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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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ERSTES BUCH. KAPITEL XIII.

Die Theilung des Ackerlandes vermögen wir nicht mehr ge-
nau zu erkennen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass in ältester
Zeit die gesammte Mark gemeinschaftlich bestellt ward, wie denn
Zusammenwohnen und Wirthschaften der Theilbesitzer bis in
die späteste Zeit in Rom sehr häufig vorkam; dieser Zeit mag
das älteste Mass des ,Sondereigenthums' (heredium von herus),
von 2 Iugeren (2 preussische Morgen) angehören, welches
das Gartenland gewesen sein wird, das der Einzelne mit
seinen Händen bestellte. In dieser Epoche bestand also die
Hauptmasse des Sondergutes nicht in Grundbesitz, sondern
in Sclaven und Vieh, von wo sich die uralte Bezeichnung des
Privatvermögens als ,Sclaven- und Viehbestand' (familia pecu-
niaque
) herschreibt, sowie die Feststellung der Form der Eigen-
thumsübertragung durch Kupfer und Wage, die eigentlich für
Immobilien nicht passt. Indess wenigstens schon bei Einfüh-
rung der servianischen Verfassung finden wir den gemeinen
Acker aufgetheilt und nur die Weide, namentlich die Schaf-
weide im ungetheilten Besitze der Gemeinde gelassen. Welches
Ackermass jetzt als Vollhufe galt, ist zwar nicht gelungen zu
bestimmen; indess geht aus dem Organismus der servianischen
Verfassung mit Bestimmtheit hervor, dass die mittleren Bauer-
stellen, die einer Familie zu thun und zu leben gaben und
das Halten von Ackervieh so wie die Anwendung des Pfluges
gestatteten, die durchschnittliche Masse ausmachten, so dass
weder eine übermässige Zerstückelung des Grundbesitzes statt-
fand noch auch die grösseren Grundbesitzer ein schädliches
Uebergewicht gewannen. Die herkömmliche Nutzungsweise
der grossen Güter ist in dieser Zeit, wo eine ausgedehnte
Weidewirthschaft wohl nur auf der Gemeinweide stattfand, die
Verpachtung in kleinen Parzellen gegen Abgabe eines Theils,
in späterer Zeit nicht selten bis zu vier Fünfteln der gewon-
nenen Früchte; wie sie noch jetzt in Italien allgemein ist.
Die Pächter waren theils zugewandte Leute, theils Knechte
des Grundherrn, die der Herkunft nach sich jenen im Ganzen
ebenbürtig fühlen mochten; etruskische, sabinische und volski-
sche Kriegsgefangene und deren Descendenz müssen in dieser
Epoche die Hauptmasse der römischen Sclavenschaft gebildet
haben. Das Verhältniss zwischen dem freien Pächter und dem
Verpächter, das sogenannte Precarium, beruhte weniger auf
dem Recht, als auf Treue und Glauben; es bestand kein
Rechtsmittel weder um den Pächter im Besitz zu schützen
noch um dem Verpächter zu seiner Fruchtquote zu verhelfen,

ERSTES BUCH. KAPITEL XIII.

