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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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phienkirche gewesen sei, wo jetzt die schöne Fontaine steht
und einst das Standbild Helenens sich erhob. Der Pal-
last hatte demnach die große Ausdehnung am Propontis
inne, von der Mauer des jetzigen Serajs hinter der Ach-
medieh weg bis zur Kutschuk-Aja-Sofia oder der kleinen
St. Sophia. Nach dem Zeugniß der Geschichtschreiber
übertraf dieser Pallast, in welchem die Cäsare seit Konstan-
tin tausend Jahre wohnten, den von Rom, das Capitol,
das Schloß von Pergamus, den Hain des Rufinus, den
Tempel Hadrians zu Cizykus, die Pyramiden und den Pha-
rus an Größe, Pracht und Festigkeit. Er war mit drei
Domen gekrönt und das vergoldete Dach von Erz ruhete
auf Säulen von italienischem Marmor; er umschloß große
Gärten, die sich in Terrassen zum Propontis abstuften, und
fünf Kirchen, von denen eine besonders schön und mit einem
halbrunden Portikus in Gestalt eines Sigma geziert war,
welcher auf funfzehn Säulen von phrygischem Marmor ruhte.
Die langen Reihen von Gemächern, die Pracht der Mosai-
ken, Standbilder und Gemälde, die vielen Herrlichkeiten,
welche die Lateiner so in Erstaunen setzten -- das Alles ist
spurlos verschwunden.

Als Konstantin Byzanz belagerte, hatte er sein Zelt
auf einer Anhöhe vor den Mauern der Stadt aufgeschla-
gen, eben derselben, welche jetzt die Moschee Nuri-Osman
krönt. Zum Gedächniß seines Sieges gründete er hier das
Forum. Es geht aus dieser Angabe hervor, daß das alte
Byzanz zwar einen größeren Raum als jetzt das Seraj
eingenommen, daß es sich aber nicht über den zweiten Hü-
gel hinaus erstreckt hat. Das Forum Constantinum bil-
dete ein geräumiges Oval, umgeben von prachtvollen Por-
tiken, die mit vielen Standbildern geschmückt waren; zwei
Triumphbogen bildeten die beiden einander gegenüberliegen-
den Eingänge, und eine 110 Fuß hohe Säule dorischer
Ordnung in der Mitte des Forums trug ein erzenes Stand-
bild von der Meisterhand des Phydias; es stellte den Apoll
mit der Sonne um das Haupt, Scepter und Weltkugel in

phienkirche geweſen ſei, wo jetzt die ſchoͤne Fontaine ſteht
und einſt das Standbild Helenens ſich erhob. Der Pal-
laſt hatte demnach die große Ausdehnung am Propontis
inne, von der Mauer des jetzigen Serajs hinter der Ach-
medieh weg bis zur Kutſchuk-Aja-Sofia oder der kleinen
St. Sophia. Nach dem Zeugniß der Geſchichtſchreiber
uͤbertraf dieſer Pallaſt, in welchem die Caͤſare ſeit Konſtan-
tin tauſend Jahre wohnten, den von Rom, das Capitol,
das Schloß von Pergamus, den Hain des Rufinus, den
Tempel Hadrians zu Cizykus, die Pyramiden und den Pha-
rus an Groͤße, Pracht und Feſtigkeit. Er war mit drei
Domen gekroͤnt und das vergoldete Dach von Erz ruhete
auf Saͤulen von italieniſchem Marmor; er umſchloß große
Gaͤrten, die ſich in Terraſſen zum Propontis abſtuften, und
fuͤnf Kirchen, von denen eine beſonders ſchoͤn und mit einem
halbrunden Portikus in Geſtalt eines Sigma geziert war,
welcher auf funfzehn Saͤulen von phrygiſchem Marmor ruhte.
Die langen Reihen von Gemaͤchern, die Pracht der Moſai-
ken, Standbilder und Gemaͤlde, die vielen Herrlichkeiten,
welche die Lateiner ſo in Erſtaunen ſetzten — das Alles iſt
ſpurlos verſchwunden.

