Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.KOENIG PYRRHOS. diese Schlacht entschied, nachdem deren zahlreiche Bedeckungdie Bemannung der römischen Streitwagen durch Pfeile und Schleudersteine vertrieben und der Bespannung die Stränge zerschnitten hatte. Das Weichen der Bedeckungsmannschaft der römischen Wagen gab das Signal zur allgemeinen Flucht, die indess nicht sehr zahlreiche Opfer kostete, da das nahe Lager die Verfolgten aufnahm. Dass während des Haupttref- fens ein von der römischen Hauptmacht abgesondertes arpa- nisches Corps das schwach besetzte epeirotische Lager ange- griffen und in Brand gesteckt habe, meldet nur der römische Schlachtbericht; wenn es aber auch richtig ist, so haben doch die Römer auf alle Fälle mit Unrecht behauptet, dass die Schlacht unentschieden geblieben sei. Beide Berichte stimmen vielmehr darin überein, dass das römische Heer über den Fluss zurückging und Pyrrhos im Besitz des Schlachtfeldes blieb. Die Zahl der Gefallenen war nach dem griechischen Bericht auf römischer Seite 6000, auf griechischer 3505 *; unter den Ver- wundeten war der König selbst, dem ein Wurfspiess den Arm durchbohrt hatte, während er wie immer im dichtesten Ge- tümmel kämpfte. Wohl war es ein Sieg, den Pyrrhos erfoch- ten hatte, aber es waren unfruchtbare Lorbeeren; ein Sieg der dem König als Feldherrn wie als Soldaten Ehre machte, aber seine politischen Zwecke nicht förderte. Er bedurfte eines glänzenden Erfolges, der das römische Heer auflöste und den schwankenden Bundesgenossen die Gelegenheit und den Anstoss zum Parteiwechsel gab; jetzt wo die römische Armee und die römische Eidgenossenschaft ungebrochen blie- ben und das griechische Heer, das nichts war ohne seinen Feldherrn, durch dessen Verwundung angefesselt stillstand, blieb ihm nichts übrig als den Feldzug verloren zu geben und in die Winterquartiere zu gehen, die der König in Tarent nahm, die Römer diesmal in Apulien. Immer deutlicher offen- barte es sich, dass militärisch die Hülfsquellen des Königs den römischen ebenso nachstanden wie politisch die lose und wi- derspenstige Coalition den Vergleich nicht aushielt mit der festgegründeten römischen Symmachie. Wohl konnte das * Diese Zahlen scheinen glaubwürdig. Der römische Bericht giebt,
wohl an Todten und Verwundeten, für jede Seite 15000 Mann an, ein spä- terer sogar auf römischer 5000, auf griechischer 20000 Todte. Es mag das hier Platz finden, um an einem der seltenen Beispiele, wo Controle möglich ist, die Unglaubwürdigkeit der Zahlangaben zu zeigen, in denen die Lüge bei den Annalisten lawinenartig anschwillt. KOENIG PYRRHOS. diese Schlacht entschied, nachdem deren zahlreiche Bedeckungdie Bemannung der römischen Streitwagen durch Pfeile und Schleudersteine vertrieben und der Bespannung die Stränge zerschnitten hatte. Das Weichen der Bedeckungsmannschaft der römischen Wagen gab das Signal zur allgemeinen Flucht, die indeſs nicht sehr zahlreiche Opfer kostete, da das nahe Lager die Verfolgten aufnahm. Daſs während des Haupttref- fens ein von der römischen Hauptmacht abgesondertes arpa- nisches Corps das schwach besetzte epeirotische Lager ange- griffen und in Brand gesteckt habe, meldet nur der römische Schlachtbericht; wenn es aber auch richtig ist, so haben doch die Römer auf alle Fälle mit Unrecht behauptet, daſs die Schlacht unentschieden geblieben sei. Beide Berichte stimmen vielmehr darin überein, daſs das römische Heer über den Fluſs zurückging und Pyrrhos im Besitz des Schlachtfeldes blieb. Die Zahl der Gefallenen war nach dem griechischen Bericht auf römischer Seite 6000, auf griechischer 3505 *; unter den Ver- wundeten war der König selbst, dem ein Wurfspieſs den Arm durchbohrt hatte, während er wie immer im dichtesten Ge- tümmel kämpfte. Wohl war es ein Sieg, den Pyrrhos erfoch- ten hatte, aber es waren unfruchtbare Lorbeeren; ein Sieg der dem König als Feldherrn wie als Soldaten Ehre machte, aber seine politischen Zwecke nicht förderte. Er bedurfte eines glänzenden Erfolges, der das römische Heer auflöste und den schwankenden