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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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ZWEITES BUCH. KAPITEL VII.
die Angelegenheiten der Coalition nicht zum besten; nirgends
in ganz Unteritalien hielt dieselbe das Feld und auch in Ober-
italien hatten die Etrusker, die allein noch in Waffen standen,
in dem letzten Feldzug (473) nichts als Niederlagen erlitten.
Die Wirklichkeit bildete einen unerfreulichen Gegensatz zu den
grossen Worten der Verbündeten, die dem König erklärt hat-
ten 350000 Mann zu Fuss und 20000 Reiter ins Feld stellen
zu können; das Heer, dessen Oberbefehl man Pyrrhos über-
tragen, war eben noch erst zu schaffen, wozu vorläufig haupt-
sächlich nur Tarents eigene Hülfsquellen zu Gebot standen.
Der König befahl die Anwerbung eines italischen Söldnerheers
mit tarentinischem Gelde und hob die dienstfähigen Leute aus
der Bürgerschaft zum Kriegsdienst aus, unter Androhung der
Todesstrafe gegen die Säumigen. Natürlich erregte dies Ver-
fahren die grösste Unzufriedenheit; es war unerträglich, dass
man nun doch fechten musste, während man gedacht hatte
den Sieg wie eine andere Waare für gutes Geld sich zu kau-
fen. Jetzt gab der Erfolg bei Allen der Friedenspartei Recht
und Verbindungen wurden sogar mit Rom angeknüpft oder
schienen angeknüpft zu werden. Pyrrhos, auf solchen Wider-
stand vorbereitet, behandelte die Stadt fortan wie eine eroberte;
die Soldaten wurden in die Häuser einquartirt, die Volksver-
sammlungen und die zahlreichen Kränzchen (sussitia) sus-
pendirt, das Theater geschlossen, die Promenaden gesperrt
und die Thore mit epeirotischen Wachen besetzt. Eine Anzahl
der führenden Männer wurden als Geisseln über das Meer
gesandt; andere entzogen sich dem gleichen Schicksal durch
die Flucht nach Rom. Diese strengen, aber nicht grausamen
Massregeln waren nothwendig, da es schlechterdings unmöglich
war sich in irgend einem Sinn auf die Tarentiner zu verlas-
sen; erst jetzt konnte der König, gestützt auf den Besitz der
wichtigen Stadt, die Operationen im Felde beginnen.

Auch in Rom wusste man sehr wohl, welchem Kampfe
man entgegenging. Vor allem galt es die Treue der Bundes-
genossen, das heisst der Unterthanen zu sichern; die unzu-
verlässigen Städte erhielten Besatzung und wo es nothwendig
schien, wurden die Führer der Partei der Unabhängigkeit fest-
gesetzt oder hingerichtet, so zum Beispiel eine Anzahl Glieder
des praenestinischen Senats. Für den Krieg wurden grosse
Anstrengungen gemacht; es ward eine Kriegssteuer ausge-
schrieben, von allen Unterthanen und Bundesgenossen das
volle Contingent eingemahnt, ja man rief die eigentlich von

ZWEITES BUCH. KAPITEL VII.
die Angelegenheiten der Coalition nicht zum besten; nirgends
in ganz Unteritalien hielt dieselbe das Feld und auch in Ober-
italien hatten die Etrusker, die allein noch in Waffen standen,
in dem letzten Feldzug (473) nichts als Niederlagen erlitten.
Die Wirklichkeit bildete einen unerfreulichen Gegensatz zu den
groſsen Worten der Verbündeten, die dem König erklärt hat-
ten 350000 Mann zu Fuſs und 20000 Reiter ins Feld stellen
zu können; das Heer, dessen Oberbefehl man Pyrrhos über-
tragen, war eben noch erst zu schaffen, wozu vorläufig haupt-
sächlich nur Tarents eigene Hülfsquellen zu Gebot standen.
Der König befahl die Anwerbung eines italischen Söldnerheers
mit tarentinischem Gelde und hob die dienstfähigen Leute aus
der Bürgerschaft zum Kriegsdienst aus, unter Androhung der
Todesstrafe gegen die Säumigen. Natürlich erregte dies Ver-
fahren die gröſste Unzufriedenheit; es war unerträglich, daſs
man nun doch fechten muſste, während man gedacht hatte
den Sieg wie eine andere Waare für gutes Geld sich zu kau-
fen. Jetzt gab der Erfolg bei Allen der Friedenspartei Recht
und Verbindungen wurden sogar mit Rom angeknüpft oder
schienen angeknüpft zu werden. Pyrrhos, auf solchen Wider-
stand vorbereitet, behandelte die Stadt fortan wie eine eroberte;
die Soldaten wurden in die Häuser einquartirt, die Volksver-
sammlungen und die zahlreichen Kränzchen (συσσίτια) sus-
pendirt, das Theater geschlossen, die Promenaden gesperrt
und die Thore mit epeirotischen Wachen besetzt. Eine Anzahl
der führenden Männer wurden als Geiſseln über das Meer
gesandt; andere entzogen sich dem gleichen Schicksal durch
die Flucht nach Rom. Diese strengen, aber nicht grausamen
Maſsregeln waren nothwendig, da es schlechterdings unmöglich
war sich in irgend einem Sinn auf die Tarentiner zu verlas-
sen; erst jetzt konnte der König, gestützt auf den Besitz der
wichtigen Stadt, die Operationen im Felde beginnen.

