sogar Dienste bei uns. Das war nun mehr, als der sy- rische Generalissimus vertragen konnte, und am 20. Juni erschien er mit seinem ganzen Heer, überschritt gegen Mit- tag das Defilee von Misar, und lagerte in dichten Haufen diesseits desselben, nur anderthalb Stunden vor unserer Front.
Es zeigte sich sogleich, trotz aller schönen Nachrichten unserer Kundschafter, daß Jbrahim weit stärker als wir war. Unsere unregelmäßigen Reiter und eine Brigade Garde- Cavallerie mit einer reitenden Batterie wurden sogleich in Unordnung aus Misar herausgeworfen, und überließen dem Feind ihre Zelte; das Corps Hafiß-Pascha's rückte mitt- lerweile schnell und mit Ordnung in seine Gefechtsstellung, ungefähr 1000 Schritt vorwärts des Zeltlagers, ein Ma- növer, welches mehrmals eingeübt worden war. Wir er- warteten mit Zuverlässigkeit, daß wir an diesem Tage an- gegriffen werden würden; Jbrahim aber blieb den Rest des Tages und die Nacht stehen. Unser Corps brachte die Nacht unter den Waffen zu.
Am folgenden Morgen (21. Juni) vor Sonnen-Auf- gang verfügte ich mich auf einen spitzen Felskegel, der auf unserm rechten Flügel besetzt und verschanzt war, und von wo man mit dem Fernglase Alles übersah; von hier aus war der Anmarsch des Gegners in allen seinen Details sehr deutlich zu erkennen, und man konnte seine Gegen- maaßregeln bei Zeiten treffen.
Bis 9 Uhr blieb Alles ruhig im feindlichen Lager, so- dann setzten sich 9 Cavallerie-Regimenter, 18 reitende Ge- schütze und eine Jnfanterie-Brigade in Marsch gegen die Front und gegen die linke Flanke unserer Stellung. Da der Rest des Corps in seinen Bivouaks verblieb, so benachrich- tigte ich meinen Pascha sogleich schriftlich, daß es auf eine bloße Recognoscirung abgesehen sei. Es kam zu einer Ka- nonade aus sehr großer Ferne, und nur die unregelmäßi- gen Truppen wurden handgemein; hierauf zog sich der Feind zurück. Es scheint, daß man unsere Aufstellung zu
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ſogar Dienſte bei uns. Das war nun mehr, als der ſy- riſche Generaliſſimus vertragen konnte, und am 20. Juni erſchien er mit ſeinem ganzen Heer, uͤberſchritt gegen Mit- tag das Defilee von Miſar, und lagerte in dichten Haufen dieſſeits deſſelben, nur anderthalb Stunden vor unſerer Front.
Es zeigte ſich ſogleich, trotz aller ſchoͤnen Nachrichten unſerer Kundſchafter, daß Jbrahim weit ſtaͤrker als wir war. Unſere unregelmaͤßigen Reiter und eine Brigade Garde- Cavallerie mit einer reitenden Batterie wurden ſogleich in Unordnung aus Miſar herausgeworfen, und uͤberließen dem Feind ihre Zelte; das Corps Hafiß-Paſcha's ruͤckte mitt- lerweile ſchnell und mit Ordnung in ſeine Gefechtsſtellung, ungefaͤhr 1000 Schritt vorwaͤrts des Zeltlagers, ein Ma- noͤver, welches mehrmals eingeuͤbt worden war. Wir er- warteten mit Zuverlaͤſſigkeit, daß wir an dieſem Tage an- gegriffen werden wuͤrden; Jbrahim aber blieb den Reſt des Tages und die Nacht ſtehen. Unſer Corps brachte die Nacht unter den Waffen zu.
Am folgenden Morgen (21. Juni) vor Sonnen-Auf- gang verfuͤgte ich mich auf einen ſpitzen Felskegel, der auf unſerm rechten Fluͤgel beſetzt und verſchanzt war, und von wo man mit dem Fernglaſe Alles uͤberſah; von hier aus war der Anmarſch des Gegners in allen ſeinen Details ſehr deutlich zu erkennen, und man konnte ſeine Gegen- maaßregeln bei Zeiten treffen.
Bis 9 Uhr blieb Alles ruhig im feindlichen Lager, ſo- dann ſetzten ſich 9 Cavallerie-Regimenter, 18 reitende Ge- ſchuͤtze und eine Jnfanterie-Brigade in Marſch gegen die Front und gegen die linke Flanke unſerer Stellung. Da der Reſt des Corps in ſeinen Bivouaks verblieb, ſo benachrich- tigte ich meinen Paſcha ſogleich ſchriftlich, daß es auf eine bloße Recognoſcirung abgeſehen ſei. Es kam zu einer Ka- nonade aus ſehr großer Ferne, und nur die unregelmaͤßi- gen Truppen wurden handgemein; hierauf zog ſich der Feind zuruͤck. Es ſcheint, daß man unſere Aufſtellung zu
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ſogar Dienſte bei uns. Das war nun mehr, als der ſy-
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erſchien er mit ſeinem ganzen Heer, uͤberſchritt gegen Mit-
tag das Defilee von Miſar, und lagerte in dichten Haufen
dieſſeits deſſelben, nur anderthalb Stunden vor unſerer
Front.
Es zeigte ſich ſogleich, trotz aller ſchoͤnen Nachrichten
unſerer Kundſchafter, daß Jbrahim weit ſtaͤrker als wir
war. Unſere unregelmaͤßigen Reiter und eine Brigade Garde-
Cavallerie mit einer reitenden Batterie wurden ſogleich in
Unordnung aus Miſar herausgeworfen, und uͤberließen dem
Feind ihre Zelte; das Corps Hafiß-Paſcha's ruͤckte mitt-
lerweile ſchnell und mit Ordnung in ſeine Gefechtsſtellung,
ungefaͤhr 1000 Schritt vorwaͤrts des Zeltlagers, ein Ma-
noͤver, welches mehrmals eingeuͤbt worden war. Wir er-
warteten mit Zuverlaͤſſigkeit, daß wir an dieſem Tage an-
gegriffen werden wuͤrden; Jbrahim aber blieb den Reſt
des Tages und die Nacht ſtehen. Unſer Corps brachte die
Nacht unter den Waffen zu.
Am folgenden Morgen (21. Juni) vor Sonnen-Auf-
gang verfuͤgte ich mich auf einen ſpitzen Felskegel, der auf
unſerm rechten Fluͤgel beſetzt und verſchanzt war, und von
wo man mit dem Fernglaſe Alles uͤberſah; von hier aus
war der Anmarſch des Gegners in allen ſeinen Details
ſehr deutlich zu erkennen, und man konnte ſeine Gegen-
maaßregeln bei Zeiten treffen.
Bis 9 Uhr blieb Alles ruhig im feindlichen Lager, ſo-
dann ſetzten ſich 9 Cavallerie-Regimenter, 18 reitende Ge-
ſchuͤtze und eine Jnfanterie-Brigade in Marſch gegen die
Front und gegen die linke Flanke unſerer Stellung. Da der
Reſt des Corps in ſeinen Bivouaks verblieb, ſo benachrich-
tigte ich meinen Paſcha ſogleich ſchriftlich, daß es auf eine
bloße Recognoſcirung abgeſehen ſei. Es kam zu einer Ka-
nonade aus ſehr großer Ferne, und nur die unregelmaͤßi-
gen Truppen wurden handgemein; hierauf zog ſich der
Feind zuruͤck. Es ſcheint, daß man unſere Aufſtellung zu
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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/395>, abgerufen am 22.11.2024.
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