Die Theilung des Ackerlandes vermögen wir nicht mehr ge-
nau zu erkennen. Es ist nicht unwahrscheinlich, daſs in ältester
Zeit die gesammte Mark gemeinschaftlich bestellt ward, wie denn
Zusammenwohnen und Wirthschaften der Theilbesitzer bis in
die späteste Zeit in Rom sehr häufig vorkam; dieser Zeit mag
das älteste Maſs des ‚Sondereigenthums‘ (heredium von herus),
von 2 Iugeren (2 preuſsische Morgen) angehören, welches
das Gartenland gewesen sein wird, das der Einzelne mit
seinen Händen bestellte. In dieser Epoche bestand also die
Hauptmasse des Sondergutes nicht in Grundbesitz, sondern
in Sclaven und Vieh, von wo sich die uralte Bezeichnung des
Privatvermögens als ‚Sclaven- und Viehbestand‘ (familia pecu-
niaque
) herschreibt, sowie die Feststellung der Form der Eigen-
thumsübertragung durch Kupfer und Wage, die eigentlich für
Immobilien nicht paſst. Indeſs wenigstens schon bei Einfüh-
rung der servianischen Verfassung finden wir den gemeinen
Acker aufgetheilt und nur die Weide, namentlich die Schaf-
weide im ungetheilten Besitze der Gemeinde gelassen. Welches
Ackermaſs jetzt als Vollhufe galt, ist zwar nicht gelungen zu
bestimmen; indeſs geht aus dem Organismus der servianischen
Verfassung mit Bestimmtheit hervor, daſs die mittleren Bauer-
stellen, die einer Familie zu thun und zu leben gaben und
das Halten von Ackervieh so wie die Anwendung des Pfluges
gestatteten, die durchschnittliche Masse ausmachten, so daſs
weder eine übermäſsige Zerstückelung des Grundbesitzes statt-
fand noch auch die gröſseren Grundbesitzer ein schädliches
Uebergewicht gewannen. Die herkömmliche Nutzungsweise
der groſsen Güter ist in dieser Zeit, wo eine ausgedehnte
Weidewirthschaft wohl nur auf der Gemeinweide stattfand, die
Verpachtung in kleinen Parzellen gegen Abgabe eines Theils,
in späterer Zeit nicht selten bis zu vier Fünfteln der gewon-
nenen Früchte; wie sie noch jetzt in Italien allgemein ist.
Die Pächter waren theils zugewandte Leute, theils Knechte
des Grundherrn, die der Herkunft nach sich jenen im Ganzen
ebenbürtig fühlen mochten; etruskische, sabinische und volski-
sche Kriegsgefangene und deren Descendenz müssen in dieser
Epoche die Hauptmasse der römischen Sclavenschaft gebildet
haben. Das Verhältniſs zwischen dem freien Pächter und dem
Verpächter, das sogenannte Precarium, beruhte weniger auf
dem Recht, als auf Treue und Glauben; es bestand kein
Rechtsmittel weder um den Pächter im Besitz zu schützen
noch um dem Verpächter zu seiner Fruchtquote zu verhelfen,

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[124/0138] ERSTES BUCH. KAPITEL XIII. Die Theilung des Ackerlandes vermögen wir nicht mehr ge- nau zu erkennen. Es ist nicht unwahrscheinlich, daſs in ältester Zeit die gesammte Mark gemeinschaftlich bestellt ward, wie denn Zusammenwohnen und Wirthschaften der Theilbesitzer bis in die späteste Zeit in Rom sehr häufig vorkam; dieser Zeit mag das älteste Maſs des ‚Sondereigenthums‘ (heredium von herus), von 2 Iugeren (2 preuſsische Morgen) angehören, welches das Gartenland gewesen sein wird, das der Einzelne mit seinen Händen bestellte. In dieser Epoche bestand also die Hauptmasse des Sondergutes nicht in Grundbesitz, sondern in Sclaven und Vieh, von wo sich die uralte Bezeichnung des Privatvermögens als ‚Sclaven- und Viehbestand‘ (familia pecu- niaque) herschreibt, sowie die Feststellung der Form der Eigen- thumsübertragung durch Kupfer und Wage, die eigentlich für Immobilien nicht paſst. Indeſs wenigstens schon bei Einfüh- rung der servianischen Verfassung finden wir den gemeinen Acker aufgetheilt und nur die Weide, namentlich die Schaf- weide im ungetheilten Besitze der Gemeinde gelassen. Welches Ackermaſs jetzt als Vollhufe galt, ist zwar nicht gelungen zu bestimmen; indeſs geht aus dem Organismus der servianischen Verfassung mit Bestimmtheit hervor, daſs die mittleren Bauer- stellen, die einer Familie zu thun und zu leben gaben und das Halten von Ackervieh so wie die Anwendung des Pfluges gestatteten, die durchschnittliche Masse ausmachten, so daſs weder eine übermäſsige Zerstückelung des Grundbesitzes statt- fand noch auch die gröſseren Grundbesitzer ein schädliches Uebergewicht gewannen. Die herkömmliche Nutzungsweise der groſsen Güter ist in dieser Zeit, wo eine ausgedehnte Weidewirthschaft wohl nur auf der Gemeinweide stattfand, die Verpachtung in kleinen Parzellen gegen Abgabe eines Theils, in späterer Zeit nicht selten bis zu vier Fünfteln der gewon- nenen Früchte; wie sie noch jetzt in Italien allgemein ist. Die Pächter waren theils zugewandte Leute, theils Knechte des Grundherrn, die der Herkunft nach sich jenen im Ganzen ebenbürtig fühlen mochten; etruskische, sabinische und volski- sche Kriegsgefangene und deren Descendenz müssen in dieser Epoche die Hauptmasse der römischen Sclavenschaft gebildet haben. Das Verhältniſs zwischen dem freien Pächter und dem Verpächter, das sogenannte Precarium, beruhte weniger auf dem Recht, als auf Treue und Glauben; es bestand kein Rechtsmittel weder um den Pächter im Besitz zu schützen noch um dem Verpächter zu seiner Fruchtquote zu verhelfen,

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/138>, abgerufen am 27.04.2024.