Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.ERSTES BUCH. KAPITEL X. delsbündniss zwischen Rom und Karthago nicht zu bezweifeln.In Folge dessen hinderten die Italiker die Besetzung Sardi- niens und der Nordküste Siciliens durch die Karthager nicht; und beide machten gemeinschaftliche Sache gegen jeden, der sie im Alleinbesitz ihrer Meere bedrohte. Wirklich gelang es die Griechen zu hemmen, jedoch nicht ohne Ausnahme. Zwar in dem unwirthlichen Ostmeer finden wir keine altgriechische Colonie an der italischen noch nördlich von Schwarzkerkyra an der illyrischen Küste; allein im Westmeer wussten dennoch die kühnen Rhodier und Phokaeer Fuss zu fassen. Jene setz- ten sich gegen das Ende des zweiten Jahrhunderts der Stadt auf den liparischen Inseln fest, und trotz der Anstrengungen der tuskischen ,Seeräuber', die Jahr aus Jahr ein die Insel bedrohten, gelang es ihnen sich zu behaupten; ja es leidet wohl keinen Zweifel, dass von hier aus an das Pyrenäengebirg eine Kolonie geführt ward, Rhoda, jetzt Rosas. Sogar bis nach Saguntum scheint eine griechische Kolonie geführt zu sein, die von Zakynthiern und Ardeaten gestiftet sein soll. -- Folgen- reicher noch war der kühne Widerstand der kleinasiatischen Phokaeer. Sie, die zuerst den Griechen die Westsee erschlos- sen hatten und deren Ansiedlungen unter den sicilischen Elymern ,aus troischer Zeit' vielleicht sogar älter sind als die Besetzung der Insel durch die Punier, sie waren nicht gemeint vor den Barbaren aus diesen Gewässern zu weichen und grün- deten um die Mitte des zweiten Jahrhunderts der Stadt, ver- muthlich ehe Karthago übermächtig geworden war und ehe jene tuskisch-punische Allianz sich festgestellt hatte, die west- lichste der grossen Griechenstädte, Massalia an der Küste der Kelten. Die Stadt gedieh trotz ihrer Isolirung und monopo- lisirte bald den Handel von den Pyrenäen bis nach Nizza. Ein zweiter Versuch war nicht minder kühn, aber der Erfolg minder glücklich. Andere Phokaeer siedelten sich Caere gegen- über an in Alalia (Aleria) auf Corsica; sie zu vertreiben er- schien die vereinigte Flotte der Etrusker und Karthager. In einer grossen Schlacht -- einer der ältesten Seeschlachten, die die Geschichte nennt -- um das Jahr 217 der Stadt siegten die Phokaeer mit sechzig Schiffen über die doppelt so starken Feinde oder schrieben sich wenigstens den Sieg zu; denn dem Erfolg nach war der Sieg einer Niederlage gleich. Die Phokaeer gaben Corsica auf und zogen sich zurück an die süditalische Küste, wo sie Velia gründeten; Corsica mit den Städten Alalia und Nikaea ward tuskischer Besitz und die ERSTES BUCH. KAPITEL X. delsbündniſs zwischen Rom und Karthago nicht zu bezweifeln.In Folge dessen hinderten die Italiker die Besetzung Sardi- niens und der Nordküste Siciliens durch die Karthager nicht; und beide machten gemeinschaftliche Sache gegen jeden, der sie im Alleinbesitz ihrer Meere bedrohte. Wirklich gelang es die Griechen zu hemmen, jedoch nicht ohne Ausnahme. Zwar in dem unwirthlichen Ostmeer finden wir keine altgriechische Colonie an der italischen noch nördlich von Schwarzkerkyra an der illyrischen Küste; allein im Westmeer wuſsten dennoch die kühnen Rhodier und Phokaeer Fuſs zu fassen. Jene setz- ten sich gegen das Ende des zweiten Jahrhunderts der Stadt auf den liparischen Inseln fest, und trotz der Anstrengungen der tuskischen ‚Seeräuber‘, die Jahr aus Jahr ein die Insel bedrohten, gelang es ihnen sich zu behaupten; ja es leidet wohl keinen Zweifel, daſs von hier aus an das Pyrenäengebirg eine Kolonie geführt ward, Rhoda, jetzt Rosas. Sogar bis nach Saguntum scheint eine griechische Kolonie geführt zu sein, die von Zakynthiern und Ardeaten gestiftet sein soll. — Folgen- reicher noch war der kühne Widerstand der kleinasiatischen Phokaeer. Sie, die zuerst den Griechen die Westsee erschlos- sen hatten und deren Ansiedlungen unter den sicilischen Elymern ‚aus troischer Zeit‘ vielleicht sogar älter sind als die Besetzung der Insel durch die Punier, sie waren nicht gemeint vor den Barbaren aus diesen Gewässern zu weichen und grün- deten um die Mitte des zweiten Jahrhunderts der Stadt, ver- muthlich ehe Karthago