Bundesgenossen die Gelegenheit und den Anstoſs zum Parteiwechsel gab; jetzt wo die römische Armee und die römische Eidgenossenschaft ungebrochen blie- ben und das griechische Heer, das nichts war ohne seinen Feldherrn, durch dessen Verwundung angefesselt stillstand, blieb ihm nichts übrig als den Feldzug verloren zu geben und in die Winterquartiere zu gehen, die der König in Tarent nahm, die Römer diesmal in Apulien. Immer deutlicher offen- barte es sich, daſs militärisch die Hülfsquellen des Königs den römischen ebenso nachstanden wie politisch die lose und wi- derspenstige Coalition den Vergleich nicht aushielt mit der festgegründeten römischen Symmachie. Wohl konnte das * Diese Zahlen scheinen glaubwürdig. Der römische Bericht giebt,
wohl an Todten und Verwundeten, für jede Seite 15000 Mann an, ein spä- terer sogar auf römischer 5000, auf griechischer 20000 Todte. Es mag das hier Platz finden, um an einem der seltenen Beispiele, wo Controle möglich ist, die Unglaubwürdigkeit der Zahlangaben zu zeigen, in denen die Lüge bei den Annalisten lawinenartig anschwillt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0285" n="271"/><fw place="top" type="header">KOENIG PYRRHOS.</fw><lb/> diese Schlacht entschied, nachdem deren zahlreiche Bedeckung<lb/> die Bemannung der römischen Streitwagen durch Pfeile und<lb/> Schleudersteine vertrieben und der Bespannung die Stränge<lb/> zerschnitten hatte. Das Weichen der Bedeckungsmannschaft<lb/> der römischen Wagen gab das Signal zur allgemeinen Flucht,<lb/> die indeſs nicht sehr zahlreiche Opfer kostete, da das nahe<lb/> Lager die Verfolgten aufnahm. Daſs während des Haupttref-<lb/> fens ein von der römischen Hauptmacht abgesondertes arpa-<lb/> nisches Corps das schwach besetzte epeirotische Lager ange-<lb/> griffen und in Brand gesteckt habe, meldet nur der römische<lb/> Schlachtbericht; wenn es aber auch richtig ist, so haben doch<lb/> die Römer auf alle Fälle mit Unrecht behauptet, daſs die<lb/> Schlacht unentschieden geblieben sei. Beide Berichte stimmen<lb/> vielmehr darin überein, daſs das römische Heer über den Fluſs<lb/> zurückging und Pyrrhos im Besitz des Schlachtfeldes blieb. Die<lb/> Zahl der Gefallenen war nach dem griechischen Bericht auf<lb/> römischer Seite 6000, auf griechischer 3505 <note place="foot" n="*">Diese Zahlen scheinen glaubwürdig. Der römische Bericht giebt,<lb/> wohl an Todten und Verwundeten, für jede Seite 15000 Mann an, ein spä-<lb/> terer sogar auf römischer 5000, auf griechischer 20000 Todte. Es mag<lb/> das hier Platz finden, um an einem der seltenen Beispiele, wo Controle<lb/> möglich ist, die Unglaubwürdigkeit der Zahlangaben zu zeigen, in denen die<lb/> Lüge bei den Annalisten lawinenartig anschwillt.</note>; unter den Ver-<lb/> wundeten war der König selbst, dem ein Wurfspieſs den Arm<lb/> durchbohrt hatte, während er wie immer im dichtesten Ge-<lb/> tümmel kämpfte. Wohl war es ein Sieg, den Pyrrhos erfoch-<lb/> ten hatte, aber es waren unfruchtbare Lorbeeren; ein Sieg<lb/> der dem König als Feldherrn wie als Soldaten Ehre machte,<lb/> aber seine politischen Zwecke nicht förderte. Er bedurfte<lb/> eines glänzenden Erfolges, der das römische Heer auflöste<lb/> und den schwankenden Bundesgenossen die Gelegenheit und<lb/> den Anstoſs zum Parteiwechsel gab; jetzt wo die römische<lb/> Armee und die römische Eidgenossenschaft ungebrochen blie-<lb/> ben und das griechische Heer, das nichts war ohne seinen<lb/> Feldherrn, durch dessen Verwundung angefesselt stillstand,<lb/> blieb ihm nichts übrig als den Feldzug verloren zu geben und<lb/> in die Winterquartiere zu gehen, die der König in Tarent<lb/> nahm, die Römer diesmal in Apulien. Immer deutlicher offen-<lb/> barte es sich, daſs militärisch die Hülfsquellen des Königs den<lb/> römischen ebenso nachstanden wie politisch die lose und wi-<lb/> derspenstige Coalition den Vergleich nicht aushielt mit der<lb/> festgegründeten römischen Symmachie. Wohl konnte das<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [271/0285]
KOENIG PYRRHOS.
