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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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AUSGLEICHUNG DER STAENDE.
Schuldnern durch Abzug der gezahlten Zinsen vom Capital
und Anordnung von Rückzahlungsfristen Erleichterung schaff-
ten. Vergeblich boten die Patricier gegen diese Gesetzvor-
schläge ihre letzten Mittel auf; selbst die Dictatur und der
alte Kriegsheld Camillus vermochten nur ihre Durchbringung
zu verzögern, nicht sie abzuwenden. Gern hätte auch das
Volk die Vorschläge getheilt; was lag ihm am Consulat, wenn
nur die Schuldenlast erleichtert und das Gemeinland frei ward!
Aber umsonst war die plebejische Nobilität nicht popular; sie
fasste die Gesetze in eine einzige Rogation zusammen und sie
gingen endlich nach lang-, angeblich elfjährigem Kampfe durch
im Jahre 387. Zwar das unverbesserliche Junkerthum verleug-
nete sich auch hier nicht; auch jetzt suchte man noch durch
ein politisches Kipp- und Wippsystem einige Trümmer der
alten Vorrechte zu bergen. Unter dem Vorwande, dass das
Recht ausschliesslich dem Adel bekannt sei, ward von dem
Consulat, als dies den Plebejern eröffnet ward, die Rechts-
pflege getrennt und dafür ein eigener dritter Consul oder,
wie er gewöhnlich heisst, ein Praetor bestellt. Ebenso er-
hielten die Marktaufsicht und die damit verbundenen Polizei-
gerichte zwei neu ernannte Aedilen, die von ihrer ständigen
Gerichtsbarkeit zum Unterschied von den plebejischen die
Gerichtsstuhl-Aedilen (aediles curules) genannt wurden. Allein
die curulische Aedilität ward sofort den Plebejern zugänglich,
so wie dagegen umgekehrt die bisher plebejische den Patri-
ciern; im Jahre 415 ward die Censur, im Jahre 417 die
Praetur den Plebejern geöffnet. Es hatten sich jetzt die ehe-
maligen Vorrechte des Geschlechtsadels bei der Aemterbewer-
bung in Zurücksetzungen verwandelt; denn während der Ple-
bejer jedes Amt bekleiden konnte, waren die Geschlechter
ausgeschlossen vom Tribunat und von der zweiten Censor-
und Consulstelle. In den ersten Decennien nach dem licinisch-
sextischen Gesetze ist dasselbe freilich noch mehrere Male
übertreten worden durch Ernennung zweier patricischer Con-
suln; allein auch dies finden wir seit dem Jahre 411 nicht
wieder. Ebenso wenig änderte es an der Sache, wenn noch
einmal ein patricischer Augur in der Wahl eines plebejischen
Dictators (427) geheime ungeweihten Augen verborgene Mängel
fand. Das Recht endlich der patricischen Senatoren den Be-
schluss der Centurien zu bestätigen oder zu verwerfen, das
sie auszuüben freilich wohl selten gewagt hatten, wurde ihnen
durch das publilische Gesetz von 415, von dem das maenische

