung, Italien
die erste grosse Chaussee. Bald folgten ähnliche Anlagen in
gleichem Sinn. Erwähnung verdient die Entwässerung des
Thals von Rieti, indem dem Velino, wo er oberhalb Terni
sich in die Nera stürzt, das breitere Bett geöffnet ward, durch
das er heute noch fliesst; ein Werk des Manius Curius, der
nach der Besiegung der Sabiner (464) in jenem schönen Thal
eine Ansiedlung armer Bürger begründete. In der That, solche

INNERE VERHAELTNISSE.
ten, im Wesentlichen die hellenische Kunst bei sich adoptirt;
was in Campanien und im Brettierlande gefertigt ist, steht
regelmäſsig im Niveau der gleichzeitigen griechischen Arbeiten.
Geringer hat der Einfluſs hellenischer Kunst die Lucaner er-
griffen und bei den Samniten finden wir nirgends ihre Spuren.
— Daſs in Latium die griechische Kunst, wenn auch in be-
schränktem Umfang, doch mit Geist und Frische gepflegt ward
und vorzügliche Kunstwerke, die capitolinische Wölfin von Erz,
die ficoronische Cista, die bemalten Thonbildwerke, die der
Lehrer des Zeuxis für Rom arbeitete, die gefeierten ardeati-
schen Gemälde in dieser Epoche hier entstanden, ward schon
bei der vorigen berührt (S. 153). Rom indeſs scheint, wenig-
stens nach den Assen zu schlieſsen, in dieser Hinsicht von
andern latinischen Städten weit übertroffen worden zu sein;
und überall war wohl daselbst die Königszeit, namentlich die
Epoche der groſsen Eroberungen, der Kunst günstiger als die
ersten zwei Jahrhunderte der Republik. Den sparsamen Vätern
der Stadt wie den schanzenden Bürgern werden Luxusbauten
wie die Tempel auf dem Capitol und Aventin und der groſse
Circus vermuthlich ein Gräuel gewesen sein und es ist be-
merkenswerth, daſs das bedeutendste Bauwerk der republika-
nischen Zeit vor den Samnitenkriegen, der Cerestempel am
Circus, ein Muster des nationalen oder sogenannten tuscani-
schen Stils, herrührt von Spurius Cassius (261), der in mehr
als einer Hinsicht in die Traditionen der Königszeit wieder
einlenkte. — Erst mit der entschiedenen Herrschaft über Ita-
lien und dem glänzenden Zustand der römischen Finanzen
änderten sich auch hierin die Dinge. Es begann jenes groſs-
artige System öffentlicher Bauten zu gemeinnützigen Zwecken,
namentlich der Wasserleitungen in der Stadt, der Militär-
straſsen auf der Halbinsel. Appius Claudius war es, der in
seiner epochemachenden Censur (442) das veraltete Bauern-
system des Sparschatzsammelns bei Seite warf und seine Mit-
bürger die öffentlichen Mittel in würdiger Weise gebrauchen
lehrte. Ihm verdankt Rom die erste Wasserleitung, Italien
die erste groſse Chaussee. Bald folgten ähnliche Anlagen in
gleichem Sinn. Erwähnung verdient die Entwässerung des
Thals von Rieti, indem dem Velino, wo er oberhalb Terni
sich in die Nera stürzt, das breitere Bett geöffnet ward, durch
das er heute noch flieſst; ein Werk des Manius Curius, der
nach der Besiegung der Sabiner (464) in jenem schönen Thal
eine Ansiedlung armer Bürger begründete. In der That, solche

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[299/0313] INNERE VERHAELTNISSE. ten, im Wesentlichen die hellenische Kunst bei sich adoptirt; was in Campanien und im Brettierlande gefertigt ist, steht regelmäſsig im Niveau der gleichzeitigen griechischen Arbeiten. Geringer hat der Einfluſs hellenischer Kunst die Lucaner er- griffen und bei den Samniten finden wir nirgends ihre Spuren. — Daſs in Latium die griechische Kunst, wenn auch in be- schränktem Umfang, doch mit Geist und Frische gepflegt ward und vorzügliche Kunstwerke, die capitolinische Wölfin von Erz, die ficoronische Cista, die bemalten Thonbildwerke, die der Lehrer des Zeuxis für Rom arbeitete, die gefeierten ardeati- schen Gemälde in dieser Epoche hier entstanden, ward schon bei der vorigen berührt (S. 153). Rom indeſs scheint, wenig- stens nach den Assen zu schlieſsen, in dieser Hinsicht von andern latinischen Städten weit übertroffen worden zu sein; und überall war wohl daselbst die Königszeit, namentlich die Epoche der groſsen Eroberungen, der Kunst günstiger als die ersten zwei Jahrhunderte der Republik. Den sparsamen Vätern der Stadt wie den schanzenden Bürgern werden Luxusbauten wie die Tempel auf dem Capitol und Aventin und der groſse Circus vermuthlich ein Gräuel gewesen sein und es ist be- merkenswerth, daſs das bedeutendste Bauwerk der republika- nischen Zeit vor den Samnitenkriegen, der Cerestempel am Circus, ein Muster des nationalen oder sogenannten tuscani- schen Stils, herrührt von Spurius Cassius (261), der in mehr als einer Hinsicht in die Traditionen der Königszeit wieder einlenkte. — Erst mit der entschiedenen Herrschaft über Ita- lien und dem glänzenden Zustand der römischen Finanzen änderten sich auch hierin die Dinge. Es begann jenes groſs- artige System öffentlicher Bauten zu gemeinnützigen Zwecken, namentlich der Wasserleitungen in der Stadt, der Militär- straſsen auf der Halbinsel. Appius Claudius war es, der in seiner epochemachenden Censur (442) das veraltete Bauern- system des Sparschatzsammelns bei Seite warf und seine Mit- bürger die öffentlichen Mittel in würdiger Weise gebrauchen lehrte. Ihm verdankt Rom die erste Wasserleitung, Italien die erste groſse Chaussee. Bald folgten ähnliche Anlagen in gleichem Sinn. Erwähnung verdient die Entwässerung des Thals von Rieti, indem dem Velino, wo er oberhalb Terni sich in die Nera stürzt, das breitere Bett geöffnet ward, durch das er heute noch flieſst; ein Werk des Manius Curius, der nach der Besiegung der Sabiner (464) in jenem schönen Thal eine Ansiedlung armer Bürger begründete. In der That, solche

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/313>, abgerufen am 22.11.2024.