Auch in Rom wuſste man sehr wohl, welchem Kampfe
man entgegenging. Vor allem galt es die Treue der Bundes-
genossen, das heiſst der Unterthanen zu sichern; die unzu-
verlässigen Städte erhielten Besatzung und wo es nothwendig
schien, wurden die Führer der Partei der Unabhängigkeit fest-
gesetzt oder hingerichtet, so zum Beispiel eine Anzahl Glieder
des praenestinischen Senats. Für den Krieg wurden groſse
Anstrengungen gemacht; es ward eine Kriegssteuer ausge-
schrieben, von allen Unterthanen und Bundesgenossen das
volle Contingent eingemahnt, ja man rief die eigentlich von

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[264/0278] ZWEITES BUCH. KAPITEL VII. die Angelegenheiten der Coalition nicht zum besten; nirgends in ganz Unteritalien hielt dieselbe das Feld und auch in Ober- italien hatten die Etrusker, die allein noch in Waffen standen, in dem letzten Feldzug (473) nichts als Niederlagen erlitten. Die Wirklichkeit bildete einen unerfreulichen Gegensatz zu den groſsen Worten der Verbündeten, die dem König erklärt hat- ten 350000 Mann zu Fuſs und 20000 Reiter ins Feld stellen zu können; das Heer, dessen Oberbefehl man Pyrrhos über- tragen, war eben noch erst zu schaffen, wozu vorläufig haupt- sächlich nur Tarents eigene Hülfsquellen zu Gebot standen. Der König befahl die Anwerbung eines italischen Söldnerheers mit tarentinischem Gelde und hob die dienstfähigen Leute aus der Bürgerschaft zum Kriegsdienst aus, unter Androhung der Todesstrafe gegen die Säumigen. Natürlich erregte dies Ver- fahren die gröſste Unzufriedenheit; es war unerträglich, daſs man nun doch fechten muſste, während man gedacht hatte den Sieg wie eine andere Waare für gutes Geld sich zu kau- fen. Jetzt gab der Erfolg bei Allen der Friedenspartei Recht und Verbindungen wurden sogar mit Rom angeknüpft oder schienen angeknüpft zu werden. Pyrrhos, auf solchen Wider- stand vorbereitet, behandelte die Stadt fortan wie eine eroberte; die Soldaten wurden in die Häuser einquartirt, die Volksver- sammlungen und die zahlreichen Kränzchen (συσσίτια) sus- pendirt, das Theater geschlossen, die Promenaden gesperrt und die Thore mit epeirotischen Wachen besetzt. Eine Anzahl der führenden Männer wurden als Geiſseln über das Meer gesandt; andere entzogen sich dem gleichen Schicksal durch die Flucht nach Rom. Diese strengen, aber nicht grausamen Maſsregeln waren nothwendig, da es schlechterdings unmöglich war sich in irgend einem Sinn auf die Tarentiner zu verlas- sen; erst jetzt konnte der König, gestützt auf den Besitz der wichtigen Stadt, die Operationen im Felde beginnen. Auch in Rom wuſste man sehr wohl, welchem Kampfe man entgegenging. Vor allem galt es die Treue der Bundes- genossen, das heiſst der Unterthanen zu sichern; die unzu- verlässigen Städte erhielten Besatzung und wo es nothwendig schien, wurden die Führer der Partei der Unabhängigkeit fest- gesetzt oder hingerichtet, so zum Beispiel eine Anzahl Glieder des praenestinischen Senats. Für den Krieg wurden groſse Anstrengungen gemacht; es ward eine Kriegssteuer ausge- schrieben, von allen Unterthanen und Bundesgenossen das volle Contingent eingemahnt, ja man rief die eigentlich von

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/278>, abgerufen am 25.11.2024.