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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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ERSTES BUCH. KAPITEL III.
Kämpfen gelang sich gegen die Sabiner wie gegen die nörd-
lichen Nachbarn zu behaupten. Werfen wir einen Blick auf
die Landschaft, die wie keine andere in die Geschicke der
alten Welt einzugreifen bestimmt war.

Schon in urältester Zeit ist die Ebene von Latium der
Schauplatz der grossartigsten Naturkämpfe gewesen, während
des Wassers langsam bildende Kraft und gewaltige Vulcane
Schicht über Schicht schoben desjenigen Bodens, auf dem
entschieden werden sollte, welchem Volk die Herrschaft der
Erde gehöre. Eingeschlossen im Osten von den Bergen
der Sabiner und Aequer, die dem Apennin angehören; im
Süden von dem bis zu 4000 Fuss Höhe ansteigenden volski-
schen Gebirg, welches von dem Hauptstock des Apennin durch
das alte Gebiet der Herniker, die Hochebene des Sacco (Trerus,
Nebenfluss des Liris), getrennt ist und von dieser aus sich
westlichziehend mit dem Vorgebirg von Terracina abschliesst;
im Westen von dem Meer, das an diesem Gestade nur wenige
und geringe Häfen bildet; im Norden in das weite etrurische
Hügelland sich verlaufend, breitet eine weite Ebene sich aus,
durchflossen von dem Tiberis, dem ,Bergstrom', der aus den
umbrischen, und dem Anio, der von den sabinischen Bergen
herkommt. Inselartig steigen in der Fläche auf theils die
steilen Kalkfelsen des Soracte im Nordosten, des circaeischen
Vorgebirgs im Südwesten, so wie der ähnliche obwohl niedri-
gere Höhenzug des Ianiculum bei Rom; theils vulcanische Er-
hebungen, deren erloschene Krater zu Seen geworden und
zum Theil es noch sind; die bedeutendste unter diesen ist
das Albanergebirg, das nach allen Seiten frei zwischen den
Volskergebirgen und dem Tiberfluss aus der Ebene empor-
ragt. -- Das eigentliche Latium ist indess nur ein kleiner
Theil dieses Gebietes. Alles Land nördlich von der Tiber ist
den Latinern ein fremdes, ja sogar ein feindliches Gebiet, mit
dessen Bewohnern ein ewiges Bündniss, ein Landfriede nicht
möglich war und die Waffenruhe stets auf bestimmte Zeit ab-
geschlossen worden zu sein scheint. Die Feststellung der
Tibergrenze gegen Norden ist uralt und wird von der Sage
auf die Fehde zwischen den Aeneaden und dem König Mezen-
tius zurückgeführt. Die flachen und sumpfigen Strecken süd-
lich vom Albanergebirg finden wir in den Händen der umbrisch-
sabellischen Stämme, der Rutuler und Volsker; schon Ardea
und Velitrae sind nicht mehr ursprünglich latinische Städte.
Nur der mittlere Theil, zwischen der Tiber, dem Apennin, den

ERSTES BUCH. KAPITEL III.
Kämpfen gelang sich gegen die Sabiner wie gegen die nörd-
lichen Nachbarn zu behaupten. Werfen wir einen Blick auf
die Landschaft, die wie keine andere in die Geschicke der
alten Welt einzugreifen bestimmt war.

