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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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ACKERBAU, GEWERBE UND HANDEL.
und jederzeit konnte der Pächter die Pacht aufgeben oder
der Verpächter den Pächter ausweisen. Aus dieser Art der
Bewirthschaftung erklärt sich, wesshalb aus den reichen Guts-
besitzern in Rom ein Land-, kein Stadtadel entstanden ist;
denn sie fesselte, da die verderbliche Institution der Mittels-
männer den Römern fremd blieb, den Gutsherrn fast nicht
weniger an den Grundbesitz als den Pächter. Sein Haus war
der Bauernhof; in der Stadt hatte er nur ein Quartier, seine
Geschäfte zu besorgen und während der heissen Zeit dort die
Villeggiatur zu halten. Ferner ist es bemerkenswerth, dass
durch diese Institution auch ein grosser Theil der nicht an-
sässigen Leute, der Clienten, Freigelassenen und Knechte
factisch Haus und Hof empfing und verwaltete; wodurch die
Unsittlichkeit und Gefährlichkeit dieser abhängigen Verhält-
nisse wesentlich gemildert ward. Der römische Knecht hatte
zwar nicht rechtlich, aber in der Regel doch thatsächlich Land
und Vieh, Weib und Kinder wie der Gutsherr und die Mög-
lichkeit sich frei zu arbeiten lag ihm nicht fern. Dann aber
fand sich in dieser ackerbauenden und eigenthumslosen Be-
völkerung das rechte Material für die römische Colonisations-
politik, welche ohne dies nimmermehr gelingen konnte; denn
es baut nicht wer da will den Acker mit eigener Hand und
der Staat kann wohl dem Landmann Land verleihen, aber
nicht dem Handwerker den Muth und die Kraft geben um die
Pflugschaar zu führen. Sonach war der grosse Grundbesitz,
der verhältnissmässig eben so vielen Familien eine wenn auch
geringere Existenz verschaffte wie der mittlere und kleine,
keineswegs der Vermehrung der Bürgerschaft hinderlich und
für den Staat vom wesentlichsten Nutzen, indem ihm in den
verhältnissmässig hoch und frei gestellten Herrn die natür-
lichen Leiter und Regierer der Gemeinde erwuchsen, in den
Pächtern die Pflanzschule für seine Colonien. -- Dass bei der
freien Theilbarkeit des Eigenthums es an Insten und Garten-
besitzern nicht fehlen konnte, bei denen der Karst an die
Stelle des Pfluges trat, versteht sich von selbst. Die allzu-
grosse Zerstückelung des Bodens zu verhüten bediente man
sich nicht einer Beschränkung der freien Disposition durch einen
gesetzlichen Machtspruch, sondern zum Theil der Ausführung
von Colonisten, welche regelmässig die Gründung einer Anzahl
neuer Vollhufen zur Folge hatte und häufig wohl auch die Ein-
ziehung einer Anzahl Instenstellen veranlasste; theils überliess
man die Beschränkung der Bodentheilung der Gewohnheit und

ACKERBAU, GEWERBE UND HANDEL.
und jederzeit konnte der Pächter die Pacht aufgeben oder
der Verpächter den Pächter ausweisen. Aus dieser Art der
Bewirthschaftung erklärt sich, weſshalb aus den reichen Guts-
besitzern in Rom ein Land-, kein Stadtadel entstanden ist;
denn sie fesselte, da die verderbliche Institution der Mittels-
männer den Römern fremd blieb, den Gutsherrn fast nicht
weniger an den Grundbesitz als den Pächter. Sein Haus war
der Bauernhof; in der Stadt hatte er nur ein Quartier, seine
Geschäfte zu besorgen und während der heiſsen Zeit dort die
Villeggiatur zu halten. Ferner ist es bemerkenswerth, daſs
durch diese Institution auch ein groſser Theil der nicht an-
sässigen Leute, der Clienten, Freigelassenen und Knechte
factisch Haus und Hof empfing und verwaltete; wodurch die
Unsittlichkeit und Gefährlichkeit dieser abhängigen Verhält-
nisse wesentlich gemildert ward. Der römische Knecht hatte
zwar nicht rechtlich, aber in der Regel doch thatsächlich Land
und Vieh, Weib und Kinder wie der Gutsherr und die Mög-
lichkeit sich frei zu arbeiten lag ihm nicht fern. Dann aber
fand sich in dieser ackerbauenden und eigenthumslosen Be-
völkerung das rechte Material für die römische Colonisations-
