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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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nehme Mann hat wenigstens ein oder zwei Pferde im Stall
bereit, die nur gezäumt zu werden brauchen, um sie zu be-
steigen; die Araber aber reiten ganz ohne Zaum, der Half-
terstrick dient, um das Pferd anzuhalten, ein leiser Schlag
mit der flachen Hand auf den Hals, es links oder rechts
zu lenken. Es dauerte denn auch nur wenige Augenblicke,
so saßen die Aga's des Pascha's im Sattel und jagten dem
Flüchtling nach.

Der unbeschlagene Huf des arabischen Rosses hatte
noch nie ein Steinpflaster betreten, und mit Vorsicht eilte
es den holprigen steilen Weg vom Schlosse hinunter. Die
Türken hingegen galopiren einen jähen Abhang mit schar-
fem Geröll hinab, wie wir eine Sandhöhe hinan; die dün-
nen, ringförmigen, kalt geschmiedeten Eisen schützen den Huf
vor jeder Beschädigung, und die Pferde, an solche Ritte
gewöhnt, machen keinen falschen Tritt. Am Ausgange des
Orts haben die Aga's den Scheikh beinahe schon ereilt;
aber jetzt sind sie in der Ebene, der Araber ist in seinem
Elemente und jagt fort in gerader Richtung, denn hier
hemmen weder Graben noch Hecken, weder Flüsse noch Berge
seinen Lauf. Wie ein geübter Jockey, der beim Rennen
führt, kömmt es dem Scheikh darauf an, nicht so schnell,
sondern sondern so langsam wie möglich zu reiten; indem
er beständig nach seinen Verfolgern umblickt, hält er sich
auf Schußweite von ihnen entfernt, dringen sie auf ihn
ein, so beschleunigt er seine Bewegung, bleiben sie zurück,
so verkürzt er die Gangart des Thiers, halten sie an, so
reitet er Schritt. Jn dieser Art geht die Jagd fort, bis
die glühende Sonnenscheibe sich gegen Abend senkt; da erst
nimmt er alle Kräfte seines Rosses in Anspruch; er lehnt
sich vorn über, stößt die Fersen in die Flanken des Thiers
und schießt mit einem lauten Jallah! davon. Der feste
Rasen erdröhnt unter dem Stampfen der kräftigen Hufe,
und bald zeigt nur noch eine Staubwolke den Verfolgern
die Richtung an, in welcher der Araber entfloh.

Hier, wo die Sonnenscheibe fast senkrecht zum Hori-

nehme Mann hat wenigſtens ein oder zwei Pferde im Stall
bereit, die nur gezaͤumt zu werden brauchen, um ſie zu be-
ſteigen; die Araber aber reiten ganz ohne Zaum, der Half-
terſtrick dient, um das Pferd anzuhalten, ein leiſer Schlag
mit der flachen Hand auf den Hals, es links oder rechts
zu lenken. Es dauerte denn auch nur wenige Augenblicke,
ſo ſaßen die Aga's des Paſcha's im Sattel und jagten dem
Fluͤchtling nach.