Röm. Gesch. I. 13

AUSGLEICHUNG DER STAENDE.
Schuldnern durch Abzug der gezahlten Zinsen vom Capital
und Anordnung von Rückzahlungsfristen Erleichterung schaff-
ten. Vergeblich boten die Patricier gegen diese Gesetzvor-
schläge ihre letzten Mittel auf; selbst die Dictatur und der
alte Kriegsheld Camillus vermochten nur ihre Durchbringung
zu verzögern, nicht sie abzuwenden. Gern hätte auch das
Volk die Vorschläge getheilt; was lag ihm am Consulat, wenn
nur die Schuldenlast erleichtert und das Gemeinland frei ward!
Aber umsonst war die plebejische Nobilität nicht popular; sie
faſste die Gesetze in eine einzige Rogation zusammen und sie
gingen endlich nach lang-, angeblich elfjährigem Kampfe durch
im Jahre 387. Zwar das unverbesserliche Junkerthum verleug-
nete sich auch hier nicht; auch jetzt suchte man noch durch
ein politisches Kipp- und Wippsystem einige Trümmer der
alten Vorrechte zu bergen. Unter dem Vorwande, daſs das
Recht ausschlieſslich dem Adel bekannt sei, ward von dem
Consulat, als dies den Plebejern eröffnet ward, die Rechts-
pflege getrennt und dafür ein eigener dritter Consul oder,
wie er gewöhnlich heiſst, ein Praetor bestellt. Ebenso er-
hielten die Marktaufsicht und die damit verbundenen Polizei-
gerichte zwei neu ernannte Aedilen, die von ihrer ständigen
Gerichtsbarkeit zum Unterschied von den plebejischen die
Gerichtsstuhl-Aedilen (aediles curules) genannt wurden. Allein
die curulische Aedilität ward sofort den Plebejern zugänglich,
so wie dagegen umgekehrt die bisher plebejische den Patri-
ciern; im Jahre 415 ward die Censur, im Jahre 417 die
Praetur den Plebejern geöffnet. Es hatten sich jetzt die ehe-
maligen Vorrechte des Geschlechtsadels bei der Aemterbewer-
bung in Zurücksetzungen verwandelt; denn während der Ple-
bejer jedes Amt bekleiden konnte, waren die Geschlechter
ausgeschlossen vom Tribunat und von der zweiten Censor-
und Consulstelle. In den ersten Decennien nach dem licinisch-
sextischen Gesetze ist dasselbe freilich noch mehrere Male
übertreten worden durch Ernennung zweier patricischer Con-
suln; allein auch dies finden wir seit dem Jahre 411 nicht
wieder. Ebenso wenig änderte es an der Sache, wenn noch
einmal ein patricischer Augur in der Wahl eines plebejischen
Dictators (427) geheime ungeweihten Augen verborgene Mängel
fand. Das Recht endlich der patricischen Senatoren den Be-
schluſs der Centurien zu bestätigen oder zu verwerfen, das
sie auszuüben freilich wohl selten gewagt hatten, wurde ihnen
durch das publilische Gesetz von 415, von dem das maenische

Röm. Gesch. I. 13
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[193/0207] AUSGLEICHUNG DER STAENDE. Schuldnern durch Abzug der gezahlten Zinsen vom Capital und Anordnung von Rückzahlungsfristen Erleichterung schaff- ten. Vergeblich boten die Patricier gegen diese Gesetzvor- schläge ihre letzten Mittel auf; selbst die Dictatur und der alte Kriegsheld Camillus vermochten nur ihre Durchbringung zu verzögern, nicht sie abzuwenden. Gern hätte auch das Volk die Vorschläge getheilt; was lag ihm am Consulat, wenn nur die Schuldenlast erleichtert und das Gemeinland frei ward! Aber umsonst war die plebejische Nobilität nicht popular; sie faſste die Gesetze in eine einzige Rogation zusammen und sie gingen endlich nach lang-, angeblich elfjährigem Kampfe durch im Jahre 387. Zwar das unverbesserliche Junkerthum verleug- nete sich auch hier nicht; auch jetzt suchte man noch durch ein politisches Kipp- und Wippsystem einige Trümmer der alten Vorrechte zu bergen. Unter dem Vorwande, daſs das Recht ausschlieſslich dem Adel bekannt sei, ward von dem Consulat, als dies den Plebejern eröffnet ward, die Rechts- pflege getrennt und dafür ein eigener dritter Consul oder, wie er gewöhnlich heiſst, ein Praetor bestellt. Ebenso er- hielten die Marktaufsicht und die damit verbundenen Polizei- gerichte zwei neu ernannte Aedilen, die von ihrer ständigen Gerichtsbarkeit zum Unterschied von den plebejischen die Gerichtsstuhl-Aedilen (aediles curules) genannt wurden. Allein die curulische Aedilität ward sofort den Plebejern zugänglich, so wie dagegen umgekehrt die bisher plebejische den Patri- ciern; im Jahre 415 ward die Censur, im Jahre 417 die Praetur den Plebejern geöffnet. Es hatten sich jetzt die ehe- maligen Vorrechte des Geschlechtsadels bei der Aemterbewer- bung in Zurücksetzungen verwandelt; denn während der Ple- bejer jedes Amt bekleiden konnte, waren die Geschlechter ausgeschlossen vom Tribunat und von der zweiten Censor- und Consulstelle. In den ersten Decennien nach dem licinisch- sextischen Gesetze ist dasselbe freilich noch mehrere Male übertreten worden durch Ernennung zweier patricischer Con- suln; allein auch dies finden wir seit dem Jahre 411 nicht wieder. Ebenso wenig änderte es an der Sache, wenn noch einmal ein patricischer Augur in der Wahl eines plebejischen Dictators (427) geheime ungeweihten Augen verborgene Mängel fand. Das Recht endlich der patricischen Senatoren den Be- schluſs der Centurien zu bestätigen oder zu verwerfen, das sie auszuüben freilich wohl selten gewagt hatten, wurde ihnen durch das publilische Gesetz von 415, von dem das maenische Röm. Gesch. I. 13

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/207>, abgerufen am 22.11.2024.