sene Kugel tödtet im günstigsten Fall einige Menschen und demontirt ein Geschütz, während die von einer Landbatterie abgeschossene möglicher Weise ein Schiff außer Gefecht sez- zen kann. Mannschaft, Geschütz und Munition sind in der Landbatterie ungleich sicherer aufgehoben, als hinter den Wänden eines Schiffs. Besonders wichtig aber ist der Umstand, daß bei den Schwankungen des Fahrzeugs ein genaues Richten ganz unmöglich ist. Die Landbatterie bie- tet dem Treffen ein Ziel von etwa viertehalb Fuß Höhe, eine geringe Schwankung vergrößert oder verringert die Elevation der Geschütze daher schon in dem Maaße, daß eine ganze Lage zu hoch oder zu niedrig geht. Die Feuer- schlünde einer Landbatterie hingegen stehen fest, der Artille- rist nimmt seine Richtung genau, sein Ziel ist eine 20 bis 30 Fuß hohe, 100 Fuß lange, überall verwundbare Wand. Die Kugeln, welche zu niedrig gehen, können noch par ri- cochet einschlagen; die, welche zu hoch, Masten, Raaen und Seegel zerstören. Die größere Zahl der Geschütze ist auf der Seite der Flotte, die günstigeren Verhältnisse aber sind auf Seiten der Landbatterie.
Noch ist ein Umstand zu bemerken, welcher besonders ungünstig für das Einlaufen von Schiffen durch die Dar- danellen in den Propontis ist; es weht nämlich den gan- zen Sommer hindurch fast unausgesetzt der Nordwind, die Kauffahrer liegen oft vier bis sechs Wochen, ehe sie die Straße hinauf gelangen, und wenn endlich ein Südwind eintritt, so muß er schon recht scharf sein, um die starke Strömung des Hellespont, welche constant gegen Süden fließt, zu überwinden. Dabei tritt oft der Fall ein, daß bei Kunckaleh der Wind aus Süden weht, während er in der Höhe von Nagara vollkommen aufhört. Wenn das Artillerie-Material in den Dardanellen geordnet sein wird, so glaube ich nicht, daß irgend eine feindliche Flotte der Welt es wagen dürfte, die Straße hinauf zu seegeln; man würde immer genöthigt sein, Truppen zu debarkiren und die Batterien in der Kehle anzugreifen. Aber das dürfte
ſene Kugel toͤdtet im guͤnſtigſten Fall einige Menſchen und demontirt ein Geſchuͤtz, waͤhrend die von einer Landbatterie abgeſchoſſene moͤglicher Weiſe ein Schiff außer Gefecht ſez- zen kann. Mannſchaft, Geſchuͤtz und Munition ſind in der Landbatterie ungleich ſicherer aufgehoben, als hinter den Waͤnden eines Schiffs. Beſonders wichtig aber iſt der Umſtand, daß bei den Schwankungen des Fahrzeugs ein genaues Richten ganz unmoͤglich iſt. Die Landbatterie bie- tet dem Treffen ein Ziel von etwa viertehalb Fuß Hoͤhe, eine geringe Schwankung vergroͤßert oder verringert die Elevation der Geſchuͤtze daher ſchon in dem Maaße, daß eine ganze Lage zu hoch oder zu niedrig geht. Die Feuer- ſchluͤnde einer Landbatterie hingegen ſtehen feſt, der Artille- riſt nimmt ſeine Richtung genau, ſein Ziel iſt eine 20 bis 30 Fuß hohe, 100 Fuß lange, uͤberall verwundbare Wand. Die Kugeln, welche zu niedrig gehen, koͤnnen noch par ri- cochet einſchlagen; die, welche zu hoch, Maſten, Raaen und Seegel zerſtoͤren. Die groͤßere Zahl der Geſchuͤtze iſt auf der Seite der Flotte, die guͤnſtigeren Verhaͤltniſſe aber ſind auf Seiten der Landbatterie.