übermächtig geworden war und ehe jene tuskisch-punische Allianz sich festgestellt hatte, die west- lichste der groſsen Griechenstädte, Massalia an der Küste der Kelten. Die Stadt gedieh trotz ihrer Isolirung und monopo- lisirte bald den Handel von den Pyrenäen bis nach Nizza. Ein zweiter Versuch war nicht minder kühn, aber der Erfolg minder glücklich. Andere Phokaeer siedelten sich Caere gegen- über an in Alalia (Aleria) auf Corsica; sie zu vertreiben er- schien die vereinigte Flotte der Etrusker und Karthager. In einer groſsen Schlacht — einer der ältesten Seeschlachten, die die Geschichte nennt — um das Jahr 217 der Stadt siegten die Phokaeer mit sechzig Schiffen über die doppelt so starken Feinde oder schrieben sich wenigstens den Sieg zu; denn dem Erfolg nach war der Sieg einer Niederlage gleich. Die Phokaeer gaben Corsica auf und zogen sich zurück an die süditalische Küste, wo sie Velia gründeten; Corsica mit den Städten Alalia und Nikaea ward tuskischer Besitz und die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0114" n="100"/><fw place="top" type="header">ERSTES BUCH. KAPITEL X.</fw><lb/> delsbündniſs zwischen Rom und Karthago nicht zu bezweifeln.<lb/> In Folge dessen hinderten die Italiker die Besetzung Sardi-<lb/> niens und der Nordküste Siciliens durch die Karthager nicht;<lb/> und beide machten gemeinschaftliche Sache gegen jeden, der<lb/> sie im Alleinbesitz ihrer Meere bedrohte. Wirklich gelang es<lb/> die Griechen zu hemmen, jedoch nicht ohne Ausnahme. 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ERSTES BUCH. KAPITEL X.
delsbündniſs zwischen Rom und Karthago nicht zu bezweifeln.
In Folge dessen hinderten die Italiker die Besetzung Sardi-
niens und der Nordküste Siciliens durch die Karthager nicht;
und beide machten gemeinschaftliche Sache gegen jeden, der
sie im Alleinbesitz ihrer Meere bedrohte. Wirklich gelang es
die Griechen zu hemmen, jedoch nicht ohne Ausnahme. Zwar
in dem unwirthlichen Ostmeer finden wir keine altgriechische
Colonie an der italischen noch nördlich von Schwarzkerkyra
an der illyrischen Küste; allein im Westmeer wuſsten dennoch
die kühnen Rhodier und Phokaeer Fuſs zu fassen. Jene setz-
ten sich gegen das Ende des zweiten Jahrhunderts der Stadt
auf den liparischen Inseln fest, und trotz der Anstrengungen
der tuskischen ‚Seeräuber‘, die Jahr aus Jahr ein die Insel
bedrohten, gelang es ihnen sich zu behaupten; ja es leidet
wohl keinen Zweifel, daſs von hier aus an das Pyrenäengebirg
eine Kolonie geführt ward, Rhoda, jetzt Rosas. Sogar bis nach
Saguntum scheint eine griechische Kolonie geführt zu sein, die
von Zakynthiern und Ardeaten gestiftet sein soll. — Folgen-
reicher noch war der kühne Widerstand der kleinasiatischen
Phokaeer. Sie, die zuerst den Griechen die Westsee erschlos-
sen hatten und deren Ansiedlungen unter den sicilischen
Elymern ‚aus troischer Zeit‘ vielleicht sogar älter sind als die
Besetzung der Insel durch die Punier, sie waren nicht gemeint
vor den Barbaren aus diesen Gewässern zu weichen und grün-
deten um die Mitte des zweiten Jahrhunderts der Stadt, ver-
muthlich ehe Karthago übermächtig geworden war und ehe
jene tuskisch-punische Allianz sich festgestellt hatte, die west-
lichste der groſsen Griechenstädte, Massalia an der Küste der
Kelten. Die Stadt gedieh trotz ihrer Isolirung und monopo-
lisirte bald den Handel von den Pyrenäen bis nach Nizza.
Ein zweiter Versuch war nicht minder kühn, aber der Erfolg
minder glücklich. Andere Phokaeer siedelten sich Caere gegen-
über an in Alalia (Aleria) auf Corsica; sie zu vertreiben er-
schien die vereinigte Flotte der Etrusker und Karthager. In
einer groſsen Schlacht — einer der ältesten Seeschlachten,
die die Geschichte nennt — um das Jahr 217 der Stadt
siegten die Phokaeer mit sechzig Schiffen über die doppelt so
starken Feinde oder schrieben sich wenigstens den Sieg zu;
denn dem Erfolg nach war der Sieg einer Niederlage gleich.
Die Phokaeer gaben Corsica auf und zogen sich zurück an die
süditalische Küste, wo sie Velia gründeten; Corsica mit den
Städten Alalia und Nikaea ward tuskischer Besitz und die
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