diese Schlacht entschied, nachdem deren zahlreiche Bedeckung
die Bemannung der römischen Streitwagen durch Pfeile und
Schleudersteine vertrieben und der Bespannung die Stränge
zerschnitten hatte. Das Weichen der Bedeckungsmannschaft
der römischen Wagen gab das Signal zur allgemeinen Flucht,
die indeſs nicht sehr zahlreiche Opfer kostete, da das nahe
Lager die Verfolgten aufnahm. Daſs während des Haupttref-
fens ein von der römischen Hauptmacht abgesondertes arpa-
nisches Corps das schwach besetzte epeirotische Lager ange-
griffen und in Brand gesteckt habe, meldet nur der römische
Schlachtbericht; wenn es aber auch richtig ist, so haben doch
die Römer auf alle Fälle mit Unrecht behauptet, daſs die
Schlacht unentschieden geblieben sei. Beide Berichte stimmen
vielmehr darin überein, daſs das römische Heer über den Fluſs
zurückging und Pyrrhos im Besitz des Schlachtfeldes blieb. Die
Zahl der Gefallenen war nach dem griechischen Bericht auf
römischer Seite 6000, auf griechischer 3505 *; unter den Ver-
wundeten war der König selbst, dem ein Wurfspieſs den Arm
durchbohrt hatte, während er wie immer im dichtesten Ge-
tümmel kämpfte. Wohl war es ein Sieg, den Pyrrhos erfoch-
ten hatte, aber es waren unfruchtbare Lorbeeren; ein Sieg
der dem König als Feldherrn wie als Soldaten Ehre machte,
aber seine politischen Zwecke nicht förderte. Er bedurfte
eines glänzenden Erfolges, der das römische Heer auflöste
und den schwankenden Bundesgenossen die Gelegenheit und
den Anstoſs zum Parteiwechsel gab; jetzt wo die römische
Armee und die römische Eidgenossenschaft ungebrochen blie-
ben und das griechische Heer, das nichts war ohne seinen
Feldherrn, durch dessen Verwundung angefesselt stillstand,
blieb ihm nichts übrig als den Feldzug verloren zu geben und
in die Winterquartiere zu gehen, die der König in Tarent
nahm, die Römer diesmal in Apulien. Immer deutlicher offen-
barte es sich, daſs militärisch die Hülfsquellen des Königs den
römischen ebenso nachstanden wie politisch die lose und wi-
derspenstige Coalition den Vergleich nicht aushielt mit der
festgegründeten römischen Symmachie. Wohl konnte das
* Diese Zahlen scheinen glaubwürdig. Der römische Bericht giebt,
wohl an Todten und Verwundeten, für jede Seite 15000 Mann an, ein spä-
terer sogar auf römischer 5000, auf griechischer 20000 Todte. Es mag
das hier Platz finden, um an einem der seltenen Beispiele, wo Controle
möglich ist, die Unglaubwürdigkeit der Zahlangaben zu zeigen, in denen die
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