Noch iſt ein Umſtand zu bemerken, welcher beſonders unguͤnſtig fuͤr das Einlaufen von Schiffen durch die Dar- danellen in den Propontis iſt; es weht naͤmlich den gan- zen Sommer hindurch faſt unausgeſetzt der Nordwind, die Kauffahrer liegen oft vier bis ſechs Wochen, ehe ſie die Straße hinauf gelangen, und wenn endlich ein Suͤdwind eintritt, ſo muß er ſchon recht ſcharf ſein, um die ſtarke Stroͤmung des Helleſpont, welche conſtant gegen Suͤden fließt, zu uͤberwinden. Dabei tritt oft der Fall ein, daß bei Kunckaleh der Wind aus Suͤden weht, waͤhrend er in der Hoͤhe von Nagara vollkommen aufhoͤrt. Wenn das Artillerie-Material in den Dardanellen geordnet ſein wird, ſo glaube ich nicht, daß irgend eine feindliche Flotte der Welt es wagen duͤrfte, die Straße hinauf zu ſeegeln; man wuͤrde immer genoͤthigt ſein, Truppen zu debarkiren und die Batterien in der Kehle anzugreifen. Aber das duͤrfte
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ſene Kugel toͤdtet im guͤnſtigſten Fall einige Menſchen und
demontirt ein Geſchuͤtz, waͤhrend die von einer Landbatterie
abgeſchoſſene moͤglicher Weiſe ein Schiff außer Gefecht ſez-
zen kann. Mannſchaft, Geſchuͤtz und Munition ſind in der
Landbatterie ungleich ſicherer aufgehoben, als hinter den
Waͤnden eines Schiffs. Beſonders wichtig aber iſt der
Umſtand, daß bei den Schwankungen des Fahrzeugs ein
genaues Richten ganz unmoͤglich iſt. Die Landbatterie bie-
tet dem Treffen ein Ziel von etwa viertehalb Fuß Hoͤhe,
eine geringe Schwankung vergroͤßert oder verringert die
Elevation der Geſchuͤtze daher ſchon in dem Maaße, daß
eine ganze Lage zu hoch oder zu niedrig geht. Die Feuer-
ſchluͤnde einer Landbatterie hingegen ſtehen feſt, der Artille-
riſt nimmt ſeine Richtung genau, ſein Ziel iſt eine 20 bis
30 Fuß hohe, 100 Fuß lange, uͤberall verwundbare Wand.
Die Kugeln, welche zu niedrig gehen, koͤnnen noch par ri-
cochet einſchlagen; die, welche zu hoch, Maſten, Raaen
und Seegel zerſtoͤren. Die groͤßere Zahl der Geſchuͤtze iſt
auf der Seite der Flotte, die guͤnſtigeren Verhaͤltniſſe aber
ſind auf Seiten der Landbatterie.
Noch iſt ein Umſtand zu bemerken, welcher beſonders
unguͤnſtig fuͤr das Einlaufen von Schiffen durch die Dar-
danellen in den Propontis iſt; es weht naͤmlich den gan-
zen Sommer hindurch faſt unausgeſetzt der Nordwind, die
Kauffahrer liegen oft vier bis ſechs Wochen, ehe ſie die
Straße hinauf gelangen, und wenn endlich ein Suͤdwind
eintritt, ſo muß er ſchon recht ſcharf ſein, um die ſtarke
Stroͤmung des Helleſpont, welche conſtant gegen Suͤden
fließt, zu uͤberwinden. Dabei tritt oft der Fall ein, daß
bei Kunckaleh der Wind aus Suͤden weht, waͤhrend er in
der Hoͤhe von Nagara vollkommen aufhoͤrt. Wenn das
Artillerie-Material in den Dardanellen geordnet ſein wird,
ſo glaube ich nicht, daß irgend eine feindliche Flotte der
Welt es wagen duͤrfte, die Straße hinauf zu ſeegeln; man
wuͤrde immer genoͤthigt ſein, Truppen zu debarkiren und
die Batterien in der Kehle anzugreifen. Aber das duͤrfte
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/65>, abgerufen am 26.11.2024.
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