Als Konſtantin Byzanz belagerte, hatte er ſein Zelt
auf einer Anhoͤhe vor den Mauern der Stadt aufgeſchla-
gen, eben derſelben, welche jetzt die Moſchee Nuri-Osman
kroͤnt. Zum Gedaͤchniß ſeines Sieges gruͤndete er hier das
Forum. Es geht aus dieſer Angabe hervor, daß das alte
Byzanz zwar einen groͤßeren Raum als jetzt das Seraj
eingenommen, daß es ſich aber nicht uͤber den zweiten Huͤ-
gel hinaus erſtreckt hat. Das Forum Conſtantinum bil-
dete ein geraͤumiges Oval, umgeben von prachtvollen Por-
tiken, die mit vielen Standbildern geſchmuͤckt waren; zwei
Triumphbogen bildeten die beiden einander gegenuͤberliegen-
den Eingaͤnge, und eine 110 Fuß hohe Saͤule doriſcher
Ordnung in der Mitte des Forums trug ein erzenes Stand-
bild von der Meiſterhand des Phydias; es ſtellte den Apoll
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[182/0192] phienkirche geweſen ſei, wo jetzt die ſchoͤne Fontaine ſteht und einſt das Standbild Helenens ſich erhob. Der Pal- laſt hatte demnach die große Ausdehnung am Propontis inne, von der Mauer des jetzigen Serajs hinter der Ach- medieh weg bis zur Kutſchuk-Aja-Sofia oder der kleinen St. Sophia. Nach dem Zeugniß der Geſchichtſchreiber uͤbertraf dieſer Pallaſt, in welchem die Caͤſare ſeit Konſtan- tin tauſend Jahre wohnten, den von Rom, das Capitol, das Schloß von Pergamus, den Hain des Rufinus, den Tempel Hadrians zu Cizykus, die Pyramiden und den Pha- rus an Groͤße, Pracht und Feſtigkeit. Er war mit drei Domen gekroͤnt und das vergoldete Dach von Erz ruhete auf Saͤulen von italieniſchem Marmor; er umſchloß große Gaͤrten, die ſich in Terraſſen zum Propontis abſtuften, und fuͤnf Kirchen, von denen eine beſonders ſchoͤn und mit einem halbrunden Portikus in Geſtalt eines Sigma geziert war, welcher auf funfzehn Saͤulen von phrygiſchem Marmor ruhte. Die langen Reihen von Gemaͤchern, die Pracht der Moſai- ken, Standbilder und Gemaͤlde, die vielen Herrlichkeiten, welche die Lateiner ſo in Erſtaunen ſetzten — das Alles iſt ſpurlos verſchwunden. Als Konſtantin Byzanz belagerte, hatte er ſein Zelt auf einer Anhoͤhe vor den Mauern der Stadt aufgeſchla- gen, eben derſelben, welche jetzt die Moſchee Nuri-Osman kroͤnt. Zum Gedaͤchniß ſeines Sieges gruͤndete er hier das Forum. Es geht aus dieſer Angabe hervor, daß das alte Byzanz zwar einen groͤßeren Raum als jetzt das Seraj eingenommen, daß es ſich aber nicht uͤber den zweiten Huͤ- gel hinaus erſtreckt hat. Das Forum Conſtantinum bil- dete ein geraͤumiges Oval, umgeben von prachtvollen Por- tiken, die mit vielen Standbildern geſchmuͤckt waren; zwei Triumphbogen bildeten die beiden einander gegenuͤberliegen- den Eingaͤnge, und eine 110 Fuß hohe Saͤule doriſcher Ordnung in der Mitte des Forums trug ein erzenes Stand- bild von der Meiſterhand des Phydias; es ſtellte den Apoll mit der Sonne um das Haupt, Scepter und Weltkugel in

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/192>, abgerufen am 28.11.2024.