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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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Man sehe z. B. Behr, W. J., Polizeiwissenschaftslehre. Würzburg, 1848. --
Nichts ändert es offenbar in der Sache, wenn etwa die einzelnen Beziehungen,
in welchen Recht gehandhabt werden soll, aufgezählt werden; wie dies z. B.
von Bitzer, System des natürlichen Rechts (Stuttg., 1841,) geschehen
ist. Durch alle Aufzählungen kommt man aus der zu engen Auffassung
nicht heraus. -- Höchst wunderlich ist es aber gar, wenn K. S. Zachariä,
in seinen Vierzig Büchern vom Staate, unterscheiden will zwischen dem
praktischen und natürlichen Zwecke des Staates, als ersten aber bloß den
Rechtsschutz anerkennt, weil Weiteres zu theuer wäre, und als natürlichen
Zweck Förderung der allgemeinen menschlichen Bildung zugibt. Nicht nur
wäre Beschränkung auf Recht das Theuerste, wie denn auch die Erfahrung
zeigt, daß die Staaten in ihrem und des Volkes Geldinteresse noch Anderes
leisten; sondern es ist überhaupt unstatthaft, den als "natürlich" erkannten
Zweck des Staates kurzweg aus Zweckmäßigkeitsgründen zu verlassen. Jeden-
falls muß derselbe auch im Leben angestrebt werden; und erreicht man ihn
aus Mangel an Mitteln nicht vollständig, so ist wenigstens das Ziel festzuhal-
ten und das Mögliche zu leisten. -- Zu bemerken ist hierbei übrigens, daß,
wenn auch Ahrens Realisation der Rechtsidee als Staatszweck aufstellt,
er nur den Worten nicht aber auch dem Sinne nach hierher gehört. Er
versteht nämlich unter jener Aufgabe überhaupt die Herbeischaffung sämmt-
licher zu Erreichung der menschlichen Zwecke erforderlichen Mittel. Dies ist
aber etwas ganz Anderes und viel Weiteres.
5) Eine besondere Stelle unter den Theorieen, welche einen allge-
meinen Menschheitszweck
für den Staat in Anspruch nehmen, ist
die Hegel'sche besonders hervorzuheben wegen der großartigen Eigenthüm-
lichkeit ihrer Entwicklung. Hegel stellt als Zweck des Staates, weil als
Zweck des vernünftigen menschlichen Handelns die Objectivirung des Sitten-
gesetzes auf. Seine Entwickelung ist aber folgende. Der Mensch hat eine
dreifache Stufe des Betragens: 1. Recht, d. h. äußerliche Achtung des
Andern, ohne daß es auf die Gesinnung dabei ankömmt; 2. Moral, wobei
der Mensch lediglich nach seiner Gesinnung verfährt; 3. Sittlichkeit, die
Vermittelung des rein Aeußerlichen und rein Innerlichen. Die Sittlichkeit
hat sich aber wieder zu bewegen in drei auf einander folgenden Kreisen:
1. in der Familie; 2. in der Gemeinde, d. h. dem unbewußten Vereine
mehrerer Familien; 3. in der bürgerlichen Gesellschaft, wo sich die streitenden
Interessen leicht versöhnen. Die Bethätigung der Sittlichkeit in der bürger-
lichen Gesellschaft, also die höchste Steigerung des vernünftigen Willens, ist
der Staat. -- Hier ist denn aber, abgesehen von der Unrichtigkeit in der Auf-
zählung der Lebenskreise, und abgesehen ferner von der Unmöglichkeit, das
Sittengesetz in seinem ganzen Umfang durch die äußeren Mittel des Staates
herzustellen, eine Haupteinwendung zu machen, welche allen solchen einzelnen
6*
Man ſehe z. B. Behr, W. J., Polizeiwiſſenſchaftslehre. Würzburg, 1848. —
Nichts ändert es offenbar in der Sache, wenn etwa die einzelnen Beziehungen,
in welchen Recht gehandhabt werden ſoll, aufgezählt werden; wie dies z. B.
von Bitzer, Syſtem des natürlichen Rechts (Stuttg., 1841,) geſchehen
iſt. Durch alle Aufzählungen kommt man aus der zu engen Auffaſſung
nicht heraus. — Höchſt wunderlich iſt es aber gar, wenn K. S. Zachariä,
in ſeinen Vierzig Büchern vom Staate, unterſcheiden will zwiſchen dem
praktiſchen und natürlichen Zwecke des Staates, als erſten aber bloß den
Rechtsſchutz anerkennt, weil Weiteres zu theuer wäre, und als natürlichen
Zweck Förderung der allgemeinen menſchlichen Bildung zugibt. Nicht nur
wäre Beſchränkung auf Recht das Theuerſte, wie denn auch die Erfahrung
zeigt, daß die Staaten in ihrem und des Volkes Geldintereſſe noch Anderes
leiſten; ſondern es iſt überhaupt unſtatthaft, den als „natürlich“ erkannten
Zweck des Staates kurzweg aus Zweckmäßigkeitsgründen zu verlaſſen. Jeden-
falls muß derſelbe auch im Leben angeſtrebt werden; und erreicht man ihn
aus Mangel an Mitteln nicht vollſtändig, ſo iſt wenigſtens das Ziel feſtzuhal-
ten und das Mögliche zu leiſten. — Zu bemerken iſt hierbei übrigens, daß,
wenn auch Ahrens Realiſation der Rechtsidee als Staatszweck aufſtellt,
er nur den Worten nicht aber auch dem Sinne nach hierher gehört. Er
verſteht nämlich unter jener Aufgabe überhaupt die Herbeiſchaffung ſämmt-
licher zu Erreichung der menſchlichen Zwecke erforderlichen Mittel. Dies iſt
aber etwas ganz Anderes und viel Weiteres.