politik, welche ohne dies nimmermehr gelingen konnte; denn
es baut nicht wer da will den Acker mit eigener Hand und
der Staat kann wohl dem Landmann Land verleihen, aber
nicht dem Handwerker den Muth und die Kraft geben um die
Pflugschaar zu führen. Sonach war der groſse Grundbesitz,
der verhältniſsmäſsig eben so vielen Familien eine wenn auch
geringere Existenz verschaffte wie der mittlere und kleine,
keineswegs der Vermehrung der Bürgerschaft hinderlich und
für den Staat vom wesentlichsten Nutzen, indem ihm in den
verhältniſsmäſsig hoch und frei gestellten Herrn die natür-
lichen Leiter und Regierer der Gemeinde erwuchsen, in den
Pächtern die Pflanzschule für seine Colonien. — Daſs bei der
freien Theilbarkeit des Eigenthums es an Insten und Garten-
besitzern nicht fehlen konnte, bei denen der Karst an die
Stelle des Pfluges trat, versteht sich von selbst. Die allzu-
groſse Zerstückelung des Bodens zu verhüten bediente man
sich nicht einer Beschränkung der freien Disposition durch einen
gesetzlichen Machtspruch, sondern zum Theil der Ausführung
von Colonisten, welche regelmäſsig die Gründung einer Anzahl
neuer Vollhufen zur Folge hatte und häufig wohl auch die Ein-
ziehung einer Anzahl Instenstellen veranlaſste; theils überlieſs
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[125/0139] ACKERBAU, GEWERBE UND HANDEL. und jederzeit konnte der Pächter die Pacht aufgeben oder der Verpächter den Pächter ausweisen. Aus dieser Art der Bewirthschaftung erklärt sich, weſshalb aus den reichen Guts- besitzern in Rom ein Land-, kein Stadtadel entstanden ist; denn sie fesselte, da die verderbliche Institution der Mittels- männer den Römern fremd blieb, den Gutsherrn fast nicht weniger an den Grundbesitz als den Pächter. Sein Haus war der Bauernhof; in der Stadt hatte er nur ein Quartier, seine Geschäfte zu besorgen und während der heiſsen Zeit dort die Villeggiatur zu halten. Ferner ist es bemerkenswerth, daſs durch diese Institution auch ein groſser Theil der nicht an- sässigen Leute, der Clienten, Freigelassenen und Knechte factisch Haus und Hof empfing und verwaltete; wodurch die Unsittlichkeit und Gefährlichkeit dieser abhängigen Verhält- nisse wesentlich gemildert ward. Der römische Knecht hatte zwar nicht rechtlich, aber in der Regel doch thatsächlich Land und Vieh, Weib und Kinder wie der Gutsherr und die Mög- lichkeit sich frei zu arbeiten lag ihm nicht fern. Dann aber fand sich in dieser ackerbauenden und eigenthumslosen Be- völkerung das rechte Material für die römische Colonisations- politik, welche ohne dies nimmermehr gelingen konnte; denn es baut nicht wer da will den Acker mit eigener Hand und der Staat kann wohl dem Landmann Land verleihen, aber nicht dem Handwerker den Muth und die Kraft geben um die Pflugschaar zu führen. Sonach war der groſse Grundbesitz, der verhältniſsmäſsig eben so vielen Familien eine wenn auch geringere Existenz verschaffte wie der mittlere und kleine, keineswegs der Vermehrung der Bürgerschaft hinderlich und für den Staat vom wesentlichsten Nutzen, indem ihm in den verhältniſsmäſsig hoch und frei gestellten Herrn die natür- lichen Leiter und Regierer der Gemeinde erwuchsen, in den Pächtern die Pflanzschule für seine Colonien. — Daſs bei der freien Theilbarkeit des Eigenthums es an Insten und Garten- besitzern nicht fehlen konnte, bei denen der Karst an die Stelle des Pfluges trat, versteht sich von selbst. Die allzu- groſse Zerstückelung des Bodens zu verhüten bediente man sich nicht einer Beschränkung der freien Disposition durch einen gesetzlichen Machtspruch, sondern zum Theil der Ausführung von Colonisten, welche regelmäſsig die Gründung einer Anzahl neuer Vollhufen zur Folge hatte und häufig wohl auch die Ein- ziehung einer Anzahl Instenstellen veranlaſste; theils überlieſs man die Beschränkung der Bodentheilung der Gewohnheit und

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/139>, abgerufen am 27.04.2024.