Der unbeſchlagene Huf des arabiſchen Roſſes hatte
noch nie ein Steinpflaſter betreten, und mit Vorſicht eilte
es den holprigen ſteilen Weg vom Schloſſe hinunter. Die
Tuͤrken hingegen galopiren einen jaͤhen Abhang mit ſchar-
fem Geroͤll hinab, wie wir eine Sandhoͤhe hinan; die duͤn-
nen, ringfoͤrmigen, kalt geſchmiedeten Eiſen ſchuͤtzen den Huf
vor jeder Beſchaͤdigung, und die Pferde, an ſolche Ritte
gewoͤhnt, machen keinen falſchen Tritt. Am Ausgange des
Orts haben die Aga's den Scheikh beinahe ſchon ereilt;
aber jetzt ſind ſie in der Ebene, der Araber iſt in ſeinem
Elemente und jagt fort in gerader Richtung, denn hier
hemmen weder Graben noch Hecken, weder Fluͤſſe noch Berge
ſeinen Lauf. Wie ein geuͤbter Jockey, der beim Rennen
fuͤhrt, koͤmmt es dem Scheikh darauf an, nicht ſo ſchnell,
ſondern ſondern ſo langſam wie moͤglich zu reiten; indem
er beſtaͤndig nach ſeinen Verfolgern umblickt, haͤlt er ſich
auf Schußweite von ihnen entfernt, dringen ſie auf ihn
ein, ſo beſchleunigt er ſeine Bewegung, bleiben ſie zuruͤck,
ſo verkuͤrzt er die Gangart des Thiers, halten ſie an, ſo
reitet er Schritt. Jn dieſer Art geht die Jagd fort, bis
die gluͤhende Sonnenſcheibe ſich gegen Abend ſenkt; da erſt
nimmt er alle Kraͤfte ſeines Roſſes in Anſpruch; er lehnt
ſich vorn uͤber, ſtoͤßt die Ferſen in die Flanken des Thiers
und ſchießt mit einem lauten Jallah! davon. Der feſte
Raſen erdroͤhnt unter dem Stampfen der kraͤftigen Hufe,
und bald zeigt nur noch eine Staubwolke den Verfolgern
die Richtung an, in welcher der Araber entfloh.

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[254/0264] nehme Mann hat wenigſtens ein oder zwei Pferde im Stall bereit, die nur gezaͤumt zu werden brauchen, um ſie zu be- ſteigen; die Araber aber reiten ganz ohne Zaum, der Half- terſtrick dient, um das Pferd anzuhalten, ein leiſer Schlag mit der flachen Hand auf den Hals, es links oder rechts zu lenken. Es dauerte denn auch nur wenige Augenblicke, ſo ſaßen die Aga's des Paſcha's im Sattel und jagten dem Fluͤchtling nach. Der unbeſchlagene Huf des arabiſchen Roſſes hatte noch nie ein Steinpflaſter betreten, und mit Vorſicht eilte es den holprigen ſteilen Weg vom Schloſſe hinunter. Die Tuͤrken hingegen galopiren einen jaͤhen Abhang mit ſchar- fem Geroͤll hinab, wie wir eine Sandhoͤhe hinan; die duͤn- nen, ringfoͤrmigen, kalt geſchmiedeten Eiſen ſchuͤtzen den Huf vor jeder Beſchaͤdigung, und die Pferde, an ſolche Ritte gewoͤhnt, machen keinen falſchen Tritt. Am Ausgange des Orts haben die Aga's den Scheikh beinahe ſchon ereilt; aber jetzt ſind ſie in der Ebene, der Araber iſt in ſeinem Elemente und jagt fort in gerader Richtung, denn hier hemmen weder Graben noch Hecken, weder Fluͤſſe noch Berge ſeinen Lauf. Wie ein geuͤbter Jockey, der beim Rennen fuͤhrt, koͤmmt es dem Scheikh darauf an, nicht ſo ſchnell, ſondern ſondern ſo langſam wie moͤglich zu reiten; indem er beſtaͤndig nach ſeinen Verfolgern umblickt, haͤlt er ſich auf Schußweite von ihnen entfernt, dringen ſie auf ihn ein, ſo beſchleunigt er ſeine Bewegung, bleiben ſie zuruͤck, ſo verkuͤrzt er die Gangart des Thiers, halten ſie an, ſo reitet er Schritt. Jn dieſer Art geht die Jagd fort, bis die gluͤhende Sonnenſcheibe ſich gegen Abend ſenkt; da erſt nimmt er alle Kraͤfte ſeines Roſſes in Anſpruch; er lehnt ſich vorn uͤber, ſtoͤßt die Ferſen in die Flanken des Thiers und ſchießt mit einem lauten Jallah! davon. Der feſte Raſen erdroͤhnt unter dem Stampfen der kraͤftigen Hufe, und bald zeigt nur noch eine Staubwolke den Verfolgern die Richtung an, in welcher der Araber entfloh. Hier, wo die Sonnenſcheibe faſt ſenkrecht zum Hori-

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/264>, abgerufen am 18.05.2024.