Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.DIE HELLENEN UND DIE SEEHERRSCHAFT. nicht mehr auf ihre eigenen Gewässer. Sie gesellten sich dieVolsker zu, die in Clientelverhältniss zu ihnen traten und deren Waldungen in der pomptinischen Ebene den Etruskern die Kiele ihrer Seeschiffe lieferten; dem Seeraub der Antiaten hat erst die römische Herrschaft ein Ende gemacht und nicht umsonst heisst das Gestade der südlichen Volsker den griechi- schen Schiffern das der Laestrygonen. Auch in das campa- nische Meer gelangten die Etrusker früh, wo sie die hohe Landspitze von Sorrent, mit dem noch steileren hafenlosen Felsen von Capri eine rechte Corsarenwarte besetzten um nach beiden Meeren hin den Küstenfahrern aufzupassen. Zu- gleich scheinen sie von hier aus ins Binnenland von Cam- panien eingedrungen zu sein und sollen dort einen eigenen Zwölfstädtebund gegründet haben; wovon wenigstens so viel geschichtlich ist, dass etruskisch redende Gemeinden im cam- panischen Binnenland entstanden und bis in späte Zeit sich dort erhielten. Zwar behaupteten sich die Griechen am Vesuv; allein die bescheidenen Grenzen, innerhalb deren sie hier sich hiel- ten, dürfen wohl auf die Hemmung durch die etruskische Macht zurückgeführt werden. Gemildert, aber nicht aufgehoben erscheint derselbe Gegen- Röm. Gesch. I. 7
DIE HELLENEN UND DIE SEEHERRSCHAFT. nicht mehr auf ihre eigenen Gewässer. Sie gesellten sich dieVolsker zu, die in Clientelverhältniſs zu ihnen traten und deren Waldungen in der pomptinischen Ebene den Etruskern die Kiele ihrer Seeschiffe lieferten; dem Seeraub der Antiaten hat erst die römische Herrschaft ein Ende gemacht und nicht umsonst heiſst das Gestade der südlichen Volsker den griechi- schen Schiffern das der Laestrygonen. Auch in das campa- nische Meer gelangten die Etrusker früh, wo sie die hohe Landspitze von Sorrent, mit dem noch steileren hafenlosen Felsen von Capri eine rechte Corsarenwarte besetzten um nach beiden Meeren hin den Küstenfahrern aufzupassen. Zu- gleich scheinen sie von hier aus ins Binnenland von Cam- panien eingedrungen zu sein und sollen dort einen eigenen Zwölfstädtebund gegründet haben; wovon wenigstens so viel geschichtlich ist, daſs etruskisch redende Gemeinden im cam- panischen Binnenland entstanden und bis in späte Zeit sich dort erhielten. Zwar behaupteten sich die Griechen am Vesuv; allein die bescheidenen Grenzen, innerhalb deren sie hier sich hiel- ten, dürfen wohl auf die Hemmung durch die etruskische Macht zurückgeführt werden. Gemildert, aber nicht aufgehoben erscheint derselbe Gegen- Röm. Gesch. I. 7
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0111" n="97"/><fw place="top" type="header">DIE HELLENEN UND DIE SEEHERRSCHAFT.</fw><lb/> nicht mehr auf ihre eigenen Gewässer. Sie gesellten sich die<lb/> Volsker zu, die in Clientelverhältniſs zu ihnen traten und<lb/> deren Waldungen in der pomptinischen Ebene den Etruskern<lb/> die Kiele ihrer Seeschiffe lieferten; dem Seeraub der Antiaten<lb/> hat erst die römische Herrschaft ein Ende gemacht und nicht<lb/> umsonst heiſst das Gestade der südlichen Volsker den griechi-<lb/> schen Schiffern das der Laestrygonen. Auch in das campa-<lb/> nische Meer gelangten die Etrusker früh, wo sie die hohe<lb/> Landspitze von Sorrent, mit dem noch steileren hafenlosen<lb/> Felsen von Capri eine rechte Corsarenwarte besetzten um<lb/> nach beiden Meeren hin den Küstenfahrern aufzupassen. Zu-<lb/> gleich scheinen sie von hier aus ins Binnenland von Cam-<lb/> panien eingedrungen zu sein und sollen dort einen eigenen<lb/> Zwölfstädtebund gegründet haben; wovon wenigstens so viel<lb/> geschichtlich ist, daſs etruskisch redende Gemeinden im cam-<lb/> panischen Binnenland entstanden und bis in späte Zeit sich dort<lb/> erhielten. Zwar behaupteten sich die Griechen am Vesuv; allein<lb/> die bescheidenen Grenzen, innerhalb deren sie hier sich hiel-<lb/> ten, dürfen wohl auf die Hemmung durch die etruskische<lb/> Macht zurückgeführt werden.