5) Eine beſondere Stelle unter den Theorieen, welche einen allge-
meinen Menſchheitszweck
für den Staat in Anſpruch nehmen, iſt
die Hegel’ſche beſonders hervorzuheben wegen der großartigen Eigenthüm-
lichkeit ihrer Entwicklung. Hegel ſtellt als Zweck des Staates, weil als
Zweck des vernünftigen menſchlichen Handelns die Objectivirung des Sitten-
geſetzes auf. Seine Entwickelung iſt aber folgende. Der Menſch hat eine
dreifache Stufe des Betragens: 1. Recht, d. h. äußerliche Achtung des
Andern, ohne daß es auf die Geſinnung dabei ankömmt; 2. Moral, wobei
der Menſch lediglich nach ſeiner Geſinnung verfährt; 3. Sittlichkeit, die
Vermittelung des rein Aeußerlichen und rein Innerlichen. Die Sittlichkeit
hat ſich aber wieder zu bewegen in drei auf einander folgenden Kreiſen:
1. in der Familie; 2. in der Gemeinde, d. h. dem unbewußten Vereine
mehrerer Familien; 3. in der bürgerlichen Geſellſchaft, wo ſich die ſtreitenden
Intereſſen leicht verſöhnen. Die Bethätigung der Sittlichkeit in der bürger-
lichen Geſellſchaft, alſo die höchſte Steigerung des vernünftigen Willens, iſt
der Staat. — Hier iſt denn aber, abgeſehen von der Unrichtigkeit in der Auf-
zählung der Lebenskreiſe, und abgeſehen ferner von der Unmöglichkeit, das
Sittengeſetz in ſeinem ganzen Umfang durch die äußeren Mittel des Staates
herzuſtellen, eine Haupteinwendung zu machen, welche allen ſolchen einzelnen
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[83/0097] ⁴⁾ Man ſehe z. B. Behr, W. J., Polizeiwiſſenſchaftslehre. Würzburg, 1848. — Nichts ändert es offenbar in der Sache, wenn etwa die einzelnen Beziehungen, in welchen Recht gehandhabt werden ſoll, aufgezählt werden; wie dies z. B. von Bitzer, Syſtem des natürlichen Rechts (Stuttg., 1841,) geſchehen iſt. Durch alle Aufzählungen kommt man aus der zu engen Auffaſſung nicht heraus. — Höchſt wunderlich iſt es aber gar, wenn K. S. Zachariä, in ſeinen Vierzig Büchern vom Staate, unterſcheiden will zwiſchen dem praktiſchen und natürlichen Zwecke des Staates, als erſten aber bloß den Rechtsſchutz anerkennt, weil Weiteres zu theuer wäre, und als natürlichen Zweck Förderung der allgemeinen menſchlichen Bildung zugibt. Nicht nur wäre Beſchränkung auf Recht das Theuerſte, wie denn auch die Erfahrung zeigt, daß die Staaten in ihrem und des Volkes Geldintereſſe noch Anderes leiſten; ſondern es iſt überhaupt unſtatthaft, den als „natürlich“ erkannten Zweck des Staates kurzweg aus Zweckmäßigkeitsgründen zu verlaſſen. Jeden- falls muß derſelbe auch im Leben angeſtrebt werden; und erreicht man ihn aus Mangel an Mitteln nicht vollſtändig, ſo iſt wenigſtens das Ziel feſtzuhal- ten und das Mögliche zu leiſten. — Zu bemerken iſt hierbei übrigens, daß, wenn auch Ahrens Realiſation der Rechtsidee als Staatszweck aufſtellt, er nur den Worten nicht aber auch dem Sinne nach hierher gehört. Er verſteht nämlich unter jener Aufgabe überhaupt die Herbeiſchaffung ſämmt- licher zu Erreichung der menſchlichen Zwecke erforderlichen Mittel. Dies iſt aber etwas ganz Anderes und viel Weiteres. ⁵⁾ Eine beſondere Stelle unter den Theorieen, welche einen allge- meinen Menſchheitszweck für den Staat in Anſpruch nehmen, iſt die Hegel’ſche beſonders hervorzuheben wegen der großartigen Eigenthüm- lichkeit ihrer Entwicklung. Hegel ſtellt als Zweck des Staates, weil als Zweck des vernünftigen menſchlichen Handelns die Objectivirung des Sitten- geſetzes auf. Seine Entwickelung iſt aber folgende. Der Menſch hat eine dreifache Stufe des Betragens: 1. Recht, d. h. äußerliche Achtung des Andern, ohne daß es auf die Geſinnung dabei ankömmt; 2. Moral, wobei der Menſch lediglich nach ſeiner Geſinnung verfährt; 3. Sittlichkeit, die Vermittelung des rein Aeußerlichen und rein Innerlichen. Die Sittlichkeit hat ſich aber wieder zu bewegen in drei auf einander folgenden Kreiſen: 1. in der Familie; 2. in der Gemeinde, d. h. dem unbewußten Vereine mehrerer Familien; 3. in der bürgerlichen Geſellſchaft, wo ſich die ſtreitenden Intereſſen leicht verſöhnen. Die Bethätigung der Sittlichkeit in der bürger- lichen Geſellſchaft, alſo die höchſte Steigerung des vernünftigen Willens, iſt der Staat. — Hier iſt denn aber, abgeſehen von der Unrichtigkeit in der Auf- zählung der Lebenskreiſe, und abgeſehen ferner von der Unmöglichkeit, das Sittengeſetz in ſeinem ganzen Umfang durch die äußeren Mittel des Staates herzuſtellen, eine Haupteinwendung zu machen, welche allen ſolchen einzelnen 6*

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/97>, abgerufen am 23.11.2024.