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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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29.
Stillleben von Bujukdere. -- Der Tschibuk.

Da bin ich denn wieder in den ruhigen Hafen von
Bujukdere eingelaufen. Jch bewohne für ein paar Wochen
ein Kiosk am Bosphor; die Kaiks gleiten geräuschlos un-
ter meinem Fenster vorüber, und die Berge rings umher
sind mit Grün bedeckt, während um Konstantinopel schon
Alles von der Sonne versengt ist. Aus welchem meiner
zahlreichen Fenster ich auch hinaus schaue, überall sehe ich
in die Pracht eines weiten Seegemäldes, einer Gebirgs-
landschaft, oder in ein enges ummauertes Gärtchen voll
blühender Rosen und Oleander. Die kleinen Rasenparterres
sind mit Blumentöpfen eingefaßt und die Gänge in künst-
lichen Dessins mit Seemuscheln ausgeschüttet. Der duf-
tende Jasmin drängt sich durch die Gitter der Fenster und
Geisblatt und wilder Wein überranken die Mauern. Auf
dem Meere aber fängt der Tag sich zu regen an; die Sonne
ist schon über die asiatischen Berge emporgestiegen, der Nord-
wind, der den ganzen Sommer hindurch weht und den Auf-
enthalt hier so kühl und angenehm macht, streift über die
blanke Spiegelfläche des Wassers und weckt die Wellen,
welche während der Nacht mit der übrigen Natur geschla-
fen haben; die großen, ganz dicht am Ufer liegenden Schiffe
lichten die Anker, und das Klappern der Spille und der
einförmige Gesang der Matrosen verhallt, wie ein Seegel
um das andere sich entfaltet, und das Fahrzeug langsam
den breiten Strom des Bosphors hinabgleitet. Wenn ich
das Plätschern der Wellen höre, von denen ich mit dem
gemächlichen Divan nur durch die Fensterscheiben in der
hölzernen Wand getrennt bin, so ist mir, als ob ich mich
in der Kajüte eines großen Schiffs befände, und wenn ich
mich umdrehe, so glaube ich in ein Klostergärtchen zu schauen,
nur daß statt eines Franziskaners ein breiter Türke am

29.
Stillleben von Bujukdere. — Der Tſchibuk.

Da bin ich denn wieder in den ruhigen Hafen von
Bujukdere eingelaufen. Jch bewohne fuͤr ein paar Wochen
ein Kiosk am Bosphor; die Kaiks gleiten geraͤuſchlos un-
ter meinem Fenſter voruͤber, und die Berge rings umher
ſind mit Gruͤn bedeckt, waͤhrend um Konſtantinopel ſchon
Alles von der Sonne verſengt iſt. Aus welchem meiner
zahlreichen Fenſter ich auch hinaus ſchaue, uͤberall ſehe ich
in die Pracht eines weiten Seegemaͤldes, einer Gebirgs-
landſchaft, oder in ein enges ummauertes Gaͤrtchen voll
bluͤhender Roſen und Oleander. Die kleinen Raſenparterres
ſind mit Blumentoͤpfen eingefaßt und die Gaͤnge in kuͤnſt-
lichen Deſſins mit Seemuſcheln ausgeſchuͤttet. Der duf-
tende Jasmin draͤngt ſich durch die Gitter der Fenſter und
Geisblatt und wilder Wein uͤberranken die Mauern. Auf
dem Meere aber faͤngt der Tag ſich zu regen an; die Sonne
iſt ſchon uͤber die aſiatiſchen Berge emporgeſtiegen, der Nord-
wind, der den ganzen Sommer hindurch weht und den Auf-
enthalt hier ſo kuͤhl und angenehm macht, ſtreift uͤber die
blanke Spiegelflaͤche des Waſſers und weckt die Wellen,
welche waͤhrend der Nacht mit der uͤbrigen Natur geſchla-
fen haben; die großen, ganz dicht am Ufer liegenden Schiffe
lichten die Anker, und das Klappern der Spille und der
einfoͤrmige Geſang der Matroſen verhallt, wie ein Seegel
um das andere ſich entfaltet, und das Fahrzeug langſam
den breiten Strom des Bosphors hinabgleitet. Wenn ich
das Plaͤtſchern der Wellen hoͤre, von denen ich mit dem
gemaͤchlichen Divan nur durch die Fenſterſcheiben in der
hoͤlzernen Wand getrennt bin, ſo iſt mir, als ob ich mich
in der Kajuͤte eines großen Schiffs befaͤnde, und wenn ich
mich umdrehe, ſo glaube ich in ein Kloſtergaͤrtchen zu ſchauen,
nur daß ſtatt eines Franziskaners ein breiter Tuͤrke am

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[146/0156] 29. Stillleben von Bujukdere. — Der Tſchibuk. Bujukdere, den 13. Juni 1837. Da bin ich denn wieder in den ruhigen Hafen von Bujukdere eingelaufen. Jch bewohne fuͤr ein paar Wochen ein Kiosk am Bosphor; die Kaiks gleiten geraͤuſchlos un- ter meinem Fenſter voruͤber, und die Berge rings umher ſind mit Gruͤn bedeckt, waͤhrend um Konſtantinopel ſchon Alles von der Sonne verſengt iſt. Aus welchem meiner zahlreichen Fenſter ich auch hinaus ſchaue, uͤberall ſehe ich in die Pracht eines weiten Seegemaͤldes, einer Gebirgs- landſchaft, oder in ein enges ummauertes Gaͤrtchen voll bluͤhender Roſen und Oleander. Die kleinen Raſenparterres ſind mit Blumentoͤpfen eingefaßt und die Gaͤnge in kuͤnſt- lichen Deſſins mit Seemuſcheln ausgeſchuͤttet. Der duf- tende Jasmin draͤngt ſich durch die Gitter der Fenſter und Geisblatt und wilder Wein uͤberranken die Mauern. Auf dem Meere aber faͤngt der Tag ſich zu regen an; die Sonne iſt ſchon uͤber die aſiatiſchen Berge emporgeſtiegen, der Nord- wind, der den ganzen Sommer hindurch weht und den Auf- enthalt hier ſo kuͤhl und angenehm macht, ſtreift uͤber die blanke Spiegelflaͤche des Waſſers und weckt die Wellen, welche waͤhrend der Nacht mit der uͤbrigen Natur geſchla- fen haben; die großen, ganz dicht am Ufer liegenden Schiffe lichten die Anker, und das Klappern der Spille und der einfoͤrmige Geſang der Matroſen verhallt, wie ein Seegel um das andere ſich entfaltet, und das Fahrzeug langſam den breiten Strom des Bosphors hinabgleitet. Wenn ich das Plaͤtſchern der Wellen hoͤre, von denen ich mit dem gemaͤchlichen Divan nur durch die Fenſterſcheiben in der hoͤlzernen Wand getrennt bin, ſo iſt mir, als ob ich mich in der Kajuͤte eines großen Schiffs befaͤnde, und wenn ich mich umdrehe, ſo glaube ich in ein Kloſtergaͤrtchen zu ſchauen, nur daß ſtatt eines Franziskaners ein breiter Tuͤrke am

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/156>, abgerufen am 25.11.2024.