Am Bord des "Franz" auf der Donau, den 10. Oktober 1839.
Am 15. September Morgens setzten wir unsere Reise weiter fort. Dies Schiff macht die Tour auf der türki- schen Seite, während "Pannonia" und "Arpad" die walla- chischen Ufer befährt und dort Pratika hat. Bis Rust- schuk waren die Ufer der Donau mir bekannt, rechts Jn- seln mit Schilf oder Weiden, links die bulgarischen Ufer mit Hügeln, wenigen Dörfern und geringem Anbau, zuwei- len mit etwas Wald. An mehreren Stellen bemerkte ich Wassermühlen mit sogenannten Kreiselrädern; diese horizon- tal liegenden Wasserräder, in Europa die vielbesprochene neue Erfindung des Jngenieurs Fourneyron, scheinen hier uralt, und überhaupt die allein üblichen zu sein, nicht sowohl, weil sie den größtmöglichen Theil der rohen Was- serkraft nutzbar machen, als vielmehr, weil der ganze Me- chanismus so sehr viel einfacher als bei Vertikal-Rädern ist; die Axe des Wasserrades dreht gleich unmittelbar den Mühlstein.
Jn Rustschuk machten wir einen Besuch beim Vesier Sayd-Mehmet-Pascha; dieser ist ein persönlicher Freund von Hafiß-Pascha, und schien über die ganze Lage der Dinge sehr nachdenklich. Jn Nikopolis besahen wir die recht wohlerhaltene Festung auf einer schroffen Höhe an der Donau, und in Widdin besuchten wir den alten Vesier Hussein-Pascha, den Janitscharen-Vertilger; dieser ließ sogleich die Galathea aufhalten, Pferde vorführen und bat uns, die neuen Befestigungen zu besichtigen und unsere Meinung über ihre Fortsetzung zu geben.
Uns war es interessant, auch diese türkische Festung noch kennen zu lernen. Widdin ist eine bedeutende Stadt in einer weiten Wiesenniederung an der Donau; sie ist mit einem bastionirten Hauptwall und trocknen revetirten Gra- ben umgeben; vor den fünf Thoren liegen enge Ravelins; das Profil ist stärker, als ich es bei einer andern Rumeli-
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Am Bord des „Franz“ auf der Donau, den 10. Oktober 1839.
Am 15. September Morgens ſetzten wir unſere Reiſe weiter fort. Dies Schiff macht die Tour auf der tuͤrki- ſchen Seite, waͤhrend „Pannonia“ und „Arpad“ die walla- chiſchen Ufer befaͤhrt und dort Pratika hat. Bis Ruſt- ſchuk waren die Ufer der Donau mir bekannt, rechts Jn- ſeln mit Schilf oder Weiden, links die bulgariſchen Ufer mit Huͤgeln, wenigen Doͤrfern und geringem Anbau, zuwei- len mit etwas Wald. An mehreren Stellen bemerkte ich Waſſermuͤhlen mit ſogenannten Kreiſelraͤdern; dieſe horizon- tal liegenden Waſſerraͤder, in Europa die vielbeſprochene neue Erfindung des Jngenieurs Fourneyron, ſcheinen hier uralt, und uͤberhaupt die allein uͤblichen zu ſein, nicht ſowohl, weil ſie den groͤßtmoͤglichen Theil der rohen Waſ- ſerkraft nutzbar machen, als vielmehr, weil der ganze Me- chanismus ſo ſehr viel einfacher als bei Vertikal-Raͤdern iſt; die Axe des Waſſerrades dreht gleich unmittelbar den Muͤhlſtein.
Jn Ruſtſchuk machten wir einen Beſuch beim Veſier Sayd-Mehmet-Paſcha; dieſer iſt ein perſoͤnlicher Freund von Hafiß-Paſcha, und ſchien uͤber die ganze Lage der Dinge ſehr nachdenklich. Jn Nikopolis beſahen wir die recht wohlerhaltene Feſtung auf einer ſchroffen Hoͤhe an der Donau, und in Widdin beſuchten wir den alten Veſier Huſſein-Paſcha, den Janitſcharen-Vertilger; dieſer ließ ſogleich die Galathea aufhalten, Pferde vorfuͤhren und bat uns, die neuen Befeſtigungen zu beſichtigen und unſere Meinung uͤber ihre Fortſetzung zu geben.
Uns war es intereſſant, auch dieſe tuͤrkiſche Feſtung noch kennen zu lernen. Widdin iſt eine bedeutende Stadt in einer weiten Wieſenniederung an der Donau; ſie iſt mit einem baſtionirten Hauptwall und trocknen revetirten Gra- ben umgeben; vor den fuͤnf Thoren liegen enge Ravelins; das Profil iſt ſtaͤrker, als ich es bei einer andern Rumeli-
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Am Bord des „Franz“ auf der Donau,
den 10. Oktober 1839.
Am 15. September Morgens ſetzten wir unſere Reiſe
weiter fort. Dies Schiff macht die Tour auf der tuͤrki-
ſchen Seite, waͤhrend „Pannonia“ und „Arpad“ die walla-
chiſchen Ufer befaͤhrt und dort Pratika hat. Bis Ruſt-
ſchuk waren die Ufer der Donau mir bekannt, rechts Jn-
ſeln mit Schilf oder Weiden, links die bulgariſchen Ufer
mit Huͤgeln, wenigen Doͤrfern und geringem Anbau, zuwei-
len mit etwas Wald. An mehreren Stellen bemerkte ich
Waſſermuͤhlen mit ſogenannten Kreiſelraͤdern; dieſe horizon-
tal liegenden Waſſerraͤder, in Europa die vielbeſprochene
neue Erfindung des Jngenieurs Fourneyron, ſcheinen
hier uralt, und uͤberhaupt die allein uͤblichen zu ſein, nicht
ſowohl, weil ſie den groͤßtmoͤglichen Theil der rohen Waſ-
ſerkraft nutzbar machen, als vielmehr, weil der ganze Me-
chanismus ſo ſehr viel einfacher als bei Vertikal-Raͤdern
iſt; die Axe des Waſſerrades dreht gleich unmittelbar den
Muͤhlſtein.
Jn Ruſtſchuk machten wir einen Beſuch beim Veſier
Sayd-Mehmet-Paſcha; dieſer iſt ein perſoͤnlicher Freund
von Hafiß-Paſcha, und ſchien uͤber die ganze Lage der
Dinge ſehr nachdenklich. Jn Nikopolis beſahen wir die
recht wohlerhaltene Feſtung auf einer ſchroffen Hoͤhe an der
Donau, und in Widdin beſuchten wir den alten Veſier
Huſſein-Paſcha, den Janitſcharen-Vertilger; dieſer ließ
ſogleich die Galathea aufhalten, Pferde vorfuͤhren und bat
uns, die neuen Befeſtigungen zu beſichtigen und unſere
Meinung uͤber ihre Fortſetzung zu geben.
Uns war es intereſſant, auch dieſe tuͤrkiſche Feſtung
noch kennen zu lernen. Widdin iſt eine bedeutende Stadt
in einer weiten Wieſenniederung an der Donau; ſie iſt mit
einem baſtionirten Hauptwall und trocknen revetirten Gra-
ben umgeben; vor den fuͤnf Thoren liegen enge Ravelins;
das Profil iſt ſtaͤrker, als ich es bei einer andern Rumeli-
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/435>, abgerufen am 26.11.2024.
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