</p><lb/> <p>Gemildert, aber nicht aufgehoben erscheint derselbe Gegen-<lb/> satz in dem südlichen Etrurien und in Latium so wie an den<lb/> Mündungen des Padus, wo die edlere italische Nationalität eine<lb/> mildere Gesittung erzeugte und dem Fremden ein gastlicherer<lb/> Empfang bereitet war, ohne daſs doch griechische Colonien<lb/> hier geduldet worden wären. Schon jene Sagen setzen sehr<lb/> bezeichnend den ‚wilden Tyrrhener‘ dem Latiner entgegen<lb/> und die unwirthliche Küste der Volsker dem friedlichen lau-<lb/> rentischen Gestade. Die groſsen Handelsstädte, die in sehr<lb/> früher Zeit hier entstanden, Spina und Hatria am Po, Rom<lb/> an der Tiber, Caere in Etrurien sind, nach den italischen<lb/> Namen wie nach der Lage in einiger Entfernung von der<lb/> Küste zu schlieſsen, sicher italische, nicht griechische Grün-<lb/> dungen; dennoch finden wir sie seit alter Zeit in Verbindung<lb/> mit den Hellenen. Der Verkehr mit dem Apolloheiligthum in<lb/> Delphi, mit dem kumanischen Orakel ist verwebt in die äl-<lb/> teste caeritische und römische Ueberlieferung; ja von Spina<lb/> und Caere ist es gewiſs, daſs in Delphi ihnen wie anderen in<lb/> regelmäſsigem Verkehr mit dem Heiligthum stehenden Ge-<lb/> meinden eigene Schatzhäuser erbaut waren. Der erste unter<lb/> allen Barbaren, der den olympischen Zeus beschenkte, war<lb/> der tuskische König Arimnos, vielleicht Herr von Ariminum.<lb/> <fw place="bottom" type="sig">Röm. Gesch. I. 7</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [97/0111]
DIE HELLENEN UND DIE SEEHERRSCHAFT.
nicht mehr auf ihre eigenen Gewässer. Sie gesellten sich die
Volsker zu, die in Clientelverhältniſs zu ihnen traten und
deren Waldungen in der pomptinischen Ebene den Etruskern
die Kiele ihrer Seeschiffe lieferten; dem Seeraub der Antiaten
hat erst die römische Herrschaft ein Ende gemacht und nicht
umsonst heiſst das Gestade der südlichen Volsker den griechi-
schen Schiffern das der Laestrygonen. Auch in das campa-
nische Meer gelangten die Etrusker früh, wo sie die hohe
Landspitze von Sorrent, mit dem noch steileren hafenlosen
Felsen von Capri eine rechte Corsarenwarte besetzten um
nach beiden Meeren hin den Küstenfahrern aufzupassen. Zu-
gleich scheinen sie von hier aus ins Binnenland von Cam-
panien eingedrungen zu sein und sollen dort einen eigenen
Zwölfstädtebund gegründet haben; wovon wenigstens so viel
geschichtlich ist, daſs etruskisch redende Gemeinden im cam-
panischen Binnenland entstanden und bis in späte Zeit sich dort
erhielten. Zwar behaupteten sich die Griechen am Vesuv; allein
die bescheidenen Grenzen, innerhalb deren sie hier sich hiel-
ten, dürfen wohl auf die Hemmung durch die etruskische
Macht zurückgeführt werden.
Gemildert, aber nicht aufgehoben erscheint derselbe Gegen-
satz in dem südlichen Etrurien und in Latium so wie an den
Mündungen des Padus, wo die edlere italische Nationalität eine
mildere Gesittung erzeugte und dem Fremden ein gastlicherer
Empfang bereitet war, ohne daſs doch griechische Colonien
hier geduldet worden wären. Schon jene Sagen setzen sehr
bezeichnend den ‚wilden Tyrrhener‘ dem Latiner entgegen
und die unwirthliche Küste der Volsker dem friedlichen lau-
rentischen Gestade. Die groſsen Handelsstädte, die in sehr
früher Zeit hier entstanden, Spina und Hatria am Po, Rom
an der Tiber, Caere in Etrurien sind, nach den italischen
Namen wie nach der Lage in einiger Entfernung von der
Küste zu schlieſsen, sicher italische, nicht griechische Grün-
dungen; dennoch finden wir sie seit alter Zeit in Verbindung
mit den Hellenen. Der Verkehr mit dem Apolloheiligthum in
Delphi, mit dem kumanischen Orakel ist verwebt in die äl-
teste caeritische und römische Ueberlieferung; ja von Spina
und Caere ist es gewiſs, daſs in Delphi ihnen wie anderen in
regelmäſsigem Verkehr mit dem Heiligthum stehenden Ge-
meinden eigene Schatzhäuser erbaut waren. Der erste unter
allen Barbaren, der den olympischen Zeus beschenkte, war
der tuskische König Arimnos, vielleicht Herr von Ariminum.
Röm. Gesch. I. 7
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |