die schönen Moscheen von Skutari (Uesküdar, früher Chry- sopolis), der asiatischen Vorstadt; auf den Mädchenthurm (Kiskalessi), welcher zwischen Europa und Asien aus der tiefen Fluth auftaucht; auf die Höhen, welche noch mit frischem Grün prangen, und auf die weiten Begräbnißplätze im Dunkel der Cypressenwälder.
Wir eilten zwischen großen Kauffahrern mit den Wim- peln aller Nationen und riesenhaften Linienschiffen hindurch aus dem goldenen Horn in den Bosphorus. Zahllose Kaiks glitten in allen Richtungen über das unbeschreiblich klare, tiefe Wasser; jetzt wendeten wir uns links um das Vor- gebirge, welches Pera, die Frankenstadt, und Galata mit seinen alten Mauern und dem gewaltigen runden Thurm trägt, von welchem einst die Genueser der Eroberung Kon- stantinopels theilnahmlos zuschauten.
Wegen der heftigen Strömung halten sich die Nachen beim Hinauffahren ganz dicht an das europäische Ufer, und wir betrachteten mit Vergnügen die Einzelheiten der Som- merwohnungen (Jalys), welche von den Wellen bespült werden. Die Fenster sind mit dichten Rohrgittern geschlos- sen, und die Gärten von Lorbeer- und Granat-Bäumen beschattet und mit zahllosen Blumentöpfen besetzt. Eine Menge blühender Rosen lachte den Vorüberfahrenden aus den Gitterfenstern der Gartenmauern entgegen, und Del- phine sprangen schnaubend dicht neben dem Kahn über die glatte Fläche empor. Auf beiden Ufern des Bosphorus reiht sich eine Wohnung an die andere, eine Ortschaft folgt der andern, und die ganze, drei Meilen weite Strecke von Konstantinopel bis Bujukdere bildet eine fortgesetzte Stadt aus zierlichen Landhäusern und großherrlichen Pallästen, aus Fischerhütten, Moscheen, Kaffees, alten Schlössern und rei- zenden Kiosken.
Besonders schön liegt Therapia, wo die Botschafter Englands und Frankreichs wohnen. Der Ort schaut aus den, von jetzt an felsigen und unbebauten, Bergwänden des Bosphorus hinaus ins Schwarze Meer. Links um eine
die ſchoͤnen Moſcheen von Skutari (Ueskuͤdar, fruͤher Chry- ſopolis), der aſiatiſchen Vorſtadt; auf den Maͤdchenthurm (Kiskaleſſi), welcher zwiſchen Europa und Aſien aus der tiefen Fluth auftaucht; auf die Hoͤhen, welche noch mit friſchem Gruͤn prangen, und auf die weiten Begraͤbnißplaͤtze im Dunkel der Cypreſſenwaͤlder.
Wir eilten zwiſchen großen Kauffahrern mit den Wim- peln aller Nationen und rieſenhaften Linienſchiffen hindurch aus dem goldenen Horn in den Bosphorus. Zahlloſe Kaiks glitten in allen Richtungen uͤber das unbeſchreiblich klare, tiefe Waſſer; jetzt wendeten wir uns links um das Vor- gebirge, welches Pera, die Frankenſtadt, und Galata mit ſeinen alten Mauern und dem gewaltigen runden Thurm traͤgt, von welchem einſt die Genueſer der Eroberung Kon- ſtantinopels theilnahmlos zuſchauten.
Wegen der heftigen Stroͤmung halten ſich die Nachen beim Hinauffahren ganz dicht an das europaͤiſche Ufer, und wir betrachteten mit Vergnuͤgen die Einzelheiten der Som- merwohnungen (Jalys), welche von den Wellen beſpuͤlt werden. Die Fenſter ſind mit dichten Rohrgittern geſchloſ- ſen, und die Gaͤrten von Lorbeer- und Granat-Baͤumen beſchattet und mit zahlloſen Blumentoͤpfen beſetzt. Eine Menge bluͤhender Roſen lachte den Voruͤberfahrenden aus den Gitterfenſtern der Gartenmauern entgegen, und Del- phine ſprangen ſchnaubend dicht neben dem Kahn uͤber die glatte Flaͤche empor. Auf beiden Ufern des Bosphorus reiht ſich eine Wohnung an die andere, eine Ortſchaft folgt der andern, und die ganze, drei Meilen weite Strecke von Konſtantinopel bis Bujukdere bildet eine fortgeſetzte Stadt aus zierlichen Landhaͤuſern und großherrlichen Pallaͤſten, aus Fiſcherhuͤtten, Moſcheen, Kaffees, alten Schloͤſſern und rei- zenden Kiosken.
Beſonders ſchoͤn liegt Therapia, wo die Botſchafter Englands und Frankreichs wohnen. Der Ort ſchaut aus den, von jetzt an felſigen und unbebauten, Bergwaͤnden des Bosphorus hinaus ins Schwarze Meer. Links um eine
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0031"n="21"/>
die ſchoͤnen Moſcheen von Skutari (Ueskuͤdar, fruͤher Chry-<lb/>ſopolis), der aſiatiſchen Vorſtadt; auf den Maͤdchenthurm<lb/>
(Kiskaleſſi), welcher zwiſchen Europa und Aſien aus der<lb/>
tiefen Fluth auftaucht; auf die Hoͤhen, welche noch mit<lb/>
friſchem Gruͤn prangen, und auf die weiten Begraͤbnißplaͤtze<lb/>
im Dunkel der Cypreſſenwaͤlder.</p><lb/><p>Wir eilten zwiſchen großen Kauffahrern mit den Wim-<lb/>
peln aller Nationen und rieſenhaften Linienſchiffen hindurch<lb/>
aus dem goldenen Horn in den Bosphorus. Zahlloſe Kaiks<lb/>
glitten in allen Richtungen uͤber das unbeſchreiblich klare,<lb/>
tiefe Waſſer; jetzt wendeten wir uns links um das Vor-<lb/>
gebirge, welches Pera, die Frankenſtadt, und Galata mit<lb/>ſeinen alten Mauern und dem gewaltigen runden Thurm<lb/>
traͤgt, von welchem einſt die Genueſer der Eroberung Kon-<lb/>ſtantinopels theilnahmlos zuſchauten.</p><lb/><p>Wegen der heftigen Stroͤmung halten ſich die Nachen<lb/>
beim Hinauffahren ganz dicht an das europaͤiſche Ufer, und<lb/>
wir betrachteten mit Vergnuͤgen die Einzelheiten der Som-<lb/>
merwohnungen (Jalys), welche von den Wellen beſpuͤlt<lb/>
werden. Die Fenſter ſind mit dichten Rohrgittern geſchloſ-<lb/>ſen, und die Gaͤrten von Lorbeer- und Granat-Baͤumen<lb/>
beſchattet und mit zahlloſen Blumentoͤpfen beſetzt. Eine<lb/>
Menge bluͤhender Roſen lachte den Voruͤberfahrenden aus<lb/>
den Gitterfenſtern der Gartenmauern entgegen, und Del-<lb/>
phine ſprangen ſchnaubend dicht neben dem Kahn uͤber die<lb/>
glatte Flaͤche empor. Auf beiden Ufern des Bosphorus<lb/>
reiht ſich eine Wohnung an die andere, eine Ortſchaft folgt<lb/>
der andern, und die ganze, drei Meilen weite Strecke von<lb/>
Konſtantinopel bis Bujukdere bildet eine fortgeſetzte Stadt<lb/>
aus zierlichen Landhaͤuſern und großherrlichen Pallaͤſten, aus<lb/>
Fiſcherhuͤtten, Moſcheen, Kaffees, alten Schloͤſſern und rei-<lb/>
zenden Kiosken.</p><lb/><p>Beſonders ſchoͤn liegt Therapia, wo die Botſchafter<lb/>
Englands und Frankreichs wohnen. Der Ort ſchaut aus<lb/>
den, von jetzt an felſigen und unbebauten, Bergwaͤnden des<lb/>
Bosphorus hinaus ins Schwarze Meer. Links um eine<lb/></p></div></body></text></TEI>
[21/0031]
die ſchoͤnen Moſcheen von Skutari (Ueskuͤdar, fruͤher Chry-
ſopolis), der aſiatiſchen Vorſtadt; auf den Maͤdchenthurm
(Kiskaleſſi), welcher zwiſchen Europa und Aſien aus der
tiefen Fluth auftaucht; auf die Hoͤhen, welche noch mit
friſchem Gruͤn prangen, und auf die weiten Begraͤbnißplaͤtze
im Dunkel der Cypreſſenwaͤlder.
Wir eilten zwiſchen großen Kauffahrern mit den Wim-
peln aller Nationen und rieſenhaften Linienſchiffen hindurch
aus dem goldenen Horn in den Bosphorus. Zahlloſe Kaiks
glitten in allen Richtungen uͤber das unbeſchreiblich klare,
tiefe Waſſer; jetzt wendeten wir uns links um das Vor-
gebirge, welches Pera, die Frankenſtadt, und Galata mit
ſeinen alten Mauern und dem gewaltigen runden Thurm
traͤgt, von welchem einſt die Genueſer der Eroberung Kon-
ſtantinopels theilnahmlos zuſchauten.
Wegen der heftigen Stroͤmung halten ſich die Nachen
beim Hinauffahren ganz dicht an das europaͤiſche Ufer, und
wir betrachteten mit Vergnuͤgen die Einzelheiten der Som-
merwohnungen (Jalys), welche von den Wellen beſpuͤlt
werden. Die Fenſter ſind mit dichten Rohrgittern geſchloſ-
ſen, und die Gaͤrten von Lorbeer- und Granat-Baͤumen
beſchattet und mit zahlloſen Blumentoͤpfen beſetzt. Eine
Menge bluͤhender Roſen lachte den Voruͤberfahrenden aus
den Gitterfenſtern der Gartenmauern entgegen, und Del-
phine ſprangen ſchnaubend dicht neben dem Kahn uͤber die
glatte Flaͤche empor. Auf beiden Ufern des Bosphorus
reiht ſich eine Wohnung an die andere, eine Ortſchaft folgt
der andern, und die ganze, drei Meilen weite Strecke von
Konſtantinopel bis Bujukdere bildet eine fortgeſetzte Stadt
aus zierlichen Landhaͤuſern und großherrlichen Pallaͤſten, aus
Fiſcherhuͤtten, Moſcheen, Kaffees, alten Schloͤſſern und rei-
zenden Kiosken.
Beſonders ſchoͤn liegt Therapia, wo die Botſchafter
Englands und Frankreichs wohnen. Der Ort ſchaut aus
den, von jetzt an felſigen und unbebauten, Bergwaͤnden des
Bosphorus hinaus ins Schwarze Meer. Links um eine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/31>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.