Schon in urältester Zeit ist die Ebene von Latium der
Schauplatz der groſsartigsten Naturkämpfe gewesen, während
des Wassers langsam bildende Kraft und gewaltige Vulcane
Schicht über Schicht schoben desjenigen Bodens, auf dem
entschieden werden sollte, welchem Volk die Herrschaft der
Erde gehöre. Eingeschlossen im Osten von den Bergen
der Sabiner und Aequer, die dem Apennin angehören; im
Süden von dem bis zu 4000 Fuss Höhe ansteigenden volski-
schen Gebirg, welches von dem Hauptstock des Apennin durch
das alte Gebiet der Herniker, die Hochebene des Sacco (Trerus,
Nebenfluſs des Liris), getrennt ist und von dieser aus sich
westlichziehend mit dem Vorgebirg von Terracina abschlieſst;
im Westen von dem Meer, das an diesem Gestade nur wenige
und geringe Häfen bildet; im Norden in das weite etrurische
Hügelland sich verlaufend, breitet eine weite Ebene sich aus,
durchflossen von dem Tiberis, dem ‚Bergstrom‘, der aus den
umbrischen, und dem Anio, der von den sabinischen Bergen
herkommt. Inselartig steigen in der Fläche auf theils die
steilen Kalkfelsen des Soracte im Nordosten, des circaeischen
Vorgebirgs im Südwesten, so wie der ähnliche obwohl niedri-
gere Höhenzug des Ianiculum bei Rom; theils vulcanische Er-
hebungen, deren erloschene Krater zu Seen geworden und
zum Theil es noch sind; die bedeutendste unter diesen ist
das Albanergebirg, das nach allen Seiten frei zwischen den
Volskergebirgen und dem Tiberfluss aus der Ebene empor-
ragt. — Das eigentliche Latium ist indeſs nur ein kleiner
Theil dieses Gebietes. Alles Land nördlich von der Tiber ist
den Latinern ein fremdes, ja sogar ein feindliches Gebiet, mit
dessen Bewohnern ein ewiges Bündniſs, ein Landfriede nicht
möglich war und die Waffenruhe stets auf bestimmte Zeit ab-
geschlossen worden zu sein scheint. Die Feststellung der
Tibergrenze gegen Norden ist uralt und wird von der Sage
auf die Fehde zwischen den Aeneaden und dem König Mezen-
tius zurückgeführt. Die flachen und sumpfigen Strecken süd-
lich vom Albanergebirg finden wir in den Händen der umbrisch-
sabellischen Stämme, der Rutuler und Volsker; schon Ardea
und Velitrae sind nicht mehr ursprünglich latinische Städte.
Nur der mittlere Theil, zwischen der Tiber, dem Apennin, den

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[24/0038] ERSTES BUCH. KAPITEL III. Kämpfen gelang sich gegen die Sabiner wie gegen die nörd- lichen Nachbarn zu behaupten. Werfen wir einen Blick auf die Landschaft, die wie keine andere in die Geschicke der alten Welt einzugreifen bestimmt war. Schon in urältester Zeit ist die Ebene von Latium der Schauplatz der groſsartigsten Naturkämpfe gewesen, während des Wassers langsam bildende Kraft und gewaltige Vulcane Schicht über Schicht schoben desjenigen Bodens, auf dem entschieden werden sollte, welchem Volk die Herrschaft der Erde gehöre. Eingeschlossen im Osten von den Bergen der Sabiner und Aequer, die dem Apennin angehören; im Süden von dem bis zu 4000 Fuss Höhe ansteigenden volski- schen Gebirg, welches von dem Hauptstock des Apennin durch das alte Gebiet der Herniker, die Hochebene des Sacco (Trerus, Nebenfluſs des Liris), getrennt ist und von dieser aus sich westlichziehend mit dem Vorgebirg von Terracina abschlieſst; im Westen von dem Meer, das an diesem Gestade nur wenige und geringe Häfen bildet; im Norden in das weite etrurische Hügelland sich verlaufend, breitet eine weite Ebene sich aus, durchflossen von dem Tiberis, dem ‚Bergstrom‘, der aus den umbrischen, und dem Anio, der von den sabinischen Bergen herkommt. Inselartig steigen in der Fläche auf theils die steilen Kalkfelsen des Soracte im Nordosten, des circaeischen Vorgebirgs im Südwesten, so wie der ähnliche obwohl niedri- gere Höhenzug des Ianiculum bei Rom; theils vulcanische Er- hebungen, deren erloschene Krater zu Seen geworden und zum Theil es noch sind; die bedeutendste unter diesen ist das Albanergebirg, das nach allen Seiten frei zwischen den Volskergebirgen und dem Tiberfluss aus der Ebene empor- ragt. — Das eigentliche Latium ist indeſs nur ein kleiner Theil dieses Gebietes. Alles Land nördlich von der Tiber ist den Latinern ein fremdes, ja sogar ein feindliches Gebiet, mit dessen Bewohnern ein ewiges Bündniſs, ein Landfriede nicht möglich war und die Waffenruhe stets auf bestimmte Zeit ab- geschlossen worden zu sein scheint. Die Feststellung der Tibergrenze gegen Norden ist uralt und wird von der Sage auf die Fehde zwischen den Aeneaden und dem König Mezen- tius zurückgeführt. Die flachen und sumpfigen Strecken süd- lich vom Albanergebirg finden wir in den Händen der umbrisch- sabellischen Stämme, der Rutuler und Volsker; schon Ardea und Velitrae sind nicht mehr ursprünglich latinische Städte. Nur der mittlere Theil, zwischen der Tiber, dem Apennin, den

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/38>, abgerufen am 28.11.2024.